Interview
Schaden Demos gegen rechts der AfD? Ja, sagt ein Bremer Forscher
In Bremen, in Bremerhaven und in vielen anderen Städten stehen weitere Demos gegen rechts an. Was aber können sie bewirken? Das erklärt Protestforscher Sebastian Haunss.
Kurz vor der Bundestagswahl am 23. Februar zieht es die Menschen in Deutschland wieder verstärkt zu Demos gegen rechts auf die Straßen. Damit reagieren sie nicht nur auf die hohen Umfrage-Werte für die in Teilen rechtsextreme AfD, sondern auch auf einen Vorstoß des CDU-Spitzenkandidaten Friedrich Merz zur Verschärfung des Migrationsrechts Ende Januar.
Zur Erinnerung: Merz hatte in Kauf genommen, dass es im Deutschen Bundestag nur mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit für seinen Antrag zur Migrationspolitik gab. Der anschließende Gesetzentwurf scheiterte zwei Tage darauf trotz der Zustimmung der AfD allein deswegen, weil etliche Abgeordnete der Union und der FDP nicht an der Abstimmung teilnahmen.
Eine Reihe von Demos gegen rechts waren die Folge. Weitere Kundgebungen sind in Bremen etwa für den 8. Februar und in Bremerhaven für den 9. Februar geplant. buten un binnen hat Protestforscher Sebastian Haunss von der Uni Bremen gefragt, ob und inwiefern derartige Proteste den Ausgang der Bundestagswahl beeinflussen werden.
Herr Haunss, wie werden sich die Demos gegen rechts, die wir derzeit wieder vielerorts beobachten, auf die Bundestagswahl kurzfristig auswirken?
Es gibt eine ganze Reihe von Untersuchungen, die der Frage nachgegangen sind: Wie haben sich welche Proteste gegen rechts oder für Migration an der Wahlurne ausgewirkt? Das eindeutige Ergebnis dieser Studien für Deutschland, Frankreich, Italien und für Griechenland ist, dass diese Proteste einen Effekt haben. Die Demonstrationen haben den Stimmenanteil der radikal rechten Parteien reduziert.
Das heißt aber nicht, dass wir diesen Effekt sofort bei der nächsten Sonntagsfrage sehen werden. Denn der Effekt ist lokal. Das heißt: In den Orten, in denen protestiert worden ist, ist der Stimmenanteil der extrem rechten Parteien zurückgegangen oder zumindest weniger stark gestiegen als in anderen Teilen des Landes.
Heißt das, dass beispielsweise der Anteil derer, die noch vor einer Woche in Bremen die AfD gewählt hätten, aufgrund der Bremer Demo vom Samstag wahrscheinlich kleiner geworden ist?
Genau das ist aufgrund der Studien anzunehmen.
Die Proteste haben sich zuletzt nicht nur gegen die AfD gerichtet, sondern, auch gegen Friedrich Merz und seine CDU, wie diverse Plakate gezeigt haben. Glauben Sie, dass die CDU durch diese Demos ebenso wie die AfD Stimmenanteile verlieren wird?
Das lässt sich aufgrund der Studienlage nicht sagen. Ich bin mir da auch unsicher. Im Grunde sind zwei Reaktionen von Wählerinnen und Wählern, die mit der CDU sympathisieren denkbar: Sie könnten sich von den Demonstrationen angegriffen fühlen und deswegen erst recht die CDU wählen. Oder sie wählen die gleiche Strategie wie die Abgeordneten, die am Mittwoch und am Freitag nicht abgestimmt haben – und wählen gar nicht.
Untersuchungen zu früheren Demos gegen rechts haben zudem gezeigt, dass der Anteil der CDU-Wähler unter den Demonstranten sehr gering ist, viel geringer als der Anteil derer, die die Grünen, die Linken oder auch die SPD wählen. Es kann daher sein, dass derartige Demos die CDU gar nicht so sehr anfechten – ich weiß es aber nicht.
Es könnte aber doch auch sein, dass der eine oder andere Wähler, der ursprünglich die CDU wählen wollte, jetzt lieber eine andere Partei wählt. Welche Partei könnte das vor allem sein?
Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Die Studien aus Deutschland, die mir zu Effekten von Demonstrationen bekannt sind, zeigen allerdings, dass der Stimmenanteil der Grünen bei der letzten Bundestagswahl in den Orten leicht gestiegen war, wo es kurz zuvor Demonstrationen gegen rechts oder für Migration gegeben hatte. Allerdings gab es diesen Effekt bei der Europawahl im Juni 2024 nicht mehr. Insofern lässt sich aus meiner Sicht schwer sagen, welche Parteien von den Demos gegen rechts profitieren.
Wie werden sich die Proteste vom vergangenen Wochenende langfristig auswirken?
Es handelt sich bereits um den dritten Berg einer Protestwelle, die im vorigen Frühjahr begonnen hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Proteste weitergehen werden, wir werden im Laufe des Jahres weitere Demos an verschiedenen Orten sehen. Dadurch sehen die Demonstranten, dass sie nicht alleinstehen, dass es viele andere gibt, die die gleichen Bauchschmerzen oder Bedenken gegen den Rechtstrend teilen. Das wird sich positiv auf die Mobilisierung der Menschen zu weiteren Demos gegen rechts und für Migration auswirken.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. Februar 2025, 19.30 Uhr