Infografik
Was 10,5 Prozent mehr Lohn Bremen und Bremerhaven kosten würden
Im Tarifstreit im öffentlichen Dienst sind die Forderungen historisch hoch. Die klammen Kommunen sehen sich nicht in der Lage, das zu bezahlen. So teuer könnte es werden.
Wer im öffentlichen Dienst arbeitet, arbeitet beim Staat. Ein richtiger Gedanke, aber nur ein erster und damit nur ein Teil der Wahrheit. Denn nicht nur die Stadt Bremerhaven und die Stadt Bremen sowie das Land sind Arbeitgeber im öffentlichen Dienst. Sondern auch viele Einrichtungen wie die kommunalen – also städtischen – Kliniken zum Beispiel. Außerdem gibt es Unternehmen, an denen die Städte beteiligt sind.
Würden sich die Tarifpartner auf eine Lohnerhöhung einigen, kämen also nicht nur auf die Kommunen direkt, sondern auch auf viele Einrichtungen, Gesellschaften und Unternehmen Mehrkosten zu. Wieviel sind das, würde die Arbeitgeberseite den historisch hohen Forderungen der Gewerkschaft Verdi und des Beamtenbunds zustimmen? Die liegen bei 10,5 Prozent mehr Lohn und mindestens 500 Euro mehr für alle, die nach dem "Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst" – TVÖD – bezahlt werden. Die Rechnung ist schwierig, wie auch Wirtschafts- und Finanzexperte Rudolf Hickel sagt. Eine Annäherung.
Finanzressort: Mehr als 50 Millionen Euro mehr für Haushalte
Zunächst einmal zurück zum ersten Gedanken: Beschäftigte beim Staat. Laut Finanzressort werden in der Stadt Bremen rund 7.000 Menschen aus Haushaltmitteln bezahlt, die vom aktuellen Tarifstreit betroffen sind, die also nach TVÖD bezahlt werden. Davon arbeiten aber nur 4.300 direkt bei der Stadt Bremen und 100 beim Land. Dazu gehören zum Beispiel Beschäftigte in den Eigenbetrieben wie Kita Bremen und die Umweltbetriebe.
Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte werden wohl den größten finanziellen Brocken für die Haushalte bedeuten.
Rudolf Hickel, Wirtschafts- und Finanzexperte
Außerdem sind in den Haushalten direkte Kosten für Personal für nicht-städtische Einrichtungen vorgesehen. Zum Beispiel für Kitas privater Träger wie die Kirchen oder die Arbeiterwohlfahrt. Sie bekommen Zuwendungen, weil sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Dazu kommen unter anderem auch Theater und die Philharmonie. Das ist nicht der öffentliche Dienst im engeren Sinne, aber die Einrichtungen übernehmen in der Regel den Tarifabschluss, Lohnerhöhungen fallen auf Bremen zurück.
Und nun zu den Kosten für diese 7.000 Menschen, die aus den Bremischen Haushalten bezahlt werden: Bei 10,5 Prozent mehr Lohn würde das laut Finanzressort 51 Millionen Euro mehr im Jahr bedeuten. Bei 10,5 Prozent mehr und mindestens 500 Euro wären es demnach 57 Millionen Euro. Doch das ist nur ein Teil, denn Bremerhaven ist nicht darin enthalten. Außerdem fehlen die Unternehmen, die ihre Personalkosten selbst bezahlen – wie die Geno.
Mehrkosten für Bremen bei Maximalforderungen der Gewerkschaft
Bremens kommunale Kliniken besonders herausgefordert
In den Kliniken des kommunalen Klinikverbunds Gesundheit Nord (Geno) arbeiten den Angaben zufolge 7.600 Menschen, die nach TVÖD bezahlt werden – und um deren Gehälter aktuell gerungen wird. Mehr Menschen also, als bei der Stadt Bremen. Und für die Geno ist eigentlich kein Geld für Personal im Haushalt vorgesehen. Staatliches Geld fließt nur wegen ihrer prekären Lage in die Geno.
Außerdem ist Bremen an vielen Unternehmen beteiligt. An der BSAG zum Beispiel oder an der Wohnungsbaugesellschaft Brebau. Und in diesen zig Unternehmen, Gesellschaften und Stiftungen können Menschen arbeiten, die vom aktuellen Tarifstreit betroffen sind. Weil aber alle eine eigene Tarifstruktur haben, sind das nicht automatisch alle Beschäftigten. Dieses Geflecht sorgt dafür, dass aktuell noch unklar ist, welche Kosten auf wen bei einer Lohnerhöhung zukommen. "Wir wissen es einfach noch nicht", sagt auch Finanzexperte Hickel.
16 Millionen Euro Kosten für Magistrat in Bremerhaven
Die Lage in Bremerhaven ist ähnlich. Laut Magistrat, also der Bremerhavener Verwaltungsbehörde, entstehen 16 Millionen Euro Mehrkosten nur für diejenigen, die direkt beim Magistrat beschäftigt sind. Also in der Verwaltung und bei Betrieben, die dem Magistrat gehören. Das sind demnach 3.281 Menschen. Außerdem kommen noch 143 Beschäftigte beim Stadttheater hinzu, die angelehnt an den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst bezahlt werden.
Und auch hier ist das kommunale Klinikum Reinkenheide noch nicht enthalten. 1.750 Beschäftigte von 2.000 werden dort nach TVÖD bezahlt, wie das Klinikum auf Anfrage mitteilte. Es fehlen außerdem wie gehabt städtische Gesellschaften, Beteiligungen an Unternehmen.
Kommunen wie Bremen und Bremerhaven unterstützen
Die Maximalforderungen wären aus Sicht von Wirtschaftsexperte Hickel eine schwere Belastung für viele Kommunen, die unter Geldmangel leiden – nicht nur für Bremen und Bremerhaven. Dennoch hält er die hohen Forderungen von 10,5 Prozent oder mindestens 500 Euro mehr Lohn vor dem Hintergrund der Inflation und deren Folgen für gut begründet. Und um Fachkräfte zu binden, fordert er deshalb Hilfe für die Städte. "Wir haben ja heute schon das Instrumt der kommunalen Investitionsförderungen", sagt Hickel. Bund und Länder müssten den Kommunen so zur Seite stehen, dass eine Lohnerhöhung finanzierbar ist.
Die dritte Verhandlungsrunde ist zäh. Das Angebot der Arbeitgeber vom Februar lag bei fünf Prozent mehr in zwei Schritten und bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Zudem bieten die Kommunen Einmalzahlungen von zunächst 1.500 und später noch einmal 1.000 Euro an. Doch die Gewerkschaften wollen bislang keinen Abschluss ohne Inflationsausgleich insbesondere für die unteren Lohngruppen hinnehmen.
Hickel: Kompromiss bei der Laufzeit
Hickel geht aber davon aus, dass schließlich ein Kompromiss gefunden werden wird. Die Laufzeit sei ein wichtiger Faktor, also wie lange ein neuer Tarifabschluss gelten soll. Die Gewerkschaft fordert ein Jahr, dann soll neu verhandelt werden. Die Arbeitgeber wollen das erst nach 27 Monaten, also mehr als zwei Jahren, tun.
Hickel erklärt: Bei 5,5 Prozent mehr Lohn in zwei Schritten, also 2023 und 2024, und einer Einigung auf zwei Jahre Laufzeit, würde sich das mittelfristig trotz Inflation auf die Gehälter positiv auswirken: "2024 ist wegen der erwarteten Inflationsrate von vier Prozent ein leichter Reallohngewinn zu erwarten", sagt der Bremer Wirtschaftsexperte.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. März 2023, 19:30 Uhr