Infografik
5 Beispiele, was 10,5 Prozent mehr im öffentlichen Dienst ausmachen
Die zweite Verhandlungsrunde im Tarifstreit geht heute zu Ende. Wohl ohne Ergebnis. Sind die Forderungen zu hoch? Wer im öffentlichen Dienst arbeitet – und was die Menschen verdienen.
Im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes fordern die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr Lohn. Der Mindestbetrag soll bewirken, dass die Löhne der Beschäftigten, die weniger verdienen, prozentual stärker angehoben werden als höhere Gehälter. Die kommunalen Arbeitgeber lehnen das ab, weil es wirtschaftlich nicht verkraftbar sei. So die aktuelle Lage.
Insgesamt arbeiten im Land Bremen mehr als 40.000 Menschen im öffentlichen Dienst. Ein Großteil davon arbeitet für das Land Bremen und ist von diesem Tarifstreit nicht betroffen, weil für sie ein eigener Tarifvertrag gilt. Hier geht es um diejenigen, die beim Bund oder den Kommunen arbeiten, also jeweils für die Städte Bremen und Bremerhaven. Das sind rund 18.000 Menschen. Fünf von ihnen haben wir gefragt, was 10,5 Prozent mehr für sie bedeuten würden.
Straßenreiniger Matthias Falk
Matthias Falk fährt täglich knapp 90 Kilometer mit seinem Sprinter durch die Stadt Bremen und leert an die 200 Mülleimer. Es sei ein harter Job, sagt der Straßenreiniger, aber nicht so schmutzig, wie viele vielleicht denken würden. Eigentlich ist er KFZ-Meister und hat lange bei Mercedes gearbeitet. Doch irgendwann war das nichts mehr für ihn, wie er sagt. Seit fast 20 Jahren ist er nun bei der Straßenreinigung. Wertschätzung bekomme er da nur selten. "Es ist schon manchmal grausam, wenn die Rücksicht fehlt", sagt er. Aber er begegne auch freundlichen Menschen, die lächeln und grüßen. Er steht hinter den Forderungen im Tarifstreit und würde dafür streiken.
Ich werde sogar am Tor stehen und den Leuten sagen: 'Wir streiken jetzt.'
Matthias Falk, Straßenreiniger in Bremen
Nur so könne jeder merken, welche Berufe von einer Erhöhung des Tarifs im öffentlichen Dienst profitieren. Ihm geht es nicht in erster Linie darum, am Ende des Monats mehr Gehalt zu bekommen, er sorge sich um die Rente. Viele seiner Kollegen – gerade in den unteren Gehaltsgruppen – drohe die Altersarmut. Die Inflation fresse das Gehalt auf. "Da muss etwas passieren", sagt Falk. 2.419 Euro brutto bekommt ein Straßenreiniger nach Ausbildung in der untersten Stufe. Mit Führerschein und einer Fahrertätigkeit gibt es zum Berufseinstieg bis zu 2.576 Euro.
Katja Seedorf, Tierpflegerin
Katja Seedorf ist Obertierpflegerin im Zoo am Meer in Bremerhaven. Fleisch, Obst und Gemüse – sie ist für das Futter aller Tiere im Zoo verantwortlich. Vor 36 Jahren absolvierte Seedorf eine Ausbildung zur Tierpflegerin im Zoo am Meer. Die angestrebte Erhöhung um 10,5 Prozent würden den Mitarbeitenden sehr helfen, sagt die Betriebsratsvorsitzende. "Die Lebenshaltungskosten werden ja schließlich immer höher für uns alle." Gerade die Menschen in den niedrigeren Gehaltsstufen wie in der Tierpflege seien davon betroffen.
Wir haben einen Beruf der körperlich anstrengend ist. Im Hinblick darauf, dass wir bis 67 arbeiten müssen ist, ist das keine schöne Aussicht.
Katja Seedorf, Obertierpflegerin Zoo am Meer
Für die 54-Jährige würde es persönlich eine Erleichterung auch bezüglich der Rente bedeuten. Die alleinerziehende Mutter hat viele Jahre Teilzeit gearbeitet. Zurzeit arbeiten zwölf Tierpfleger und Tierpflegerinnen in Zoo am Meer in Bremerhaven, sechs Menschen werden in der Tierpflege ausgebildet. Die Beschäftigen gehören nicht direkt zum öffentlichen Dienst, werden aber nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt.
Lukas Hißner, Immobilienmakler
Lukas Hißner ist Immobilienmakler bei der Weser-Elbe Sparkasse (Wespa). Das ist kein klassischer Beruf im öffentlichen Dienst und er ist auch nicht oft vertreten. Hißner ist einer von acht Kollegen. Vor viereinhalb Jahren begann Hißner bei der Wespa eine Ausbildung zum Bankkaufmann und schloss vor zwei Jahren ab. Als Jugend-und-Auszubildenden-Vertreter hofft er, dass die Forderungen für die Azubis in den Verhandlungen durchkommen. Diese liegen bei einer Gehaltserhöhung von 200 Euro und eine unbefristete Übernahme. So könne der Beruf noch attraktiver gemacht werden.
Die Banker, die großen Haie, die man aus Frankfurt im Kopf hat, die muss man von uns kleinen Sparkassen unterscheiden. Man kommt mit dem Gehalt aus, aber Bäume ausreißen ist zurzeit auch nicht mehr.
Lukas Hißner, Immobilienmakler Wespa
Eine mögliche Gehaltserhöhung würde der 22-Jährige für seine Heizkosten und erhöhte Miete verwenden. Mit einem Kompromiss von einer Erhöhung um 300 Euro wäre er sehr zufrieden. Hißner und seine acht Immobilienmakler-Kollegen im Team der Weser-Elbe Sparkasse werden nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst bezahlt.
Die Grafik zeigt das Vollzeit-Brutto-Grundgehalt für eine ledige Person ohne Kinder.
Feuerwehrfrau Tanja Schmitz
Seit 20 Jahren ist Tanja Schmitz bei der Feuerwehr Bremen. Vor der Feuerwehr hat sie eine andere Ausbildung abgeschlossen und mindestens zwei Jahre in dem Beruf gearbeitet. Das ist Voraussetzung, um überhaupt bei der Berufsfeuerwehr ausgebildet zu werden, sagt die 44-Jährige. Jetzt schiebt sie wie die anderen 24-Stunden-Dienste im Lösch- und Rettungsdienst. Klar, habe man Pausen. Aber die Arbeit habe ernorm zugenommen, sagt Schmitz. Bis vor wenigen Monaten mussten laut Schmitz alle Azubis zudem eine fünf-jährige Notfallsanitäter-Ausbildung machen. Auch wegen der vielen Qualifikationen unterstütze sie die Tarif-Forderungen.
Wir sind die, die reinrennen, wenn andere rausrennen – ihr Leben aufs Spiel setzen. Die angespuckt, angepöbelt, beleidigt werden und 100 Prozent geben müssen. Dann ist die Forderung das absolute Mininimum.
Tanja Schmitz, Feuerwehrfrau in Bremen
Sie und andere kämpften seit Jahren darum, dass das Einstiegsgehalt nach der Feuerwehrausbildung angehoben wird. Das liegt bei 2.579,11 Euro brutto für eine ledige Person ohne Kinder. Und doch schwärmt Tanja Schmitz von ihrem Beruf. "Kein Tag ist wie der andere", sagt sie. Und es gebe viele Möglichkeiten, sich weiter zu entwickeln. Besonders wichtig findet sie: "Man hilft den Menschen aktiv. Wenn etwas passiert ist, steht man nicht hilflos daneben, sondern man ist die Person, die was tun kann, um die Situation zu verbessern."
Landschaftsgärtnerin Sandra Kitzmann
33 Jahre ist Sandra Kitzman bei den Umweltbetrieben Bremen beschäftigt. Gärtnerin im Garten- und Landschaftsbau heißt ihr Beruf korrekt. Sie pflegt das Grün in Parks und Grünanlagen, schneidet, pflanzt und fällt Bäume, wie sie sagt. Öffentliche Spielplätze, Schulhöfe und Sportplätze gehören ebenfalls zu ihrem Aufgabenbereich. Der Beruf mache ihr immer noch Spaß, sagt Kitzmann. Aber heute habe man weniger Zeit: "Man kann dem eigenen Anspruch nicht gerecht werden, dass es so schön wird, wie man will, dass die Bürger es vorfinden." Vor allem das Personal fehle. Sie glaubt, die Privatwirtschaft sei inzwischen attraktiver für Gärtnerinnen und Gärtner.
Die privaten Betriebe haben gut nachgezogen. Die ködern die Leute auch mit anderen Dingen, zum Beispiel mit besonderen Prämien. Ich bin auch bei Vorstellungsgesprächen dabei und viele sagen 'Für das Geld komme ich nicht.' Oder sie verhandeln mit dem eigenen Arbeitgeber nach und bleiben dort.
Sandra Kitzmann, Landschaftsgärtnerin und Personalrätin
Beim Umweltbetrieb Bremen arbeiten laut Gewerkschaft Verdi etwa 300 Beschäftigte im "Grünbereich", im Gartenbauamt Bremerhaven 130 Beschäftigte. Das Einstiegsgehalt nach der dreijährigen Ausbildung liegt bei 2.576,29 Euro brutto. 10,5 Prozent mehr oder 500 Euro findet Sandra Kitzmann angemessen, weil es ihr besonders wichtig sei, dass die unteren Lohngruppen etwas vom Kuchen abbekommen. Sie selbst bekommt ohnehin nur noch dann mehr Geld, wenn der Tarif steigt. Nach 33 Berufsjahren kann sie finanziell nicht mehr aufsteigen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 22. Februar 2022, 8:20 Uhr