Fragen & Antworten
Luft im Karton: Wie die Lebensmittelindustrie versteckt Preise anhebt
Ob Milchreis, Käse oder Kekse: Lebensmittel werden immer teurer. Oft merkt man es nicht. Denn viele Hersteller tricksen bei Verpackungen. Sie verkaufen Luft – und davon viel.
Fast immer bedient sich die Lebensmittelindustrie des gleichen Tricks: Der Verkaufspreis bleibt ungefähr gleich, doch der Inhalt der Verpackung "schrumpft" deutlich. Statt 100 Gramm Wurst enthält die Packung auf einmal nur noch 80 Gramm, statt einem Liter Mayonnaise nur noch 650 Milliliter. Hoch gerechnet auf den Kilo- oder auch Liter-Preis ergeben sich oft Preiserhöhungen von rund 20 bis 50 Prozent oder sogar noch mehr.
Um auf verstecktem Wege Preise anzuheben, setzt die Lebensmittelindustrie gern auf so genannte "Mogelverpackungen", die den Kunden in die Irre führen. Zwar kämpfen nicht zuletzt die Verbraucherzentralen Hamburg und Bremen seit Jahren für mehr Transparenz bei Lebensmittelverpackungen. Ein durchschlagender Erfolg im Kampf gegen die Luft in Tüten ist ihnen allerdings noch nicht geglückt. Das sollte man dazu wissen:
Darf die Lebensmittelindustrie überhaupt nach Belieben mit großen Verpackungen über kleine Inhalte hinwegtäuschen?
Jein. Es gibt zwar Regeln, an die sich auch die Lebensmittelindustrie halten muss. Doch der Spielraum, der den Herstellern bleibt, ist ziemlich groß. "Die Verpackung darf grundsätzlich nicht mehr als 30 Prozent Luft enthalten", erklärt Sonja Pannenbecker von der Verbraucherzentrale Bremen. Allerdings mache der Gesetzgeber an dieser Stelle eine wesentliche Einschränkung: "Wenn es aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht anders möglich ist, dann darf die Verpackung eben doch mehr Luft enthalten", so Pannenbecker. Durch diese schwammige Regelung sei es sehr schwierig, Herstellern Verstöße nachzuweisen.
Zumal die 30-Prozent-Regel nur für den Zeitpunkt der Abfüllung gilt, wie die Verbraucherzentrale Hamburg berichtet. Konkret heißt das: Wenn es bei Produkten in Pulverform wie etwa Kakao oder Brühe durch den Transport zu einer Verdichtung kommt, ist das juristisch nicht zu beanstanden. Die Hamburger Verbraucherschützer haben sich besonders auf das Thema Mogelpackungen spezialisiert. Dazu muss man wissen: Die Verbraucherzentralen in Deutschland arbeiten zusammen. Jede hat unterschiedliche Schwerpunkte.
Weshalb kocht das Thema "Mogelverpackungen bei Lebensmitteln" gerade jetzt hoch, obwohl des sich doch um ein uraltes Phänomen handelt?
Wegen der hohen Lebensmittelpreise. Während der – inzwischen nachlassenden – Inflation der vergangenen Jahre war der Preisanstieg bei den Lebensmitteln im Vergleich zum allgemeinen Preisanstieg stets besonders hoch (siehe Grafik).
Allerdings scheint sich das Blatt gerade zu wenden. So sinken die Lebensmittelpreise laut der UN-Ernährungsorganisation FAO weltweit seit vorigem Dezember. Ein Grund dafür ist der starke Wettbewerb unter Exporteuren, ein anderer sind stark sinkende Maispreise auch aufgrund großer Vorräte in den USA.
Diese Entwicklung schlägt sich auch in der Statistik des Statistischen Bundesamts nieder. Hiernach sind die Nahrungsmittelpreise im Februar 2024 lediglich um 0,9 Prozentpunkte gegenüber den Preisen aus dem Februar 2023 gestiegen – und damit erstmals seit langem geringer als die übrigen Verbraucherpreise (2,5 Prozentpunkte).
Preissteigerungen seit 2019 bei Lebensmitteln und insgesamt gegenüber Vorjahresmonat in Prozent
Betrifft das Thema "Mogelverpackungen" nur die Lebensmittelindustrie oder auch die Hersteller anderer Produkte?
Es betrifft nicht nur Lebensmittel, sondern viele Produkte, sagt Sonja Pannenbecker. So habe die Verbraucherzentrale Bremen zuletzt mit einigen Waschpulver-Erzeugnissen zu tun gehabt. Hier hätten die Hersteller mitunter noch mehr Spielraum zum tricksen als bei Lebensmitteln. So könnten sie beispielsweise anstelle der Flaschengröße oder jener von Kartons die Konzentration von Flüssigkeiten oder von Pulver verändern – ohne dass der Verbraucher sofort merkt, dass er die Dosierung anpassen müsste.
Besondere Vorsicht in diesem Zusammenhang ist Pannenbecker zufolge bei Waschmitteln in Tablettenform geboten. "Da steht dann beispielsweise drauf, dass ein Pod für eine Waschladung reichen soll – wenn die Wäsche nicht stark verschmutzt ist. Also nehmen viele Verbraucher vorsichtshalber zwei", beschreibt Pannenbecker die Psychologie hinter der Dosierungsempfehlung. Im Ergebnis zahlt der Verbraucher drauf, weil er mehr Waschmittel verwendet, als nötig wäre und entsprechend schneller für kostspieligen Nachschub sorgen muss.
Was für Tricks setzen Hersteller noch ein, um mithilfe von Mogelpackungen versteckt Preise zu erhöhen, und wie kann der Kunde den Trick erkennen?
Pannenbecker rät zu erhöhter Aufmerksamkeit, wenn ein altbekanntes Produkt plötzlich in einer neu gestalteten Verpackung in den Handel kommt. "Auch hinter Aufschriften wie "neue Rezeptur" oder "verbesserte Rezeptur" stecken oft verdeckte Preiserhöhungen", sagt sie.
Pannenbecker empfiehlt Verbrauchern, grundsätzlich den Grundpreis des gewünschten Produkts pro Kilogramm im Blick zu behalten. Denn Händler sind in Deutschland dazu verpflichtet, neben dem Gesamtpreis auch den Grundpreis pro Liter oder Kilogramm anzugeben. Ausnahmen gelten lediglich für Waren, der Volumen oder Gewicht weniger als zehn Milliliter oder zehn Gramm betragen.
Welche Möglichkeiten haben Verbraucherinnen und Verbrauchen, um sich zu wehren, wenn sie sich über eine versteckte Preiserhöhung durch Mogelverpackungen ärgern?
Sie können die Verbraucherzentrale Hamburg, die entsprechende Fälle sammelt, über ihre Entdeckungen informieren. Die Verbraucherzentrale publiziert die Fälle von Mogelpackungen mit präzisen Angaben zur Höhe der verstecken Preiserhöhung und Fotos der Produkte auf dieser Website.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. März 2024, 19:30 Uhr