Hintergrund
Kennen Sie diesen Bremer? Er gilt als König des Kaffees und Klinkers
Der Bremer Unternehmer und Böttcherstraßen-Mäzen Ludwig Roselius wurde vor 150 Jahren geboren. Reich machte ihn eine zündende Geschäftsidee – mit traurigem Ursprung.
Der Kaffee wurde Ludwig Roselius in die Wiege gelegt. Schon Vater Dietrich Roselius war im Kolonialwaren- und Kaffeehandel tätig. Große Mengen der importierten Bohnen kamen schon damals über die Bremer Häfen ins Land. Da lag es nahe, dass auch Ludwig nach einer kaufmännischen Lehre als 20-Jähriger im väterlichen Geschäft von Roselius & Co. zu arbeiten begann.
Schon nach wenigen Jahren mussten er und sein Bruder Friedrich den Laden des Vaters jedoch selbst übernehmen. Denn Dietrich Roselius verstarb früh. Als Ursache brachten die Ärzte tragischerweise den übermäßigen Kaffee- und Koffeinkonsum ins Spiel. Für Sohn Ludwig Roselius war das ein wichtiger Grund, eine neue Art des Kaffees zu erfinden. So entwickelte er ein Verfahren zur Entkoffeinierung.
1906 gründet Ludwig Roselius Kaffee HAG
Anfang des 20. Jahrhunderts gründete Roselius die Kaffee-Handels-Aktiengesellschaft, kurz: Kaffee HAG. Die neue Fabrik im Bremer Holzhafen produzierte 13.000 Pfund koffeinfreien Kaffee am Tag – als erstes Unternehmen überhaupt.
Auf den Spuren Ludwig Roselius' in Bremen
Beworben wurde das neue Produkt mit damals ebenfalls neuartigen Werbeslogans wie "Kaffee HAG: Koffeeinfrei und völlig unschädlich". Die Marke reihte sich bald nahtlos ein in die Bremer Branchenprominenz wie Melitta, Jacobs und Eduscho. Roselius verpasste seinem magen- und herzschonenden Produkt auch passende Markenzeichen: einen Rettungsring und später dann ein rotes Herz. Überhaupt zeigte sich Ludwig Roselius bei der Vermarktung geradezu "unhanseatisch".
Zurückhaltung war nicht sein Ding – im Gegenteil: "...stellen Sie sich um, auf Kaffee HAG!", wurde den Kunden in plakativen Werbebotschaften zugerufen.
Produktvermarktung vom Plakat bis zum Porzellan
Auch Cafés und Restaurants wurden in die Vermarktung eingebunden. "Die Gastronomie, die Kaffee HAG kaufen wollte, wurde verdonnert: Als erstes kauft ihr das Porzellan", sagt der Bremer Kaffeehändler Christian Ritschel. Schon damals habe Roselius den Trick genutzt, jedes Jahr ein neues Porzellan zu nutzen, bei dem die neue Tasse niemals auf die alte Untertasse gepasst habe.
Das war schon ausgebufft bis zum geht nicht mehr!
Christian Ritschel, Bremer Kaffehändler, über das Marketing von Ludwig Roselius
Das Geld, das Roselius als Unternehmer verdiente, investierte er unter anderem in die Holzindustrie. Außerdem gründete er zusammen mit anderen Luftfahrt-Pionieren den Flugzeugbauer Focke-Wulf.
Böttcherstraße ist sein Lebenswerk
Sein Herz gehörte – neben dem Kaffee – aber vor allem der Böttcherstraße. Ursprünglich noch eine alte, verfallene Klinker- und Backsteingasse im Herzen der Stadt, kaufte er nach und nach deren Gebäude auf. Aus dem Ensemble schuf er dann nicht nur ein Gesamtkunstwerk, sondern auch ein Lebenswerk.
1932 eröffnete es der Bauherr mit den Worten: "Ich möchte, und das ist der tiefere Sinn des Geschaffenen in der Böttcherstraße, den Bann brechen, der einst durch halbwissende Römer über unser Volk ausgesprochen wurde, und der heute noch auf uns lastet." Als einen Ort der Selbstbesinnung der "deutschen Seele", sah Roselius sein Projekt.
Dazu zählte auch das große, goldene Relief am Eingang, das er – und der Bildhauer Bernhard Hoetger – offenbar als Hommage an Hitler verstanden wissen wollten.
In der Böttcherstraße ließ Roselius den Mythos des untergegangenen Kontinents "Atlantis" architektonisch umsetzen – Atlantis als Ausgangspunkt einer germanischen und arischen Rasse. "Roselius wollte der Idee Atlantis ein Denkmal setzen, nach der die Urgeschichte der Menschheit nicht von Osten ausging. Sondern von der arktisch-atlantischen Rasse, deren Ursprungsland vor vielen tausend Jahren vom Meere überflutet wurde", formulierte es schon in den 1930er Jahren der damalige Böttcherstraßen-Direktor Alfred Ries.
Böttcherstraße galt bei Nazis als Beispiel "entarteter Kunst"
Den Nazis allerdings missfiel der Stil der Bremer Böttcherstraße. Kurios: Hitler ließ sie als Beispiel für "entartete Kunst" unter Denkmalschutz stellen.
Damit ist sie bis heute die wichtigste Hinterlassenschaft des Mäzens Ludwig Roselius – neben den tiefen Spuren, die der am 2. Juni 1874 geborene Kaufmann in der Bremer Kaffeetradition hinterlassen hat.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Stichtag, 2. Juni 2024, 9:40 Uhr