Der letzte Krabbenfischer Bremerhavens: "Da muss man Lust zu haben"

Rentner Hans-Joachim Reim sitzt am Steuer seines Fischkutters und hat einen grimmigen Blick.

Der letzte Krabbenfischer Bremerhavens: "Da muss man Lust zu haben"

Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski

Hans-Joachim Reim ist Rentner, aber zur Ruhe setzt er sich nicht: Der 79-Jährige fährt immer noch los mit seinem selbstgebauten Kutter. Und die frischen Krabben verkauft er im Hafen.

Viele stellen sich ihr Rentnerdasein eher gemütlich vor: in Ruhe die Tageszeitung aufschlagen oder ein Buch lesen, ein bisschen Gartenarbeit vielleicht und reisen natürlich. All das tun, wozu sie in ihrem stressigen Arbeitsalltag früher keine Zeit hatten. Hans-Joachim Reim denkt so nicht. Mit seinen fast 80 Jahren ist er immer noch aktiv – als Krabbenfischer. Und in Bremerhaven ist er der letzte seiner Art. "Das ist praktisch mein Lebenswerk", sagt Reim über denen Kutter.

Andere die bauen sich ein Haus. Ich hab diesen Kutter selbst gebaut von Grund auf und alle meine Ideen reingebracht und von daher sage ich: Das ist mein Lebenswerk und den pfleg' ich und heg' ich und verkauft wird der nicht. So lange wie ich lebe nicht.

Hans-Joachim Reim, Krabbenfischer in Bremerhaven

Was nach seinem Tod passiert, sagt Reim weiter, sei ihm egal. Doch bis dahin bleibe das sein Kutter. Und da sitzt er auch, an seinem Lieblingsplatz und erzählt aus seinen fast 40 Jahren als Krabbenfischer. "Am liebsten sitze ich hier und bin am fischen. Natürlich nicht die Beine hoch, wenn man den ganzen Tag so sitzt mit die Füße hoch, kann man kein Geld verdienen."

Werften in Bremerhaven in der Krise

Der Fischkutter von Hans-Joachim Reim ist am Hafen angelegt.
Seinen Kutter werde er sein Leben lang behalten, sagt Reim. Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski

Die Beine hat der 79-Jährige lässig neben dem Steuerrad auf dem Pult abgelegt. Schnell noch eine Zigarette rauchen, bis es an die Arbeit geht: "So ist alles fertig und ich muss jetzt noch eben die Siebmaschinen abfetten, und dann kann es nach dem Mittag losgehen." Der gelernte Schlosser weiß noch genau, wie er Anfang der 80er Jahre auf die Idee kam, seinen Kutter zu bauen.

Ja auf die Idee bin ich gekommen: Mein Bruder hat immer im ganz kleinen Stil inne Priele die Krabben gefischt und Butt gefangen. Und da bin ich dann mal mitgegangen und dachte: "Da hast du auch Lust drauf."

Hans-Joachim Reim, Krabbenfischer in Bremerhaven

Neben seiner Arbeit auf der Schichau-Seebeck-Werft als Schlosser hat er in seiner Freizeit seinen eigenen Krabbenkutter gebaut: die Steinbock. Und als es dann bei den Werften anfing zu kriseln, fasste er einen Entschluss: "Ich war da noch beschäftigt auf der Seebeck-Werft und da habe ich es dann erst noch als Nebenerwerb gemacht. Weil ich sag' mal: Der Anschiss lauert überall", erzählt Reim. "Und dann ging das alles mit den Werften in die Knie und ich habe ein längeres Gespräch mit meinem Steuerberater wegen der Selbstständigkeit geführt."

Handgriffe in der Fischerei selbst beigebracht

Hans-Joachim Reim war schon immer mutig und hat nach eigener Aussage das Extreme gesucht: Bevor er neben seinem Job als Schlosser auf der Werft – so ganz nebenbei – selbst den kleinen Kutter gebaut hat, fuhr er Motorradrennen und er hatte sogar eine internationale Lizenz für Straßenrennen. Dann wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit und hat das heute nicht bereut, wie er sagt.

Krabbenfischer Hans-Joachim Reim steht auf seinem Fischkutter und blickt in die Kamera.
Als sein Lebenswerk bezeichnet er seinen Kutter. Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski

Die Handgriffe in der Fischerei hat er sich alle selbst beigebracht. Und auch seine Schlosserausbildung hilft ihm noch heute bei seiner täglichen Arbeit: "Jetzt fette ich hier von der Siebmaschine die Kurbelwelle. Das ist 'ne Kurbelwelle, die geht ja immer so hin und her. Und einmal die Woche wird die dann geschmiert."

Seine Arbeitszeiten sind unregelmäßig und sehr lang – nicht gerade familienfreundlich. Oft muss er mitten in der Nacht mit seinem Kutter rausfahren und kommt erst Stunden später wieder. Dann verkauft er seine frischen Krabben direkt gegenüber seines Kutters in dem kleinen Verkaufshäuschen im Fischereihafen. "Das ist ein Pensum, ja. Aber man muss da Lust zu haben, sonst wird das nichts."

Gefühlsausbruch bei Bremerhavens Krabbenfischer

Und auf seine eigene nordisch-kühle Art rutscht dem letzten Krabbenfischer Bremerhavens dann doch noch ein kleiner Gefühlsausbruch heraus – eine Liebeserklärung an seine Frau.

Ja da sach ich, da muss man die Frau für haben, nech? Die da auch mitgeht und die da auch Lust zu hat und die da auch mit anfasst, sonst geht das überhaupt nicht… sonst geht das nicht.

Hans-Joachim Reim, Krabbenfischer in Bremerhaven

Mit seiner Frau fährt Reim sogar jedes Jahr vor Saisonbeginn mit dem Krabbenkutter in den Urlaub. Stolz zeigt er die heiligen Hallen unter Deck. Gemütlich haben sie es sich hier gemacht. Doch während der Saison, im Arbeitsalltag, ist er alleine unterwegs auf der Weser, im Wurster Arm und in den Prielen Richtung Butjadingen. Immer den Krabben hinterher.

Auch wenn er eigentlich schon seit 15 Jahren Rente bekommt, ans Aufhören denkt der 79-jährige Krabbenfischer noch nicht: "Das ist jetzt Ende September das 39. Jahr. Es werden nächstes Jahr dann 40 Jahre und wann ich aufhöre, das kann ich nicht sagen. Aber ich kann eins sagen: Auch wenn ich aufhören sollte mit der Fischerei, der Kutter der wird nicht verkauft. Das ist ausgeschlossen."

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Autorin

  • Porträt Sina Derezynski
    Sina Derezynski Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 3. September 2023, 15:40 Uhr