125 Jahre Fischereihafen: Hier wird Bremerhavener Geschichte greifbar
Seit etlichen Jahrzehnten ist der Fischereihafen in Bremerhaven wirtschaftliche Keimzelle der Stadt. Doch wie hat sich Gebiet im Laufe der Jahre entwickelt?
Er ist immer noch eine kleine Welt für sich: der Bremerhavener Fischereihafen. Im Süden der Stadt schlängelt er sich auf drei Kilometern an der Weser entlang. Tausende Jobs hingen Anfang des 19. Jahrhunderts am Fischfang und der Verarbeitung. Mit der deutschen Hochseefischerei herrschte damals kräftiger Aufschwung in der Stadt. Und die Fischauktionshallen waren voll mit frisch angelandeter Ware – viel zu tun für die Auktionäre, die per Hammer den Zuschlag gaben.
Heute arbeiten in den Betrieben der Fisch- und Lebensmittelbranche zusammen rund 4.000 Menschen. Insgesamt sind es sogar 9.000 Menschen in 400 Betrieben, die im Fischereihafen tätig sind. Neben Werften und Containerhäfen ist der Fischereihafen dabei wirtschaftliche Keimzelle Bremerhavens. Er feiert am 1. November 2021 seinen 125. Geburtstag.
"Schekelwilly und Ochsenfranz" – der Hafen hatte viele Originale
Die Fischauktionshallen aus rotem Backstein liegen an der Kaimauer – ein Teil ist heute an Unternehmen vermietet. Aber vieles ist auch ungenutzt. Der Zahn der Zeit, er nagt an den Gebäuden. Heino Brockhage war beim Gewerbeaufsichtsamt tätig und kennt das alte Leben im Fischereihafen aus dem Effeff.
Er denke natürlich ganz besonders an die Begegnung mit den Menschen und den sogenannten Originalen des Fischereihafens, erzählt Brockhage. Er habe sie noch gesehen, zum Beispiel den Hannes Rotbarsch oder den Schekelwilly oder Ochsenfranz. Die eigentlichen Namen kannte kaum einer.
In dieser Zeit waren Spitznamen im Fischereihafen das Non-Plus-Ultra. Oder wenn die Fischdampfer-Leute ihren kurzen Landaufenthalt hier in Bremerhaven hatten. Drei Wochen auf See, 48 Stunden im Hafen, dann wurde nicht der Taxifahrer Jürgen Meyer bestellt, sondern eben Taxi Jürgen oder Taxi Erwin – und jeder wusste Bescheid.
Heino Brockhage, Bremerhavener Zeitzeuge
Fischauktionen heute nur noch Show für die Besucher
Von den Hoch-Zeiten der Fischerei ist heute nur noch wenig zu spüren. Manchmal weht ein Hauch von Nostalgie durch den Fischereihafen, wenn mal wieder etwas mehr Fisch angelandet wird. Dieser Fisch wird allerdings in der Regel schon an Bord der großen Fischtrawler tiefgefroren, um ihn haltbar zu machen. Die meiste Ware wird inzwischen per Container nach Bremerhaven gebracht, damit sie hier in Betrieben der Tiefkühl-Industrie verarbeitet werden kann – zum Beispiel zu Fischstäbchen und Fertiggerichten. Die klassischen Fischauktionen sind schon vor Jahren eingestellt worden – zuletzt waren sie eher Show für Besucher.
"Die Karwochen-Auktion ist immer was Besonderes, weil der Verbraucher hier vor Ort mal sehen kann, wie sich das Ganze abspielt. Man merkt dabei, dass man in Norddeutschland wohnt und sich mit Fisch auskennt. Trotzdem habe ich mich erst neulich erschrocken, wie groß und schwer so ein Heilbutt sein kann: 41 Kilo. Man lernt immer wieder was dazu", berichtet Heino Brockhage.
Der Fischereihafen als Touri-Magnet
Mittlerweile ist der Fischereihafen mehr zu einem Gewerbegebiet geworden. Es gibt noch einige kleine Fischbetriebe oder Manufakturen. Platzhirsche aber sind große Unternehmen wie Nordsee, Iglo, Frosta und die Deutsche See. Sie haben ihren Sitz dort und beschäftigten jeweils Hunderte Menschen. "Der Fischereihafen ist auch im Bereich Frischfisch weiterhin führend in Deutschland. Alleine die Deutsche See verarbeitet heute fast so viel Frischfisch, Marinaden und Räucherfisch wie früher die vielen kleinen Betriebe gemeinsam", betont Sebastian Gregorius, Chef der Fischereihafen-Betriebsgesellschaft (FBG).
Der Fischereihafen vor 100 Jahren
Einen herausragenden Weg als touristischer Magnet hat das sogenannte "Schaufenster Fischereihafen" genommen. Hier reiht sich ein Restaurant an das nächste, es gibt Hotels, ein Seefischkochstudio, eine Multimedia-Show und ein Theater. Laut Heino Brockhage schafft die Lage am Wasser eine ganz besondere Atmosphäre für die Besucher.
Wie sich das im Laufe der Jahre entwickelt hat, finde ich fantastisch. Die ganzen fisch-maritimen Orte und die Schiffe, die sie dazugeholt haben... Ich kenne das ja noch ganz anders, hier hat man schöne Sachen draus gemacht. Das gefällt mir gut.
Heino Brockhage, Bremerhavener Zeitzeuge
"Die Ausstellungen sind bei Kindergeburtstagen der Renner"
Der Fischereihafen – er musste sich immer wieder neu erfinden. Angetrieben von der Fischereihafen-Betriebsgesellschaft des Landes, die die Flächen verwaltet. Es gibt ein Biotechnologie-Zentrum, Labore und Wissenschaftseinrichtungen wie das Thünen-Institut für Seefischerei. Und der Verein Phänomenta mit einer Erlebnis-Ausstellung Wissenschaft zum Anfassen.
Rückblick: Die Jahre 1920 bis 1960
Das Motto ist dabei "Natur und Technik erleben und begreifen", berichtet ihr Geschäftsführer Ralph Seidel: "Wir haben ja häufig zu den Wochenenden Kindergeburtstage. Zum einen werden sie geführt, werden angeregt mit bestimmten Wahrnehmungsspielen und Denkaufgaben. Und zwischendurch können sie immer in die Ausstellung gehen. Das ist der Renner."
Rosige Zukunft als Mittelpunkt der Stadt
Noch weiter im Süden plant die Stadt ein neues grünes Gewerbegebiet direkt an der Weser, wo sich zum Beispiel die Wasserstoff-Industrie ansiedeln soll. Außerdem entsteht in Richtung Innenstadt ein komplett neuer Stadtteil – das Werftquartier, schwärmt Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD).
Es wird neue Kitas geben, neue Schulen. Und das alles in einem urbanen Rahmen, mit urbanem Leben, CO2-neutral und mit einem neuen Mobilitätskonzept.
Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz
Nach und nach lockt der Fischereihafen mehr Investoren an. Ein Beispiel dafür ist der Oldenburger Unternehmer Kai-Uwe Schulz. Er hat aus dem alten Eiswerk ein neues Freizeit-Zentrum gemacht, so gibt es beispielsweise einen Trampolin-Park. "Ich glaube fast, dass das ein Mittelpunkt der Stadt werden kann, auch wenn das hier ein bisschen außerhalb liegt. Der Fischereihafen ist im Grunde eine Event-Veranstaltungsmeile und eine Sehenswürdigkeit", berichtet Schulz.
125 Jahre Bremerhavener Fischereihafen. Eine Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen. Und ein Gebiet, das in seiner Vielfalt noch viele neue Perspektiven haben dürfte.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 1. November 2021, 7:35 Uhr