Interview
"Haben, lieben, sein" – Bremer Forscherin verrät, was glücklich macht

Was meinen wir, wenn wir von Glück sprechen? Zum Weltglückstag gibt eine Bremer Glücksforscherin Einblicke in die Wissenschaft des Glücks.
Wir Menschen streben nach Glück. Manche suchen es in beruflichem Erfolg, andere in der Liebe, und wiederum andere entdecken es in den kleinen Freuden des Lebens – sei es ein leckeres Essen oder ein entspannter Nachmittag. Anlässlich des Weltglückstags haben wir mit der Bremer Soziologieprofessorin und Glücksforscherin Hilke Brockmann über das Gefühl gesprochen, das wir alle kennen, nachdem wir alle suchen und unter dem wir doch alle etwas anderes verstehen.
Frau Brockmann, was ist überhaupt Glücksforschung?
Wir fragen uns, was das Glück ist, was macht es aus. Also wann sagen Leute, dass sie glücklich sind und welche Umstände führen dazu. Die griechische Philosophie hat sich bereits in der Antike ausgiebig dem Thema durch Introspektion (Selbstbeobachtung, Anmerk. der Redaktion) gewidmet. In den Sozialwissenschaften arbeiten wir empirisch mit Umfragen und schauen, wann Menschen sich selbst als zufrieden oder glücklich beschreiben. Es geht immer darum, was die Leute sagen, wann sie glücklich sind.
Was bezeichnet die Forschung als Glück?
Glück ist unser Kompass, nachdem wir unser Leben ausrichten. Es ist ein spontanes Hochgefühl und wir streben danach, es immer wieder zu erleben. Als Menschen sind wir immer wieder neuen Situationen und Informationen ausgesetzt, die wir einordnen müssen. Das Glücksgefühl hilft uns dabei, Reize richtig zu bewerten. Es ist ein Indikator, um zu bestimmen, was gut für uns ist und was schlecht. Das Gefühl ist uns sehr bewusst, deswegen lässt es sich auch sehr gut abfragen.
Inwiefern unterscheidet sich davon die Zufriedenheit?
Wenn wir über Zufriedenheit reden, ist das eine stark rationalisierte positive Bewertung umfangreicher, auch abstrakter, Zusammenhänge wie der aktuellen Lebens- oder Berufssituation. Darauf angesprochen, prozessieren die Leute eine Menge an Erwartungen an das Leben und gleichen dann ihre erinnerte Situation damit ab. Zufriedenheit bezieht sich also oftmals auf eine längere Zeitspanne, wenn nicht sogar auf das gesamte bisherige Leben. Würde man Menschen dagegen nach ihrem Glück befragen, würde man konkreter und zeitlich eingegrenzter fragen: Waren sie in der letzten Woche glücklich? Nach der Zufriedenheit fragt man oft, wenn allgemeine Lebensumstände wie das Einkommen oder die Familiensituation beurteilt werden sollen. Zufriedenheit und Glück korrelieren aber auch miteinander.
Jemand, der viele Glücksmomente erlebt, wird in der Regel auch zufriedener sein. In der Glücksforschung kümmern wir uns sowohl um Glück als auch um Zufriedenheit.
Hilke Brockmann, Bremer Soziologieprofessorin und Glücksforscherin
Gibt es etwas, was Menschen generell glücklich und zufrieden macht?
Was uns genau glücklich macht, ist sehr unterschiedlich, aber ganz grob gibt es drei Achsen, die befriedigt sein müssen, um glücklich zu sein, und zwar gleichzeitig. Wir sagen immer "haben, lieben, sein", also materielle und soziale Befriedigung und eine Sinnhaftigkeit, die darüber hinausgeht. Man braucht beispielsweise eine gewisse Form materieller Absicherung, also genug zu essen und einen Ort, wo man sicher ist. Im Durchschnitt ist es zwar so, dass Reiche glücklicher sind als Arme, aber Reichtum kann auch zu einem Status werden, indem man sich fortwährend mit anderen vergleicht. Es gibt dann immer den Anreiz, besser zu sein als der andere. Man wird unersättlich, das macht aber nicht glücklicher.

Auf der sozialen Ebene ist der Freundeskreis ohne hierarchische Verhältnisse und ein verlässlicher Partner sehr wichtig für das Glück. Schließlich ist es noch wichtig, dass man sein Leben als sinnvoll erlebt. Wie sich das dann konkret realisieren lässt, kann aber sehr unterschiedlich sein. Lange Zeit war die Sinnhaftigkeit mit Religiosität verbunden. Das ist in vielen säkularen Gesellschaften nicht mehr so, dafür gibt es aber Kompensationen wie beispielsweise das Ehrenamt oder die Kunst oder Musik, durch die man sich mit etwas Größerem verbunden fühlt.
Kann man lernen, generell glücklicher zu sein?
Ja, das kann man schon lernen. Zum einen, in dem man Referenzpunkte wählt, wo man gut abschneidet. Wir sollten uns also öfter mit denen vergleichen, denen es nicht so gut wie uns geht und nicht immerzu nach oben. Eine andere Sache wäre, aktiv Höhepunkte zu schaffen. Man kann Feste oder Urlaub rechtzeitig planen, dann hat man mehr Vorfreude. Ich persönlich plane immer am Ende des Urlaubs noch mal ein richtiges Highlight. Darauf kann ich mich dann freuen und es steht ein schönes Erlebnis am Ende des Urlaubs statt der Trauer, dass es schon wieder vorbei ist.
In welchem Alter sind Menschen am glücklichsten? Woran liegt das?
Junge Leute und junge Alte, also die, die gerade in den Ruhestand gehen, sind im Durchschnitt glücklicher. Junge Menschen Anfang Zwanzig sind in der Regel geschützter, sie sind den Härten und Anforderungen des Alltags noch nicht im gleichen Maße ausgeliefert wie Menschen im mittleren Erwachsenenalter. Man ist in dieser Zeit auf dem aufsteigenden Ast, man gewinnt mehr Freiräume, man kann viel ausprobieren und machen. Später kommen dann die Verpflichtungen, es gibt mehr commitment (Englisch für "Verpflichtung" oder "Bindung", Anmerk. der Redaktion) und man kommt nicht mehr so leicht aus schwierigen Sachen raus. Die jungen Alten sind – auch hier im Durchschnitt – durch den Ausstieg aus der Erwerbsarbeit wieder entlastet und weniger eingeengt, daher sind auch sie glücklicher.
Die Zufriedenheit der jüngeren Menschen ist im Durchschnitt immer höher, als die der Mittelalten.
Hilke Brockmann, Bremer Soziologieprofessorin und Glücksforscherin
Dennoch hat die Pandemie insbesondere jüngeren Menschen geschadet und ihr Glück gedämpft, mehr als bei den Alten. Die U-förmige Altersverteilung des Glücks – also dass Junge und junge Alte im Durchschnitt glücklicher sind – hat generell Bestand. Aber es gibt Varianz und Änderungen.
Kümmert sich die Politik genug um das Thema Glück?
Nein, das Thema müsste wirklich stärker berücksichtigt werden. Wir haben jede Menge wirtschaftlicher Indikatoren, aber keine regelmäßige Erhebung zur Zufriedenheit der Bevölkerung. Dabei sind gerade unzufriedene Leute diejenigen, die den Wechsel wählen. Bessere Daten wären also auch für die Politik interessant. Häufigere Informationen wie mehr Bürgerentscheide würden da schon mal helfen und auch eine Expertenkommission, ähnlich wie die Wirtschaftsweisen, aber zum Thema Glück und Zufriedenheit, wäre sinnvoll.
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Dieses Thema im Programm: 3nach9, 21. März 2025, 22:00 Uhr