Clans: So sollen kriminelle Karrieren früh beendet werden
Wie hält man Jugendliche aus Clans davon ab, straffällig zu werden? Noch stehen Bremen, Niedersachsen und Berlin mit Präventions- und Aussteigerprogrammen ganz am Anfang.
Experten sind sich einig: Es ist oftmals kein guter Start, in kriminelle Strukturen eines Clans hineingeboren zu werden und im Umfeld krimineller Machenschaften aufzuwachsen. Und es wäre besser, wenn solche kriminellen Karrieren gar nicht erst entstehen würden und der Staat früher mit jungen Clanmitgliedern in Kontakt kommt, um ihnen Alternativen aufzuzeigen.
Explizite Aussteigerprogramme gibt es noch nicht. In Niedersachsen arbeitet das Landeskriminalamt an einem entsprechenden Konzept. Und will sich dabei an den Programmen aus der rechtsextremen Szene orientieren. In Bremen aber gibt es gar keine speziellen Programme für kriminelle Jugendliche, die aus Clanfamilien stammen.
Auch in Berlin steckt ein Ausstiegs-Programm noch in den Kinderschuhen. Falko Liecke ist Jugendstadtrat und stellvertretender Bezirksbürgermeister in Berlin-Neukölln. Dort soll es bald ein Modellprojekt geben. Vorbild dafür ist ein Anti-Mafia-Programm aus Italien. In Italien wurden 50 junge Menschen aus ihren Familien genommen, um ihnen zu helfen. Bis heute soll keiner von ihnen rückfällig geworden sein.
Konzepte sind erst noch im Entstehen
Falko Liecke steckt noch mitten in der Konzeption. Gegenüber Bremen Zwei beschreibt er die Problematik: "Es gibt kein Aussteigerprogramm, das alles umfasst. Es wird verschiedene Mosaikbausteine geben." Einer dieser Mosaikbaustein ist ein Konzept, das aus den USA kommt. Ein Mentoringprogamm, bei dem Jugendliche sehr intensiv durch einen Begleiter betreut werden – ob nachgeholter Schulabschluss, Jobsuche oder Behördengänge.
Noch sucht Liecke eine Finanzierung: "Ich bin in vielen Gesprächen, bin aber optimistisch, dass wir das hinbekommen." Und er gibt auch zu: Es ist nicht einfach, denn die Konkurrenz zu einem Job mit normalem Verdienst lautet bei diesen Jugendlichen 'Rolex und S-Klasse'. Doch trotzdem müsse es laut Liecke möglich sein, den Jugendlichen einen Weg aufzeigen, der besser ist als kriminell erworbene Luxusgüter.
In Bremen sprechen die Ressorts über Einzelfälle
In Bremen ist man ähnlicher Meinung. "Wir müssen die negativen Vorbilder herausnehmen", sagt Daniel Heinke, Leiter des Landeskriminalamtes in Bremen.
Wir müssen zeigen: Verbrechen lohnt sich nicht! Und wir müssen an anderer Stelle Unterstützungsangebote machen.
Daniel Heinke, Leiter des Landeskriminalamtes Bremen
Heinke setzt auf schulische und berufliche Bildung, um "ein vernünftiges, rechtstaatskonformes Leben zu führen". Und auf eine „behördenübergreifende Strategie“. Einfach ausgedrückt: Die Ressorts Justiz, Bildung, Inneres und Soziales setzen sich zusammen und beraten über Jugendliche, die kriminell geworden sind. Sie erarbeiten dann gemeinsam ein Hilfsangebot für den Jugendlichen. Ob der aus einer Clanfamilie stammt oder nicht ist dabei egal. In solchen Kategorien denkt man hier nicht – auch, um die Jugendlichen nicht zu stigmatisieren: „Auch Personen aus dem Bereich der Mhallami sind bereits seit langem Gegenstand sozialarbeiterischer Tätigkeit. Das ist auch ganz wichtig, dass wir nicht den Eindruck erwecken, dass wir diese Gruppierungen negativ ausgrenzen würden, sondern Hilfsangebote gelten für alle Hilfsbedürftigen. "
Wolfgang Welp-Eggert kennt viele Jugendliche aus arabischen Großfamilien. Und hat schon einigen geholfen, aus ihren kriminellen Familien auszusteigen. Er arbeitet als stellvertretender Leiter im Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentrum Ost (ReBUZ Ost), einer landeseigenen Institution, die auffällig gewordenen Jugendlichen helfen will. Zum einen durch Fördermaßnahmen in der Schule, zum anderen durch Therapieangebote, aber auch mit sehr individuellen Hilfsangeboten aus Sport und intensiver Betreuung.
Endstation: raus aus der Schule
Wenn das alles nicht hilft, wird der Jugendliche aus der Schule genommen und kommt in eine so genannte "schulersetzende Maßnahme". "Es ist tatsächlich sehr erfolgreich und viele junge Menschen, die in der Schule komplett gescheitert sind und auch mit Schule nicht mehr viel im Sinn hatten, haben sich in dem außerschulischen Lernort ausgesprochen gut entwickelt." Teilweise sei es so, so Welp-Eggert, dass die Klassenleitung aus den Stammschulen ihre Schüler gar nicht mehr wiedererkennen würden. "Das hängt sicherlich damit zusammen, dass es möglich ist, in solchen Kleingruppen intensivpädagogisch mit solchen jungen Menschen zu arbeiten. Auch auf der Beziehungsebene." Was sie bräuchten sei viel Zeit und viel Anerkennung. "Das heißt jetzt nicht, dass die durchgängig Abstand genommen haben von allem, aber zumindest im schulischen Kontext gibt es doch sehr positive Entwicklungen festzustellen."
Doch wie immer bei solchen Projekten fehlt auch hier das Geld. 16 Plätze gibt es in Bremen. Zu wenig, sagt Wolfgang Welp-Eggert – und eilt davon. Er hat ein Treffen mit zwei Mitarbeitern aus dem Innenressort. Sie wollen über einen Jugendlichen reden, der mehrere Straftaten begangen hat und besprechen, welche Maßnahmen ihm helfen könnten.
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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 15. Januar 2020, 16:40 Uhr