So zäh zieht sich der Prozess um getötete Ekaterina B. aus Bremerhaven

"Die Nerven lagen blank": Prozeß um Ekaterina B. verzögert sich

Bild: Radio Bremen

An diesem Prozesstag verlor eine Nebenklage-Anwältin die Geduld. Sie wirft dem Angeklagten vor, das Verfahren in die Länge zu ziehen – denn die Plädoyers wurden noch nicht gehört.

Der Vorsitzende Richter will gerade eine Beratungspause verkünden, da sagt der Angeklagte: "Ich habe noch einen Antrag übersehen". Er setzt seine Brille auf, schaltet das Mikrofon ein und rattert seine handschriftlichen Notizen herunter. Mal wieder.

Weit über 80 Anträge und Punkte hat der Angeklagte diese Woche im Prozess um die getötete Ekaterina B. aus Bremerhaven im Landgericht Bremen gestellt. Mal geht es um Zeugen, die erneut gehört, mal um Chatprotokolle, die verlesen oder um DNA-Spuren, die ausgewertet werden sollen. Der Angeklagte fordert zum Schluss auch, dass ein neuer Rechtsmediziner bestellt und der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben wird. Über den Antrag zur Aufhebung der U-Haft will das Gericht demnächst entscheiden.

Wann das Urteil kommt, ist unklar

Eine Nebenklage-Anwältin scheint am Nachmittag die Geduld zu verlieren. Sie meldet sich gegen halb vier zu Wort. Der Angeklagte trage "monoton und fast auch vorwurfsvoll" tagelang seine Sicht vor, ziehe das Verfahren in die Länge.

Dabei war das seit August laufende Verfahren schon auf der Zielgeraden. Am Dienstag sollten erste Plädoyers erfolgen. Doch daraus wurde auch am Prozesstag am Freitag nichts. Wann ein Urteil fällt, ist unklar. Es könnte im April der Fall sein oder erst im Mai, so ein Gerichtssprecher.

Anträge werden fast alle abgelehnt

Am Ende wird das Gericht fast alle seine Anträge ablehnen. Einigen Punkten wird aber auch nachgekommen. So wird am Freitag aus Chats und Zeugenaussagen vorgelesen, darin kommen die massiven Eheprobleme zur Sprache, etwa, dass die Eheleute einen Vertrag hatten, in dem sie festlegten, dass sie sich nicht gegenseitig beleidigen. Ebenso ist zu erfahren, dass auch das Verhältnis zwischen Ekaterina und ihrer Schwiegermutter stark zerrüttet war.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 47 Jahre alten Ehemann von Ekaterina B. vor, seine Frau im Februar 2022 ermordet und ihre Leiche zerteilt zu haben. Anschließend soll er die Körperteile in einem Fluss geworfen haben. Doch der Angeklagte bestreitet das. Er gibt lediglich zu, seiner Mutter beim Beseitigen der Leiche in einem Fluss geholfen zu haben.

47-Jährigem droht lebenslange Freiheitsstrafe

Die Mutter des Angeklagten hatte im Oktober die Tat vor Gericht auf sich genommen. Detailreich erläuterte sie damals, wie sie ihre Schwiegertochter erwürgt habe, die Leiche in die Garage brachte und dort zerteilte. Doch an dem Geständnis bestehen Zweifel. Etwa passte der Zeitpunkt der Zerteilung laut dem Gerichtsmediziner nicht. Dies hätte wegen der Totenstarre früher passieren müssen als von der Mutter angegeben. Mit den Anträgen trug der Angeklagte Gründe vor, die aus seiner Sicht mögliche Widersprüche erklären.

  • Von Russland nach Bremerhaven: Ekaterinas Mutter will Antworten

    Im Prozess um Ekaterina B. ist die Mutter der Getöteten aus St. Petersburg eingereist. Sie hofft darauf, dass der Täter im Prozess gefunden wird.

Angeklagte haben vor Gericht das Recht, sich zu verteidigen und Anträge zu stellen. Zumal es für den Angeklagten um viel geht: Dem 47-Jährigen droht, sollte er tatsächlich wegen Mordes verurteilt werden, eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Frist für Beweisanträge endet am 19. April

Doch darf der Angeklagte unbegrenzt Anträge stellen? Ja. "Es ist dem Angeklagten zuzugestehen, Anträge zu stellen", sagt Gerichtssprecher Benjamin Steinhilber. Die Möglichkeit, diese zahlenmäßig zu begrenzen, seien äußerst reduziert. Und in Bezug auf das Verlesen von Protokollen oder Chats aus der Akte sagt Steinhilber: Wegen des Mündlichkeitsprinzips würden im Urteil nur Sachverhalte berücksichtigt, die im Gerichtsprozess mündlich zur Sprache gekommen sind.

Am Ende der Prozesswoche verkündete der Vorsitzende Richter dann noch dies: Für neue Beweisanträge gelte eine Frist bis zum 19. April. An diesem Tag geht der Prozess weiter.

Rückblick: Prozesstag – "Es war ein Vorlesemarathon"

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Hier finden Sie die wichtigsten Entwicklungen zum Fall in einer Chronologie:

31. März 2023: Erneut bringt der Angeklagte weitere Punkte vor, fast alle werden abgelehnt. Plädoyers werden wieder nicht gehört.

28. März 2023: Der Angeklagte bringt dem Gericht 80 Punkte zur Berücksichtigung vor. Anders als erwartet kommt es noch zu keinen Plädoyers.

20. Februar 2023: Der Ehemann stellt sich den Fragen des Gerichts. Erstmals ist auch Ekaterinas Mutter im Saal.

15. und 16. Februar 2023: Der Ehemann sagt umfassend aus. Er schiebt die Tat auf seine Mutter.

8. Februar 2023: Ekaterinas Ehemann kündigt überraschend an, in der kommenden Woche vor Gericht aussagen zu wollen. Bisher hatte er zu den Vorwürfen geschwiegen.

3. Januar 2023: Erneut äußert ein Rechtsmediziner deutliche Zweifel an der Aussage der Schwiegermutter. Der angeklagte Ehemann bleibt weiterhin in Untersuchungshaft.

28. Dezember 2022: Die Schwiegermutter wiederholt ihr Geständnis vor Gericht.

15. November 2022: Der Ehemann bleibt weiter in Untersuchungshaft. Die Verteidigung hatte nach dem Geständnis der Schwiegermutter der Getöteten einen Antrag auf Entlassung gestellt. Das Schwurgericht weist diesen zurück.

8. November 2022: Ein Rechtsmediziner äußert vor Gericht Zweifel am Geständnis der Schwiegermutter. Unter anderem würden Todeszeitpunkt und angeblicher Zeitpunkt der Zerteilung der Leiche nicht zu den Ergebnissen der Obduktion passen.

2. November 2022: Ekaterinas Schwiegermutter soll erneut vor Gericht aussagen. Sie verweigert aber die Aussage.

19. Oktober 2022: Laut Landgericht hat ein Zeuge der Polizei einen Beutel übergeben, der einen USB-Stick, ein Smartphone und Klamotten enthielt. Die Sachen gehörten offenbar Ekaterina B. Der Zeuge sagte aus, Ekaterinas Schwiegermutter habe ihm die Sachen geschenkt.

18. Oktober 2022: Die Polizei gibt bekannt, dass sie an der Geeste in Bremerhaven ein weiteres Leichenteil entdeckt hat. Die Schwiegermutter hatte im Prozess den Hinweis darauf gegeben.

12. Oktober 2022: Überraschende Wende: Ekaterinas Schwiegermutter gesteht die Tötung vor Gericht. Ins Gefängnis muss sie daraufhin aber nicht.

26. August 2022: Der Prozess gegen den Ehemann startet. Der 46-Jährige schweigt. Laut Anklage soll er seiner Frau Anfang Februar in Bremerhaven ein Beruhigungsmittel gegeben haben. Dann soll er sie getötet, die Leiche zerteilt und in Plastikfolien und Müllsäcke gepackt haben. Diese steckte er laut Anklage in einen Koffer, den er schließlich in die Weser warf.

3. August 2022: Das Gericht hat die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen den Ehemann von Ekaterina B. wegen Mordes zugelassen. Der Prozess soll Ende August vor dem Landgericht Bremen beginnen.

16. März 2022: Der Fall ist erneut Thema in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY". Die Polizei informiert über den aktuellen Ermittlungsstand.

3. März 2022: Der Ehemann schweigt. Polizei und THW suchen nach weiteren Beweisstücken.

2. März 2022: Nun herrscht traurige Gewissheit: Die Polizei gibt bekannt, dass die seit vier Wochen vermisste Ekaterina B. tot ist. Einen Tag zuvor war in Höhe des Sail-City-Hotels in Bremerhaven ein Koffer mit Leichenteilen angespült worden. Die Polizei nimmt den Ehemann der Toten fest.

23. Februar 2022: Die Polizei startet einen Suchaufruf in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY".

16. Februar 2022: Bisher blieb die Suche nach Ekaterina B. erfolglos. Nun hat die Polizei ein Foto veröffentlicht, das am Tag ihres Verschwindens aufgenommen wurde.

14. Februar 2022: Seit zehn Tagen wird die 32-jährige Ekaterina B. aus Bremerhaven-Wulsdorf vermisst. Die Polizei sucht nun öffentlich nach ihr.

Autorin

  • Carolin Henkenberens
    Carolin Henkenberens Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 31. März 2023, 19:30 Uhr