Die letzte Schicht auf der Vulkan-Werft
Als am 15. August 1997 das letzte Kapitel der Bremer Vulkan-Werft geschlossen wurde, verloren nicht nur zahlreiche Menschen ihren Arbeitsplatz, es endete ein Stück Bremer Stadtgeschichte. Auf jeden Fall war es ein Schock, der auch 20 Jahre später vielen noch im Gedächtnis ist.
Es war fünf Minuten nach zwölf, als am 15. August 1997 die allerletzte Schicht in der Vulkan-Werft für beendet erklärt wurde. Eine Ablöse stand für die rund 300 verbliebenen Mitarbeiter nicht mehr bereit. Die Schutzhelme landeten demonstrativ im Mülleimer. Die letzten Vulkanesen beerdigten mit der Schließung der Werft nicht nur ein Stück Geschichte und ihren Arbeitsplatz. Sie beerdigten auch ein Gefühl.
Wir sind dann mit drei Kollegen auf den Bockkran gefahren und haben dann um 12 Uhr den schwarzen Trauerflor runterhängen lassen. Die Beerdigung der Werft.
Hasso Kulla, ehemaliger Betriebsratvorsitzender der Werft.
Die Vulkan-Werft war kein durchschnittlicher Arbeitsplatz. Jeder habe jeden gekannt und man sei wie in einer riesengroßen Familie miteinander umgegangen, erinnert sich Hasso Kulla. Umso größer müssen Trauer, Verzweiflung und Fassungslosigkeit gewesen sein, als der Vorstandsvorsitzende Udo Wager am 1. Mai 1996 den endgültigen Konkurs vermeldete. Am Tag der Schließung habe es dann kein großes Aufbäumen mehr gegeben, das habe, laut dem Bremer Wirtschaftwissenschaftler Rudolf Hickel, bereits Monate zuvor stattgefunden – ohne Erfolg.
Das Schiff war schon untergegangen. Der Tag der Torschließung war der traurige Schlusspunkt und, auch wenn es zynisch klingt, schon fast business as usual. Das große Drama hatte es schon ein Jahr zuvor gegeben. Das war ein unglaublicher Schock.
Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler.
190 Jahre, mehr als 1.000 Schiffe
Als kleiner Betrieb wurde die Vulkan-Werft 1805 in Grohn gegründet und war seitdem stetig gewachsen. Das erste deutsche Flussdampfschiff, diverse Kriegsschiffe, Wal- und Fischfangschiffe, Tanker, Massengutfrachter, Fregatten und Luxusliner liefen beim Vulkan vom Stapel. Zu Spitzenzeiten zählten mehr als 20.000 Beschäftigte zur Vulkan-Familie. Zeitweise war der Vulkan-Verbund die größte Werft in Deutschland.
Friedrich Hennemann übernimmt
Der SPD-Wirtschaftsstaatsrat Friedrich Hennemann prophezeite bei seinem Amtsantritt 1987 noch eine rosige Zukunft, man stehe vor einem ozeanischen Jahrhundert. Hennemann kaufte zahlreiche Werften in Bremerhaven und Wilhelmshaven sowie diverse andere Firmen. Nach dem Mauerfall übernahm Vulkan weitere Werften in Wismar und Stralsund, dazu noch das Dieselmotorenwerk Rostock.
Wenn eine Stadt wie Bremen, die von der Schifffahrt lebt, die Hafenstadt ist und ihre Existenzberechtigung aus der Schifffahrt holt, wenn die ihre beiden Großwerften verliert, dann ist das natürlich eine Riesenkatastrophe.
Henning Scherf, ehemaliger Bürgermeister.
Die zugekauften Unternehmen waren Betriebe, die selber pleitegegangen waren und die Hennemann wieder groß machen wollte, erinnert sich der ehemalige Bremer Bürgermeister Henning Scherf. Hennemanns Plan ging nicht auf. Nur noch vier weitere Jahre sollte der Vulkan existieren. Es war eine Katastrophe, gerade auch, weil gut zehn Jahre zuvor die AG Weser, Bremens zweite große Werft, bereits pleitegegangen war.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 15. August 2017, 6:46 Uhr