Spuren des Bremer Millionendiebstahls führen in die Türkei
Wer steckt hinter dem Millionen-Coup von Yasemin G., die 8,2 Millionen Euro aus einer Bremer Geldtransport-Firma entwendete? Offenbar gibt es enge Verbindungen in die türkische Unterwelt.
Immer wieder fiel im Prozess gegen Yasemin G. der Name eines Mannes, der gar nicht im Saal war – dem in diesem Fall aber trotzdem eine zentrale Rolle zukommt: Yigit T. Die Millionendiebin benannte ihn als Drahtzieher des Coups.
Der damalige Verlobte ihrer besten Freundin Büsra habe sie überredet, das Geld zu stehlen. Er habe auch den Abtransport der 8,2 Millionen Euro und ihre Flucht in die Türkei organisiert.
Wer ist Yigit T.?
Yigit T. sei Chef eines Callcenters, über das vornehmlich ältere Menschen in Deutschland um ihr Geld gebracht werden, so hat es Yasemin G. in ihrer Vernehmung gesagt. Mithilfe des sogenannten Enkeltricks und falscher Polizisten erbeuteten die Kriminellen Millionen.
Dass Yigit T. ein wichtiger Mann unter den Callcenter-Betrügern ist, deckt sich mit den Recherchen des türkischen Journalisten Ümit Erkan Demircan, der für die Zeitung "Sabah" über den Fall berichtet.
Der Bremer mit dem Spitznamen "Blondy" gehöre schon lange zu einer derartigen Gruppe. Er lebe seit Jahren in Izmir. Zunächst habe die Familie ein Café betrieben, erzählt Demircan. Doch das sei nicht sehr erfolgreich gewesen.
"In dieser Zeit war die wirtschaftliche Situation der Familie nicht besonders gut", berichtet Demircan. "Dann sind sie zusammen mit einem bekannten Clan in das Callcenter-Geschäft eingestiegen."
Bremer soll Callcenter-Business mitbegründet haben
Der Clan, den der Journalist meint, ist die Familie S., die in Bremen stark verwurzelt ist. Ein Mitglied dieser Familie, Amar S., soll das kriminelle Callcenter-Business in der Türkei sogar mitbegründet haben. 2012 flieht er nach einem Prozesstag aus einer Vorführzelle im Bremer Landgericht und setzt sich in die Türkei ab.
Danach ist er offenbar zum Chef einer großen Bande von Betrügern aufgestiegen. Erst 2021 gelingt den türkischen Behörden in Zusammenarbeit mit deutschen Ermittlern ein Schlag gegen die Bande. Amar S. wird festgenommen und in der Türkei zu einer hohen Haftstrafe verurteilt.
Berge von Geldstapeln
Gegen ihn besteht bis heute ein Haftbefehl der deutschen Behörden. Doch die Chancen, dass die türkischen Behörden den Mann ausliefern, sind in solchen Fällen nicht allzu groß.
Wie einträglich das Geschäft ist, lassen Fotos erahnen, die im Internet kursieren. Sie stammen von der Facebook-Seite von Halit D., Spitzname "Papa Kralle", einem weiteren Mann, den die türkischen Strafverfolger als einen der Haupttäter der Callcenter-Bande ermittelt haben. Er soll bei dem aus Bremen geflohenen Amar S. in die Lehre gegangen sein, so berichten es verschiedene Medien.
Die Bilder zeigen Berge von Geldstapeln, Tische voller Schmuck und sogar goldene Möbel, an denen Halit D. sitzt. Geld und Wertgegenstände, die die Kriminellen ihren Opfern in Deutschland abgenommen haben.
Gruppe soll sehr strukturiert arbeiten
Bei ihrer Razzia haben türkische Ermittler nach ARD-Recherchen Vermögen in Höhe von 60 Millionen Euro sichergestellt. Die Millionen werden oft über Kuriere aus Deutschland in die Türkei gebracht. Als einer dieser Kuriere arbeitete laut türkischen Ermittlungsakten, die buten un binnen einsehen konnte, zeitweise auch Yigit T.
"Diese Gruppe arbeitet sehr strukturiert und professionell", sagt der Journalist Demircan. "Sie wissen, wie sie das Geld von Deutschland in die Türkei bringen können." Das geschehe etwa in Form von geschmuggelten Luxus-Uhren.
Nach Erkenntnissen von Ermittlern wird die Beute auch als Bargeld über die Grenze gebracht oder mithilfe eines Systems illegaler Banken transferiert, die oft hinter der Fassade von Gold-Händlern operieren.
Viele Spuren führen nach Bremen
Auf einem dieser Wege dürfte auch die Beute aus dem Millionen-Coup in Bremen in die Türkei gelangt sein. Doch nicht nur die Drahtzieher des Callcenter-Betrugs haben enge Verbindungen nach Bremen. Viele der Dutzenden von Verdächtigen, die in den türkischen Ermittlungsakten auftauchen, sind in Bremen und Umgebung geboren oder haben hier ihren Wohnsitz. Yasemin G. hat sich tief in diese kriminelle Welt begeben. Und dabei hat sie sich nicht nur mit Yigit T. eingelassen. Beim Versuch, ihren Anteil der Beute zu bekommen, hat sie in der Türkei weitere Personen aus der Organisierten Kriminalität kontaktiert. Sie lebte nach eigener Aussage sogar eine Weile bei "höheren Leuten aus dem kriminellen Milieu".
Yigit T. streitet Verwicklung ab
Die Spur des Geldes hat Yasemin auch auf diese Weise offenbar nicht aufnehmen können. Sie behauptet, nur etwa 20.000 Euro erhalten zu haben. Der Großteil der Beute ist vermutlich bei Yigit T. geblieben. Da waren sich im Bremer Prozess Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig.
Der türkische Journalist Ümit Erkan Demircan hat vor wenigen Wochen mit Yigit T. sprechen können. Er streitet die Verwicklung in den Millionen-Diebstahl ab. "Er hat mir gesagt, dass Yasemin lügt", erzählt Demircan. "Er hätte weder ihr Geld noch habe er sich mit ihr getroffen." Yasemin würde ihn nur zur Zielscheibe machen, "um von anderen Hintermännern abzulenken".
Bremer Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt
Die Bremer Staatsanwaltschaft dürfte sich dennoch für Yigit T. interessieren. Auf Nachfrage will ein Sprecher allerdings weder bestätigen noch dementieren, ob Ermittlungen eingeleitet wurden. Auch zur Frage, ob den deutschen Behörden der Aufenthaltsort von Yigit T. denn bekannt sei, gebe man aktuell keinen Kommentar ab.
Der Prozess gegen Yasemin G. vor dem Landgericht Bremen ist erst einmal abgeschlossen. Bei der Aufklärung des Falls und der mutmaßlichen Hintermänner ist die Bremer Justiz aber offenbar noch nicht am Ende angelangt.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. Dezember 2024, 19:30 Uhr