Wie mangelnde Sicherheit den Bremer Millionen-Diebstahl möglich machte
Am dritten Verhandlungstag gegen die mutmaßliche Millionen-Diebin Yasemin G. ging es vor allem um die Sicherheitslücken in der Bremer Niederlassung der Geldtransportfirma Loomis.
Als Zeuge geladen war der ehemalige Vorgesetzte von Yasemin G. Zweieinhalb Stunden sagte der damalige Abteilungsleiter aus — und immer wieder konnten die Zuhörer im Saal nur staunen, wie einfach der Frau der Millionen-Coup gemacht wurde.
Am Freitag vor Pfingsten 2021 begann sie gegen 14 Uhr mit der Arbeit. In der Spätschicht sollte sie insgesamt 14 Millionen Euro für Geldtransporte verpacken. Ausgeliefert werden sollten die Scheine aber erst am Dienstag nach Pfingsten. Auch deshalb wurde der Diebstahl so spät bemerkt.
Unter dem Vorwand, ihr Computer sei kaputt, wechselte Yasemin G. kurz nach Schichtbeginn an einen Arbeitsplatz, der für ihre Kollegen weniger gut einsehbar war. Dort ließ sie über Stunden ungestört insgesamt 8,2 Millionen Euro in einen Container verschwinden. Gegen 21 Uhr schmuggelte sie den getarnt als Papiermüll aus dem Gebäude.
Kein Kontrollraum für die Kameras
Zwar gab es Überwachungskameras, die das Geschehen aufzeichneten, am Tatabend selbst aber gab es offenbar niemanden, der diese Kameras beobachtete. So existierte nach Angaben des Abteilungsleiters kein echter Kontrollraum. Die Aufnahmen wurden zwar in eine Art Leitzentrale übertragen. Dort waren die Mitarbeiter aber eigentlich mit anderen Aufgaben beschäftigt. Zudem machten sie gegen 19 Uhr Feierabend.
Und selbst wenn die Mitarbeiter hingeschaut hätten, wäre es schwer gewesen, auf den Bildern etwas zu entdecken, so der Abteilungsleiter. Denn die hätten nur einen groben Überblick über die Halle geboten. Erstaunen bei Verteidiger Carsten Scheuchzer: "In jedem Supermarkt sitzt der Ladendetektiv vor diversen Monitoren und kann reinzoomen, wenn ihm etwas verdächtig vorkommt."
Heute gebe es in der Firma ein echtes Vier-Augen-Prinzip, so der Zeuge, kein Mitarbeiter dürfe mehr alleine mit so viel Geld hantieren. 2021 sei das anders gewesen. "Unser Vier-Augen-Prinzip waren die Überwachungskameras", so der damalige Vorgesetzte heute. Ein echtes Vier-Augen-Prinzip habe es nicht gegeben.
Der Pförtner wurde abgelenkt
Leichtes Spiel hatte Yasemin G. auch an der Sicherheitsschleuse. Weder wunderte sich der Pförtner, warum sie nach 21 Uhr angeblich noch Altpapier entsorgen wollte, noch warf er einen Blick in den Container. "Altpapier wurde üblicherweise mittags entsorgt", so der ehemalige Abteilungsleiter heute. Die Fahrzeughalle, wo man das Altpapier hingebracht habe, sei so spät auch gar nicht mehr geöffnet gewesen.
Dass der Pförtner nicht so genau hinschaute, lag möglicherweise auch am guten Verhältnis der beiden. Schon lange vor der Tat habe Yasemin dem Mann schöne Augen gemacht, berichtete der frühere Vorgesetzte. "Sie hat gerne mit ihm geflirtet, er hat das gerne angenommen." Am Tatabend lenkte sie den Mann zudem mit einem handgeschriebenen Zettel ab, der heute im Gerichtssaal gezeigt wurde. "Gehen was essen Samstag", ist darauf zu lesen. Dazu eine Handynummer. Zum Date an jenem Samstag kam es nicht. Denn da saß Yasemin G. schon im Flieger nach Istanbul — und der Firma Loomis fehlten 8,2 Millionen Euro.
Die Verhandlung vor dem Bremer Landgericht wird am kommenden Dienstag fortgesetzt. Dann soll ein Polizist als Zeuge aussagen. Außerdem hat das Gericht weitere Nachfragen an Yasemin G. angekündigt. Ein Urteil will die Strafkammer noch in diesem Jahr sprechen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. November 2024, 19:30 Uhr