Fragen & Antworten
Großes Konzert in Bremen: Wie die "Böhsen Onkelz" einzuordnen sind
Die umstrittene Rock-Band spielt auf der Bremer Bürgerweide. Schon im Vorfeld gab es Proteste dagegen. Zwei Wissenschaftler ordnen die Band ideologisch ein.
Wo liegen die Anfänge der "Böhsen Onkelz"?
Die Band gründete sich im Jahr 1980, ihre Ursprünge liegen in der Punk-Kultur. In den frühen 80er-Jahren entstehen Lieder mit ausländerfeindlichen und stark aggressiven Inhalten: "Türken raus" und "Deutschland den Deutschen". Das Lied "Deutschland den Deutschen" bezeichnet die Band auf ihrer Website als einen "ausgesprochen dummen Song mit prekärer Aussage".
Wie glaubwürdig ist die Distanzierung der Band von ihrer eigenen Vergangenheit?
"Die Distanzierung von der rechtsradikalen Vergangenheit der Band ist glaubwürdig, weil sie schon Mitte der 80er-Jahre begonnen hat und die Band auch nicht mehr im entsprechenden Rahmen aufgetreten ist", findet Maximilian Kreter. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung der Technischen Universität Dresden und forscht zu Rechtsrock. Ähnlich sieht es Dietmar Elflein, Musikwissenschaftler an der Technischen Universität Braunschweig: "Die Band hat das seit langer Zeit immer wieder in Interviews geäußert, sich an Aktionen gegen Rechtsextremismus beteiligt und auch T-Shirt-Kontrollen bei Konzerten durchführen lassen, um zu verhindern, dass verbotene Symbole gezeigt werden." Im Oktober 1993 trat die Band bei einem Konzert gegen Rassismus und Rechtsextremismus auch in Bremen auf. Die Bremer Kulturbehörde wertete dies damals als "Schritt in die richtige Richtung".
Die Abwendung der Band von ihren ausländerfeindlichen Anfängen beschreibt Kreter als Prozess: "Zwei Erlebnisse waren dafür sicher auch wichtig. Bei einem Auftritt in Räumlichkeiten der rechtsextremen Szene wurden Hitler-Grüße gezeigt und später lernte die Band den Mitbegründer des Rechtsrock in Großbritannien, den Sänger der Band 'Skrewdriver', Ian Stuart Donaldson, kennen. Diese Begegnung hinterließ einen bleibenden negativen Eindruck bei den Mitgliedern der 'Böhsen Onkelz' und war ein Impuls zur Abkehr von der rechtsextremen Skinheadszene."
Wo die "Böhsen Onkelz" ideologisch stehen, ist immer wieder Stoff für Kontroversen. Wie ist das zu erklären?
Elflein verweist auch auf die intensive mediale Berichterstattung in der Vergangenheit und die Schwierigkeit für Künstler, Attribute, mit denen sie einmal versehen wurden, wieder loszuwerden: "Zuschreibungen bleiben, gerade dann, wenn sie medial skandalisiert sind." Er plädiert dafür, Neuausrichtungen ernst zu nehmen. "Menschen müssen sich ändern dürfen. Wenn ihnen das nicht zugestanden wird, sind wir nicht mehr in einer Demokratie."
Andererseits haben die "Böhsen Onkelz" in der Szene ihre Spuren hinterlassen, sagt Maximilian Kreter von der Technischen Universität Dresden. "Musikalisch haben die 'Böhsen Onkelz' die rechtsextreme Musikszene nachhaltig geprägt, für die Texte trifft dies nur noch bedingt zu."
In welches politische Lager lässt sich die Band heute einordnen?
Dietmar Elflein sieht die "Böhsen Onkelz" als liberal-konservative Band. "Für mich ist sie im Spektrum von Schwarz-Grün anzusiedeln. Sie ist populistisch, denn sie konstruiert ein starkes Wir, das sind die Band, deren Fans, eine Art Familie, und ein Ihr, die Gesellschaft da draußen", sagt der Musikwissenschaftler.
Maximilian Kreter von der Technischen Universität Dresden sieht es so: "In ihren Liedern transportieren sie nicht sehr gesellschaftsfähige Positionen, es geht viel um Chauvinismus, Stärke, es wird ein anonymer Gegner adressiert, es geht um ein 'Wir gegen euch'. Die Liedinhalte und die Band sind für viele ihrer Fans ein Lebensgefühl."
Welche Bedeutung haben Fans aus dem rechtsextremen Lager?
"Aus dem harten Kern der Neonaziszene werden Sie bei den Konzerten kaum jemanden mehr finden, die fühlt sich von der Band eher verraten", meint Kreter. "Auch den Bands aus dem rechtsextremen Lager geht es so. Es gibt sogar Schmäh-Songs gegen die 'Böhsen Onkelz' von Bands aus der Rechtsrockszene."
Musikwissenschaftler Dietmar Elflein geht davon aus, dass bei einem Konzert einer Band mit derart großem Fan-Zulauf wie den "Böhsen Onkelz" das komplette politische Meinungsspektrum vertreten sein wird, ebenso wie in der Gesellschaft insgesamt.
Dieser Artikel wurde erstmals im Februar 2024 veröffentlicht.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 7. Februar 2024, 19:30 Uhr