Interview

Hat das Bremer Stahlwerk noch eine Zukunft, Herr Bünger?

Hat das Bremer Stahlwerk eine Zukunft, Herr Bünger?

Bild: Radio Bremen

Der Deutschlandchef von Arcelor-Mittal spricht mit Felix Krömer über die Lage des Bremer Stahlwerks – und warum sich die Mitarbeiter wohl keine Sorgen um ihren Job machen müssen.

Ob im Bremer Stahlwerk tatsächlich zukünftig Grüner Stahl produziert wird, schien noch im November ungewiss: Es kamen Gerüchte auf, dass Betreiber Arcelor-Mittal erst einmal nicht in die Transformation zur klimafreundlichen Produktion am Bremer Standort investieren will. Die Sorge ging um, dass das Bremer Stahlwerk damit nicht zukunftsfähig sei – und nicht nur viele Arbeitsplätze, sondern auch Bremens Klimaziele in Gefahr geraten könnten.

Im Gespräch mit Thomas Bünger, Deutschlandchef von Arcelor-Mittal und gleichzeitig Chef des Bremer Standorts, stellt buten un binnen-Moderator Felix Krömer die Frage nach der Zukunft deshalb in den Mittelpunkt.

1 Wie steht Bünger zum anstehenden Regierungswechsel in Deutschland?

In Zukunft wird Deutschland wohl von anderen Politikern regiert als aktuell. Was Bünger sich vom Regierungswechsel verspricht? Er drücke unter anderem die Daumen für eine "Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und auch der Situation für uns als Stahlerzeuger in Deutschland und Europa", erklärt er ab Minute 1:10. Strompreise müssten sinken und auf europäischer Bühne müssten Regelungen vorangebracht werden, die die europäische Stahlindustrie stärken.

Zwar konnte sich die Stahlbranche angesichts von Milliardenzusagen für die klimaneutrale Transformation über die alte Bundesregierung nicht beschweren, räumt der Stahlwerke-Chef ab Minute 2:52 ein. "Auf der anderen Seite ist es so, dass unter den jetzigen Rahmenbedingungen trotz des vielen Geldes, über das wir ja in dem Zuwendungsbescheid reden, eine Transformation nicht wirtschaftlich ist."

Wie er auf die Aussage vom wahrscheinlich zukünftigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) reagiert, der im Wahlkampf noch Zweifel an der Wirtschaftlichkeit von Grünem Stahl geäußert hatte, erklärt er ab Minute 4:40.

2 Wie funktioniert die Umstellung auf den Grünen Stahl technisch?

Was genau hinter dem Begriff "Transformation zu Grünem Stahl" steckt, erklären Bünger und Krömer ganz konkret ab Minute 7:12: Sie skizzieren, wie das bisherige, sehr CO2-intensive Hochofenprinzip in Zukunft durch ein neues Verfahren mit sogenannten Direktreduktionsanlagen und Elektrolichtbogenofen deutlich klimafreundlicher werden soll.

Der dafür benötigte Wasserstoff soll zu einem Teil direkt auf dem Gelände des Stahlwerks entstehen, überwiegend aber über ein Rohrleitungsnetz beschafft oder importiert werden. Welche Schritte dabei noch nötig sind, zeigt Bünger ab Minute 15:00 auf.

3 Wie weit ist das Bremer Stahlwerk bei der Transformation?

Das ganze Projekt der Transformation könne man wohl nicht als Sprint, eher als Marathon bezeichnen, fasst Krömer zusammen. Ein Marathon, der nach Ansicht von Bünger aber immer noch komplett vor dem Stahlwerk liegt (Minute 16:56).

Wir stehen noch an der Startlinie, kratzen uns am Hinterkopf und überlegen, wie wir es tatsächlich umsetzen können. Insbesondere, was das Thema Wasserstoff betrifft, gibt es viele gute Ideen und wenig bisher Realisiertes.

Thomas Bünger, Deutschlandchef von Arcelor-Mittal

Vor allen Dingen hänge es immer wieder an Genehmigungsverfahren und an der Finanzierung. Die Projektrealisierung dauere mehrere Jahre, "weil der Bau von mehreren so komplexen industriellen Anlagen einfach Zeit braucht." Außerdem seien ja noch nicht alle Investitionsentscheidungen von Arcelor-Mittal getroffen. Wie zumindest der Planungsstand ist, erklärt Bünger ab 19:43 – und geht auch darauf ein, wo es noch hakt.

4 Inwiefern hängt die Zukunft des Bremer Stahlwerks von Investitionsentscheidungen von Arcelor-Mittal ab?

In dieser Frage antwortet Bünger klar: "Es geht nicht darum, ob Bremen dekarbonisiert wird oder nicht – sondern es kann maximal darum gehen, wann Bremen dekarbonisiert wird", erklärt ab Minute 24:30. "Das Stahlwerk wird weiter existieren, da muss sich keiner Sorgen machen."

Technisch werde man im Sommer bereit für die Investitionen sein, aber man müsse dann sehen, "ob die Rahmenbedingungen stimmen, unter denen wir eine Wirtschaftlichkeit nachweisen können", sagt Bünger. Sowohl die technische Komponente als auch die Wirtschaftlichkeit seien entscheidend für die Investition. Er sei aber optimistisch, dass die Rahmenbedingungen sich ändern. "Ob drei bis vier Monate in der politischen Landschaft genügend Zeit sind, das werden wir sehen."

5 Wie blickt Bünger auf die CDU-Klage gegen den Bremer Haushalt?

Investitionen sollen aber nicht nur von Arcelor-Mittal kommen, sondern auch vom Bund – und vom Land Bremen. An letzteren hängt noch ein kleines Fragezeichen, weil die CDU gegen den Bremer Haushalt klagt.

Auch wenn die CDU die Investitionen fürs Bremer Stahlwerk aus der Klage ausnimmt, bereitet Bünger das Ganze Sorgen: "Wir können aus heutiger Sicht das Risiko nicht ausschließen, dass das Gericht zu einer anderen Sichtweise kommt – und das Land Bremen damit die 251 Millionen, über die wir reden, dann anderweitig beschaffen muss", sagt er bei Minute 30:28. Das ganze Projekt sei dadurch trotzdem nicht in Gefahr: Mit seinem vorliegenden Förderbescheid sei das Bremer Stahlwerk in einer rechtlich sicheren Situation. Der Senat sei dann am Zug, das Geld zu beschaffen. Seinen Standpunkt erläutert Bünger ab Minute 32:16.

6 Was kommt bei einer Transformation auf die Mitarbeitenden zu?

Dass es große Veränderungen für die Mitarbeitenden geben wird, wenn die Transformation in Gang kommt, bestätigt Bünger ab Minute 45:17. Es gebe "völlig neue Arbeitsplätze, völlig andere Arbeitsbedingungen" – deswegen sei es notwendig, die bestehenden Mitarbeiter für die neuen Aufgaben zu qualifizieren. Daneben soll aber auch die Zahl der Ausbildungsplätze verdoppelt werden, wobei es auch neue Ausbildungsberufe geben soll. Ob es trotzdem Härtefälle in der Belegschaft geben wird, beantwortet Bünger ab Minute 47:50.

7 Hat Stahl aus Deutschland langfristig eine Chance?

Auch wenn sich die von Bünger mehrfach angesprochenen Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern sollten, bleibe die Marktsituation für deutschen Stahl ja schwierig, sagt Krömer bei Minute 1:02:12. Bünger bereitet das offenbar kein Kopfzerbrechen: "Stahl begegnet uns überall, wir brauchen also Stahl", so der Stahlwerk-Chef.

Ich mache mir keine Gedanken, dass wir nicht genügend schlaue Köpfe haben, die es schaffen, immer und immer wieder wettbewerbsfähig Stahl zu erzeugen. Auch in Deutschland – wenn die Rahmenbedingungen dafür da sind.

Thomas Bünger, Deutschlandchef von Arcelor-Mittal

Wie mögliche Strafzölle der USA gegen die EU das Bremer Stahlwerk treffen, erklärt er bereits ab Minute 58:29.

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. Februar 2025, 19.30 Uhr