Interview

"Auf Augenhöhe": Wie Eltern mit Kindern über Schlimmes reden sollten

Ein Vater hält sein Kind im Arm und tröstet es (Symbolbild)
Ruhig und auf Augenhöhe mit dem Kind: So sollten Eltern mit Kindern über schlimme Nachrichten sprechen. Bild: Imago | Westend61

Kinder bekommen oft mehr schlimme Nachrichten mit, als uns lieb ist. Doch wie sollen Eltern damit umgehen? Ein Experte aus der Bremer Kinderpsychiatrie gibt ein paar Tipps.

Mal ist es der Krieg in der Ferne, oft aber auch das Verbrechen von nebenan, zuletzt die Meldung von einem Siebenjährigen, den der eigene Vater in Bremens Altstadt umgebracht haben soll: Schreckensnachrichten sind omnipräsent in den Medien – und kommen natürlich auch bei Kindern an.

Wie aber sollten Eltern mit ihren Söhnen und Töchtern darüber sprechen? Sollten sie es überhaupt tun? Das und mehr hat buten un binnen Florian Kathmann gefragt. Kathmann leitet das Institut QuQuK der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums Bremen-Ost. Das QuQuK bildet Fachkräfte für die Kinder- und Jugendhilfe aus.

Herr Kathmann, ist es sinnvoll, erschütternde Nachrichten wie die vom Tod eines Siebjährigen durch den eigenen Vater von Kindern fernzuhalten?

Das ist im Falle von kleinen Kindern tatsächlich sinnvoll. Denn solche Nachrichten führen zu Ängsten. Eltern kennen ihre Kinder in der Regel am besten. Letztlich müssen sie individuell einschätzen, welche Informationen gut für Ihre Kinder sind und welche vielleicht einfach noch nicht angebracht sind. Dabei sollten sie sich fragen: Welche Inhalte könnten für das Kind wichtig sein, welche kann es überhaupt schon verarbeiten und wie könnte es mit den Informationen umgehen?

Florian Kathmann
Leitet das Institut für Qualifizierung und Qualitätssicherung (QuQuK) in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Bremen-Ost: Florian Kathmann. Bild: Gesundheit Nord

Kann man das an bestimmten Altersgrenzen festmachen?

Schwierig. Wenn wir bei dem konkreten Beispiel bleiben: Für ein Kind im Kindergartenalter ist eine solche Tat mit allem, was daran hängt, schwer zu verstehen. Ohne Not würde ich die Nachricht daher auch gar nicht kommunizieren. Wenn die Kinder aber schon zur Schule gehen, also sechseinhalb Jahre oder älter sind, dann sind Eltern gar nicht mehr in der Lage dazu, bestimmte Informationen von ihren Kindern fernzuhalten. Zumal schlimme Nachricht große mediale Bögen schlagen.

Grundsätzlich sind Kinder in diesem Alter mit Nachrichten, wie sie etwa in der ZDF-Sendung "Logo!" aufbereitet werden, gut bedient. Aber nicht mit den klassischen Nachrichten der "Tagesschau" oder der "heute"-Sendung, in denen viel über Kriege, Gewalt und Katastrophen berichtet wird.

Ab welchem Alter sollten Kinder dieselben Nachrichten verfolgen wie Erwachsene, und wie sollten Eltern das fördern und begleiten?

Aus meiner Sicht sind die typischen Nachrichten, bei denen es etwa um den Krieg in der Ukraine geht, nicht für Kinder im Kindergarten- oder Grundschulalter geeignet. Grundsätzlich sollten Kinder Erwachsenen-Nachrichtenformate wie die "Tagesschau" erst ab einem Alter von zehn oder elf Jahren verfolgen, wenn sie weiterbildende Schulen besuchen.

Aber das ist nur eine grobe Orientierung. Eine starre Altersgrenze zu ziehen, ist auch hier schwierig. Kinder des gleichen Alters gehen unterschiedlich mit den gleichen Informationen um, haben unterschiedliche Reifegrade. Da ist das Augenmaß der Eltern gefordert – und auch ihre Zeit. Sie sollten die Nachrichten gemeinsam mit den Kindern verfolgen.

Wie Sie bereits angedeutet haben, schnappen Kinder allerdings, ob ihre Eltern es wollen oder nicht, immer wieder hier und da beängstigende Nachrichten auf. Wie können Eltern sie dazu ermuntern, mit ihnen darüber zu sprechen? Oder ist das gar nicht sinnvoll?

In dem Moment, wo Kinder solche Informationen haben, ist es immer sinnvoll, wenn ihre Eltern versuchen, mit ihnen darüber zu sprechen. Allerdings sollten sie ihnen kein Gespräch aufzwingen. Damit würden sie das Kind nur einschüchtern. Stattdessen sollten sie erst einmal vorsichtig herausfinden, ob das Kind überhaupt mit ihnen darüber sprechen will.

Ist das der Fall, stellen Eltern den Kindern dann am besten offene Fragen: "Was hast Du gehört?", zum Beispiel. Und dann sollte man auf das Kind eingehen, auf Augenhöhe des Kindes kommunizieren. Ruhig bleiben, Extreme aber auch Bagatellisierungen vermeiden. Was gar nicht hilft, ist, wenn Eltern eine Diskussion aus Erwachsenensicht vor dem Kind führen. Oder wenn sie so tun, als wenn sie alles verstehen würden, selbst die schlimmsten Taten.

Allerdings heißt es auch, dass sich Mütter und Vätern ihren Kindern gegenüber möglichst stark zeigen sollten, weil das den Kindern ein Gefühl der Sicherheit gebe. Dürfen Eltern ihren Kindern auch mal zeigen, dass auch ihnen manche Nachrichten Angst machen?

Auf jeden Fall. Eltern wollen und sollen ihren Kindern gegenüber ja auch authentisch sein. Daher dürfen sie ihren Kindern auch signalisieren, dass es Dinge gibt, die ihnen Angst machen. Ich habe eine Tochter. Ich erinnere mich, wie das war, als der Ukraine-Krieg anfing. Da saßen wir zusammen vor dem Fernseher und haben die Nachrichten verfolgt. Ich habe ihr gesagt: "Diese Entwicklung macht mir auch Angst." Aber dabei bin ich ruhig geblieben und habe hinzugefügt: "Aber wir zusammen schaffen das."

Eltern können ihrem Kind gegenüber auch mal Schwächen zeigen und trotzdem als starke Eltern dastehen. Außerdem sollten wir uns nichts vormachen: Unsere Kinder finden in allen möglichen anderen Lebenslagen sowieso heraus, was für Schwächen wir haben. Es macht in aller Regel überhaupt keinen Sinn, ihnen etwas vorzuspielen.

Ist es vielleicht sogar manchmal im Zusammenhang mit erschütternden Nachrichten sinnvoll, als Mutter oder Vater das Kind um Rat zu fragen?

Ich würde nicht um einen Rat fragen. Wenn man aber gemeinsam mit dem Kind schlimme Nachrichten verfolgt, kann man natürlich möglichst ruhig das Gespräch aufnehmen und fragen: "Wie empfindest Du das denn?" Einfach, um dem Kind zu zeigen, dass man sich gern mit ihm auf Augenhöhe austauschen möchte.

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Bild: Radio Bremen

Autorinnen und Autoren

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. September 2023, 19.30 Uhr