Hier wohnt eine Bremerin bereits in dritter Generation im Schnoor
Das historische Viertel ist nicht nur für Touristen attraktiv, sondern auch als Wohnquartier. Das wissen selbst viele Bremer nicht, erklärt die Bäckerstochter.
Wie hoch ihr Häuschen ist, nimmt man erst gar nicht wahr, weil es im Erdgeschoss eine neue Bäckerei beherbergt, und die lenkt den Blick auf ein Schaufenster voller Gebäck. Gleich daneben ist aber ein Tor und dahinter verstecken sich ein kleiner Gang und eine Treppe, die zur Wohnungstür im zweiten Stock führt. Typisch Schnoor: Alles wirkt hier ein bisschen verwinkelt und irgendwie heimelig.
Genau wie Dörte Küsters Wohnzimmer, wo die 53-Jährige erzählt, wie es war, in diesem historischen Viertel aufzuwachsen – und schon als Baby buchstäblich von Backwaren umgeben zu sein:
Wenn meine Mutter die Möglichkeit hatte, hat sie mich mit einem Kopfkissen einfach in den Brötchenkorb gelegt.
Dörte Küster
Irgendwann war es dann aber nicht mehr so einfach, das kleine Mädchen zu beaufsichtigen – ihre Entdeckerfreude war einfach zu groß. "Wenn die Schüler unten im Laden standen, bin ich immer durch die Beine durch und weg." Ihre Mutter rief dann: "Dörte haut ab!" Und die Schüler haben sie wieder eingefangen und zurückgebracht.
Der Schnoor als großer Spielplatz
Damals in den 70er Jahren gab es im Gegensatz zu heute noch viele Kinder im Schnoor, erzählt Dörte Küster. Mit denen sei sie durch die Gassen gelaufen, Seil gesprungen oder bei der Marterburg auf einem alten Baum rumgeklettert. Sie kannte alle Nachbarn und ist in vielen Häusern ein- und ausgegangen, auch in einem Laden in der Wüsten Stätte.
Dort war früher eine Dame, die von den Kindern "Bonschentante" genannt wurde. Sie machte Kunstdrucke aus Linoleum und bot den Kinder an, sich mit eigenen Linoleumschnitten zu erproben. "War natürlich immer etwas gefährlicher mit den Messern, aber sie hatte immer ganz tolle Pflaster so mit Micky Mäusen drauf und anderen Walt-Disney-Figuren."
Mit Freude gebacken, aber nicht zum Beruf gemacht
Eine andere Sache, die sie gern gemacht hat, war Backen. Das durfte allerdings ausgerechnet sie, die Bäckerstochter, nicht zuhause in der Küche. Verschwendung nannte ihr Vater das – sie könnte sich schließlich was aus der Backstube holen. Daran hielt sie sich aber nicht, sondern lud gern mal eine Freundin aus dem Schnoorviertel ein, um einen Nuss- oder Marmorkuchen zu backen. "Und raten Sie mal, wer den gegessen hat? Mein Vater! Das war immer das Gleiche."
Obwohl sie gern gebacken hat und Kuchen bis heute liebt, ist sie nicht Bäckerin geworden, sondern arbeitet im Einzelhandel. Die Bäckerei hat sie verpachtet, aber wohnt eben noch immer im Haus ihrer Eltern.
Leider immer die gleichen Vorurteile
Den Schnoor mag sie nach wie vor, sagt Dörte Küster, auch wenn es hier nicht mehr so familiär zugeht wie in ihrer Kindheit. Sie findet es gut, dass er so zentral und lebendig ist. Allerdings bedauert sie, dass der Bremer den Schnoor zu wenig kennt. Sie weiß nicht woran es liegt, aber immer wenn sie sagt, dass sie im Schnoor wohnt, bekommt sie dieselben erstaunten Rückfragen zu hören:
- "Oh! Da kann man auch wohnen?" Ja, das könne man, erklärt Dörte Küster geduldig..
- "Aber da stören doch bestimmt die ganzen Touristen?" Nein, die stören nicht, entgegnet sie dann..
Denn: Von denen lebt das Viertel schließlich, findet die Schnoorianerin. Sie schlägt vor, dass sich die Bremer ihr Viertel einfach mal wirklich angucken sollten.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Vormittag, 23. Juli 2022, 11:46 Uhr