Interview
Darum lief ein Marsroboter auf der Bremer Galopprennbahn herum
Der Rover SherpaTT soll zeigen, wie Roboter auf fernen Planeten selbstständig entscheiden können. Gerade ist er aber in Bremen gelandet. Das hat auch mit Corona zu tun.
Ein ungewöhnlicher Besucher erkundete vergangene Woche die Bremer Galopprennbahn. Eigentlich ist SherpaTT, ein Rover vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen, meistens in Wüsten und trockenen Gebieten unterwegs. Dort hilft er, Systeme für Roboter zu entwickeln, die auf entfernten Planeten wie dem Mars selbstständige Entscheidungen treffen müssen. Wie er das tut und warum der Sherpa vergangene Woche auf der Bremer Galopprennbahn herumstöberte, erklärt DFKI-Projektleiter Florian Cordes.
Herr Cordes, was genau soll SherpaTT untersuchen?
Der Roboter soll bei Raumfahrtmissionen in der Lage sein, autonome Entscheidungen zu treffen. Wenn er zum Beispiel einen Stein sieht, muss er entscheiden können, ob es sich lohnt, ihn zu untersuchen. Und ob die Entnahme in den Zeitplan der Mission passt. Alles ohne Interaktion mit dem Menschen.
Und das auf dem Mars?
Genau, das Ziel sind weiter entfernte Planeten. Natürlich könnte er das auch auf dem Mond machen. Nur: Auf dem Mond bedarf die Übertragung der Funksignale nur weniger Sekunden, auf dem Mars sind es 20 Minuten. Auf dem Mond hat man ganz andere Möglichkeiten für den Kontakt zur Erde.
Soll der Roboter dann nur Proben vom Boden entnehmen?
Das ist jetzt das Szenario. Bei solchen Marsmissionen geht es darum, Leben oder vergangenes Leben nachzuweisen, oder etwas über das Klima herauszufinden. Der Roboter soll also ein Werkzeug für Geologen und Klimaforscher sein. Er ist ein Träger für die ganzen Sensoren, die irgendwohin müssen. Er muss den von Wissenschaftlern vorgegebenen Ort erreichen und Messungen vornehmen.
Ein Roboter, der selbstständig Entscheidungen trifft: Es klingt ein wenig wie ein Science-Fiction-Film. Wird er demnächst auch ein Bewusstsein entwickeln, wie in "Nummer 5 lebt"?
Nein, davon sind wir noch ziemlich weit entfernt. Es ist so: Der Roboter verfügt über verschiedene Kameras. Die Bildinformationen werden aufgenommen und mit älteren verglichen. Wenn es auf den Bildern etwas Neues gibt, das er vorher nicht kannte, dann wird er das genauer untersuchen. Vorausgesetzt, dass das in den Zeitrahmen der Mission passt. Es gibt auf der Erde natürlich Geologen, die wissen, wonach sie suchen müssen. Diese Informationen kann man in Algorithmen verwandeln, damit der Roboter dann solche Stellen in anderen Bildern wiedererkennt. Und wenn er dann diese Merkmale bereits zum dritten oder vierten Mal sieht, weiß er, dass es sich nicht mehr lohnt, sie erneut zu untersuchen.
Was passiert, wenn etwas schief geht und der Roboter entscheidet, sagen wir, dass sich ein weiterer Spaziergang doch noch lohnen würde, statt zum Raumfahrtschiff zurückzukehren?
Bei kleineren Fehlern gibt es sogenannte Fehlerabfang-Routinen, mit denen man versucht, den Fehler zu beheben oder zu umgehen. Wenn aber das System nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll, sendet es eine Meldung zurück zur Erde. Dann versucht man in der Bodenstation, das Problem zu lösen. Aber wenn man erwartet, dass das System autonome Entscheidungen trifft, kann man auch nicht immer vorhersagen, was es machen wird. Das ist im Weltraum natürlich unangenehm.
Wer ist am Projekt beteiligt?
Es sind 14 Partner aus ganz Europa: Spanien, Großbritannien, Frankreich, Italien und wir aus Deutschland. Das ist Teil einer Projektreihe, die autonome Entscheidungen von Robotern auf langen Fahrten untersucht. Wir vom DFKI haben in diesem Fall den Roboter entwickelt und aufgebaut. Das Fahrwerk, die Navigationsalgorithmen, die Simulationen.
Sie haben im Vorgespräch erzählt, dass der Roboter schon in der Wüste in Utah, USA, und in Marokko getestet wurde. Wieso war er dann vergangene Woche auf der Galopprennbahn? Das Gelände dort erinnert nicht an den Mars.
Der Roboter hätte eigentlich in Colmenar bei Madrid sein müssen, aber wegen der Corona-Situation ging es nicht. Und im November sollte er nach Fuerteventura fahren, in die Steinwüste, aber das geht jetzt auch nicht. Wir hoffen, dass wir es im Frühjahr nachholen können. Solche Vorversuche müssen aber nicht immer auf Geländen erfolgen, die dem Mars ähneln. Zumindest, was die Navigation angeht. Auf der Galopprennbahn gibt es weite Flächen, Sanddünen von der ehemaligen Golfanlage, ein paar Hügel. Dort kann man auch das Zusammenspiel der verschiedenen Software-Komponenten testen.
Und wann wird SherpaTT zum Mars fliegen?
Auf dem Mars selbst wird er nicht eingesetzt. Er ist für die Demonstrationen auf der Erde in einer marsähnlichen Umgebung gedacht. Wir betreiben eine Art angewandte Grundlagenforschung, wo wir ein System haben, das so ähnlich aufgebaut werden könnte. Die eigentliche Entwicklung für die Zielumgebung macht man erst dann, wenn ein entsprechender Auftrag von der Bundesregierung oder der ESA kommt.