Ehemalige Geisel spricht über die Entführung

Moderator Alexander Brauer im Gespräch mit Ines Falk
Ines Voitle heißt heute Ines Falk. Sie saß damals neben ihrer Freundin Silke Bischoff, die später duch eine Kugel des Geiselnehmers Hans-Jürgen Rösner starb. Bild: Radio Bremen

Ein beispielloses Versagen der Polizei, rücksichtlose Reporter und drei Tote – das ist vielen vom Gladbecker Geiseldrama im August 1988 in Erinnerung geblieben. Und wie geht es den Betroffenen von damals? Ines Falk war eine der Geiseln, verlor ihre beste Freundin. Bei buten un binnen erzählt die Bremerin von ihren Erlebnissen und dem Leben danach.

Wie haben Sie das das Geiseldrama nach so langer Zeit verarbeitet?

Ines Falk: Schwer. Es hat lange gedauert. Ich kann eigentlich sagen, dass es mir seit zwei Jahren wieder besser geht. Ich hatte lange Depressionen gehabt. Es ist auch einiges dadurch kaputt gegangen, die Ehe zum Beispiel. Ich habe sehr viel zugenommen und kam lange Zeit nicht damit klar.

Wurden Sie betreut in der Zeit?

Ich musste mir selber Hilfe suchen. Ich hatte zum Schluss einen Therapeuten gehabt, zu dem ich dann immer wöchentlich zu Gesprächen hingegangen bin, und das hat mir im Endeffekt geholfen.

Jetzt zum 25. Jahrestag kommen Sie an diesen Bildern natürlich nicht vorbei, aber wie ist das sonst? Wie oft denken Sie an diese Vergangenheit?

Denken tue ich da so gut wie gar nicht mehr daran, das heißt, ich versuche nicht mehr daran zu denken. Ich habe das akzeptiert, dass das zu mir gehört. Das ist in meinem Leben passiert. Ich versuche halt, den ganzen Tag normal weiter zu leben, ohne darüber nachzudenken.

Gespräch mit Ines Falk
Ines Falk musste sich selbst helfen, die Geiselnahme zu verarbeiten. Bild: Radio Bremen

Sie haben überlebt, weil Sie aus der Schusslinie gesprungen sind. Wie war dieser Moment? Silke Bischoff hat Ihnen ja das Leben gerettet.

Ja, sie hat mir das Leben gerettet. Sie hat immer geschrien, ich soll aus dem Auto springen. Ihre Schreie waren so intensiv, als ob sie eine Vorahnung hatte, dass gleich irgendetwas Schlimmes passieren würde. Sie hat immer wieder gesagt: "Spring raus! Spring raus! Spring raus!" Irgendwann habe ich es dann einfach gemacht.

Wann haben Sie wahrgenommen, dass Ihre Freundin nicht überlebt hat?

Am nächsten Tag erst. Die Polizei hat mich morgens abholen wollen zum Verhör. Ich habe gefragt, wie es Silke geht. Der Beamte hat mir dann knallhart gesagt: "Die ist tot." Ich dachte, sie hätte überlebt.

Wie ist das Verhältnis zu Silkes Mutter?

Wir haben keinen Kontakt. Warum, ist schwierig zu sagen. Es ist halt so, dass jeder mit seiner Trauer allein fertig werden muss, und ich glaube, so ist es am besten.

Die beiden Gangster: Dieter Degowski ist noch ein, zwei Jahre im Gefängnis, dann könnte er frei kommen; Hans-Jürgen Rösner hat noch mindestens zwei Jahre – wenn Sie solche Nachrichten hören, wie gehen Sie damit um?

Also wenn man so etwas hört, kriegt man erstmal wieder so ein kleines bisschen Panik. Aber ich denke mir mal, die haben etwas Besseres zu tun, als bei mir aufzutauchen. Ich glaube, sie werden mich in Ruhe lassen.

Was wäre eine konkrete Angst, die Sie dann hätten?

Ich weiß es nicht. Vielleicht, dass sie mir die Schuld geben, dass sie ins Gefängnis gekommen sind. Man hat Hirngespinste in dem Moment.

Nach dem Geiseldrama haben viele gesagt, es wurden Fehler gemacht. Viele haben das im Nachhinein eingestanden. Frau Falk, ist eigentlich bei Ihnen mal jemand danach aufgetaucht und hat sich entschuldigt?

Nein, keiner. Ich hätte auf alle Fälle schon gerne mal gehört, dass es ihnen leid tut, dass alles so schief gelaufen ist, und dass sie vielleicht auch mal nachgefragt hätten, ob man Hilfe braucht, ob man therapeutische Hilfe braucht.

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    Alexander Brauer

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. August 2013, 19:30 Uhr