Interview

Braucht Bremerhaven einen neuen Wasserstoff-Hafen?

Warum Bremerhaven in Wasserstoff-Infrastruktur investieren sollte

Bild: Radio Bremen

Bremerhaven will sich als Standort für grünen Wasserstoff etablieren. Dafür könnte ein neuer Hafen entstehen. Doch Bremerhaven müsse sofort handeln, sagt Ökonom Jochen Tholen.

Ein neuer Hafen nur für grünen Wasserstoff in Bremerhaven? Das klingt nach großen Plänen. Jochen Tholen ist Experte für Schiffe und Häfen am Institut für Arbeit und Wirtschaft an der Uni Bremen. Er ordnet ein, ob das Projekt wirtschaftlich für Bremerhaven Sinn ergibt – und welchen Beitrag es für die Wasserstoffwirtschaft leisten könnte.

Herr Tholen, ist der südliche Fischereihafen aus Ihrer Sicht ein guter Standort?

Auf jeden Fall! Wenn man die Bedarfe anschaut, sieht man, dass Deutschland total unzureichend sowohl auf den Import als auch auf die Produktion von grünem Wasserstoff vorbereitet ist. Es werden händeringend Infrastrukturen gesucht, die so nicht vorhanden sind. Die neueste Eon-Studie sagt zum Beispiel, dass die Kapazität von Elektrolyse, um grünen Wasserstoff zu produzieren, bis 2030 5,6 Gigawatt betragen soll. Aber die Bundesregierung geht davon aus, dass bis 2030 das doppelte produziert werden muss. Und da besteht schon eine große Lücke.

Die Idee klingt ja ganz gut, Bremen würde sich damit also clever aufstellen, wie Sie sagen. Allerdings müssen die Schiffe dann laut Plan durch den Fischereihafen, um den Wasserstoffhafen zu erreichen. Ergibt der Plan in der Hinsicht überhaupt Sinn?

Das kann schon Sinn ergeben: Der Wasserstoff könnte bei großen Schiffen vorher von der südlichen Columbuskaje auf kleinere Schiffe umgeladen werden. Das Problem ist nur, wenn hier von einem neuen Hafen gesprochen wird, dann dauert das viel zu lange. Ich erinnere an die Tragödie des OTB, wo der Bau nie stattgefunden hat. Viel besser wäre es, wenn man wirklich sofort anfangen würde, Infrastrukturmaßnahmen an Land für die Produktion von grünem Wasserstoff zu bauen.

Jochen Tholen, Ökonom und Experte für Schiffe und Häfen, zu Gast im Studio von buten un binnen.
Jochen Tholen ist Experte für Schiffe und Häfen am Institut für Arbeit und Wirtschaft an der Uni Bremen. Bild: Radio Bremen

Was meinen Sie genau mit sofort? Nächste Woche schon?

Das Problem ist, dass wir ja Mitte Mai Bürgerschaftswahlen haben. Und bis dahin wird sich vermutlich wenig tun. Und danach wird ein neuer Senat gebildet, dann wird sich auch wenig tun. Das heißt, es wird Zeit verschlafen und ich möchte noch einmal an die Geschichte des OTB erinnern: 2011 sollte alles anfangen, 2013/14 sollte er fertig sein, der OTB ist nie gebaut worden, die Offshore-Windindustrie ist aus Bremerhaven weggegangen, es gibt in diesem Bereich nichts mehr hier.

Wenn man diesen langen Weg geht, dann sehe ich schwarz.

Jochen Tholen, Experte für Schiffe und Häfen am Institut für Arbeit und Wirtschaft

Man müsste eigentlich jetzt sofort Infrastrukturmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel beim Ausbau der Netze für grünen Wasserstoff: Bisher gibt es da in Deutschland gerade einmal 418 Kilometer. Die Entfernung zwischen Bremen und Freiburg liegt bei knapp 800 Kilometern, also da muss noch sehr viel passieren.

Sind andere Standorte in Deutschland beim Wasserstoff nicht schon viel weiter als Bremen und Bremerhaven? Hat Bremerhaven da überhaupt noch eine Chance, sich als Wasserstoff-Standort zu etablieren?

Jeder lehnt sich jetzt weit aus dem Fenster, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Das macht Bremerhaven ja auch. Und ich glaube, es kommt einfach auf Schnelligkeit an. Es kommt darauf an, dass man aus den Fehlern beim OTB wirklich lernt. Bremerhaven sollte so schnell wie möglich Infrastrukturmaßnahmen sowohl für den Import von grünem Wasserstoff als auch für die Produktion an Land bereitstellen, wenn die Stadt Wasserstoffstandort werden will.

Braucht Bremerhaven einen neuen Hafen?

Bild: Radio Bremen

Autor

  • Moderator Janos Kereszti
    János Kereszti Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. Dezember 2022, 19:30 Uhr