Bremens schwerste Explosion seit dem Krieg fordert 14 Opfer

In der Bremer Rolandmühle am Holzhafen gehen am 6. Februar 1979 Gebäude in Flammen auf: Eine Mehlstaubexplosion verwüstet das Gelände. Anwohner fühlen sich an den Krieg erinnert.

Bild: Landesbildstelle Bremen

Es ist eine Sache von Augenblicken: Am Abend des 6. Februar 1979 bereiten sich Arbeiter in der Bremer Rolandmühle gerade auf einen Schichtwechsel vor, als es einen unglaublich lauten Knall gibt. Sofort stehen Gebäude auf dem Gelände am Holzhafen in Flammen. Der Mühlenturm gleicht einer riesigen Fackel – so beschreiben es Augenzeugen später.

Anwohner fühlen sich an Bombennächte erinnert

Durch die ungeheure Wucht der Detonation stürzen Decken, Mauern und eine Ladebrücke ein und begraben Menschen unter sich. Gesteinsbrocken fliegen durch die Luft. Im Umkreis von zwei Kilometern gehen Tausende Fensterscheiben zu Bruch. Anwohner in Walle und Gröpelingen werden aufgeschreckt. Bei einigen werden Erinnerungen an Bombennächte im Zweiten Weltkrieg wach, andere halten das flammende Inferno und den Knall für einen Flugzeugabsturz. Es wird Großalarm ausgelöst: Die Feuerwehr rückt mit 160 Mann an, die Polizei mit 150. Polizisten sperren das Gelände ab, um das sich bald schon Schaulustige drängen.

Rolandmühle Explosion
Unermüdlich sind die Feuerwehren im Einsatz – erst auch in der Hoffnung, Verschüttete noch lebend bergen zu können. Bild: Landesbildstelle Bremen

Im Inneren kämpfen die Feuerwehrleute gegen die Flammen und die starke Hitze. Pro Minute werden 20.000 Liter Wasser auf den Brandherd gesprengt – dennoch züngeln die Flammen weiter. Die Folgen sind verheerend: Sieben Tote werden in den ersten Tagen nach dem Unglück geborgen, nach sieben weiteren Vermissten dauert die Suche an. Doch schon bald müssen die Helfer feststellen: Dass nun noch jemand lebend gefunden wird, ist sehr unwahrscheinlich. Denn die Vermissten befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion an Orten, an denen das Feuer alles verbrannt hat, teilt Berend Erling von dem Nachfolgeunternehmen der Rolandmühle, der heutigen Roland Mills Unite, mit. "Die Temperaturen waren dort so hoch, dass selbst die gusseisernen Walzenstühle geschmolzen waren."

Die Bergung gestaltet sich so schwierig, weil auf dem Gelände ein Durcheinander aus Stahlträgern, eingestürzten Mauern und Gesteinsbrocken herrscht. Außerdem entstehen immer wieder Brandnester. Bei eisigen Februartemperaturen gefriert das ausgetretene Löschwasser und erschwert die Arbeiten zusätzlich. Die Feuerwehr ist im Dauereinsatz, bleibt noch Wochen später auf dem Gelände.

Schwerste Explosionskatastrophe seit dem Krieg

Auch wirtschaftlich ist der Schaden immens. Zunächst auf 50 Millionen D-Mark geschätzt, verdoppelt sich diese Angabe schließlich sogar. Trotzdem kündigt das Unternehmen an, niemanden zu entlassen. Die Mitarbeiter sollen beim Wiederaufbau helfen.

Die Explosion sorgt in der gesamten Bundesrepublik für Schlagzeilen. Von der "schwersten Explosionskatastrophe in Bremen seit Kriegsende" schreiben die Zeitungen. Bundeskanzler Helmut Schmidt spricht allen Angehörigen in einem Telegramm an Bremens Bürgermeister Hans Koschnick sein Beileid aus.

Wucht von 20 Tonnen Sprengstoff

Wie die Explosion entstehen konnte, ist zunächst unklar. Später stellt sich heraus, dass der Brand in einem Raum nahe dem Hafenbecken ausgebrochen ist. Von dort aus wurden Glutnester über eine Ladebrücke und schließlich über das Beförderungssystem innerhalb der Betriebsräume in die Mühle getragen. Im Mehlspeicher wurde gerade ein Transporter mit Mehl beladen. Dadurch wurde zusätzlich Staub aufgewirbelt. Die kleinen Partikel entflammen und verpuffen sehr leicht, wie ein Experte der Feuerwehr später erklärte. Durch die Druckwelle wurden sie in Massen in die Luft geschleudert und fingen sofort Feuer. Eine Explosion mit einer Wucht wie von 20 Tonnen Sprengstoff wurde so ausgelöst.

Unglück sorgt für Sicherheits-Diskussion

Die Mehlstaubexplosion in Bremen stößt eine Debatte über die Sicherheit in solchen Betrieben an. Experten vom Staubforschungsinstitut in Bonn werden hinzugezogen. Wichtigste Maßnahme, um eine solche Explosion zu verhindern, ist "peinliche Sauberkeit", sagen sie. Die attestieren sie der Rolandmühle. Doch selbst dann gebe es keine hundertprozentige Garantie für die Sicherheit in solchen Betrieben, wo naturgemäß immer wieder Staub entsteht.

Der "zweitgrößte Schadensfall in der Geschichte der Bundesrepublik nach dem Brand in den Kölner Fordwerken", wie der Weser-Kurier schrieb, beschäftigte bald auch Versicherungsfachleute. Beim Neubau auf dem Gelände wird nach Angaben der Roland Mills United, wie das Unternehmen heute heißt, modernste Sicherheitstechnik verbaut.

Autorin

  • Patel Verena
    Verena Patel Redakteurin und Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Januar 2019, 19:30 Uhr

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