Interview

Pleiten verhindern? Bremens Kliniken sehen Lauterbach-Pläne skeptisch

Ein Pfleger schiebt einen Patienten im Krankenbett durch einen Flur
Künftig sollen Krankenhäuser auch für Betten bezahlt werden, die sie vorhalten, nicht nur für belegte Betten. Bild: Imago | photothek

Die Pläne für eine Krankenhausreform fallen bei Bremens Kliniken zum Großteil durch. Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, sagt, warum.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will Deutschlands Kliniken finanziell neu aufstellen. Ziel ist es, so argumentiert der Minister, zu verhindern, das Krankenhäuser insolvent gehen. Noch in diesem Sommer möchte Lauterbach daher mit den Ländern eine Krankenhausreform verabschieden. Die Vorschläge des Ministers reichten aber nicht aus, um das drohende Massensterben der Kliniken zu verhindern, sagt Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft.

Die Kliniken seien um Milliardenbeträge unterfinanziert, sagt Zimmer. Damit sie überleben könnten, müsse der Bund zunächst für einen Inflationsausgleich sorgen. Lauterbachs Reform ziele in ihrer derzeitigen Form jedoch nur darauf ab, die unzureichenden Mittel anders zu verteilen. buten un binnen hat mit Zimmer über den aktuellen Stand bei den Debatten um die Krankenhausreform und über die Lage im Land Bremen gesprochen.

Uwe Zimmer von der Bremer Krankenhausgesellschaft im Interview bei buten un binnen.
Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft: Uwe Zimmer. Bild: Radio Bremen

Herr Zimmer, Minister Lauterbach schlägt vor, dass die Kliniken zu 60 Prozent für Leistungen bezahlt werden, die sie vorhalten und nicht länger ausschließlich aus Fallpauschalen, also für Behandlungen. Die Krankenhäuser wären dann nicht mehr darauf angewiesen, möglichst viele Patienten zu behandeln, um kostendeckend zu arbeiten. Was halten Sie davon?

Die Idee ist grundsätzlich gut. Wir haben gerade in der Pandemie gemerkt, dass viele Patienten weggeblieben sind, oder dass die Krankenhäuser wegen personeller Ausfälle nicht so leistungsfähig wie üblich gewesen sind – und deshalb weniger Patienten behandeln konnten als sonst. Aber es gilt noch: Ohne Patient kein Geld. Das besagt die Abrechnung nach Fallpauschalen.

Das führt natürlich zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Krankenhäuser, wenn mal, beispielsweise eben infolge einer Pandemie, weniger Patienten kommen. Daher ist es gut, wenn künftig ein Teil der Vergütung unabhängig von den Patientenzahlen erfolgt und die Strukturen trotzdem weiter erhalten bleiben. Die Grundidee, "mehr Vorhalteorientierung, weniger Leistungsvergütung", ist richtig.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gibt ein Interview.
Muss die Länder erst noch von seiner Krankenhausreform überzeugen: Karl Lauterbach. Bild: Imago | Chris Emil Janßen

Aber können Bund und Länder auf diese Weise tatsächlich Krankenhaus-Pleiten verhindern?

Nicht, wenn es bei dem bleibt, was wir bisher aus dem Bundesgesundheitsministerium wissen. Das liegt einfach daran, dass uns bisher ein Inflationsausgleich fehlt. Wir hatten letztes Jahr prozentual gesehen zweistellige Zuwächse bei den Sachkosten und auch dieses Jahr deutlich höherer Zuwächse bei den Sachkosten, als in den Jahren zuvor. Die Inflation trifft eben auch die Krankenhäuser. Gleichzeitig sind die Preise für die Leistungen der Krankenhäuser gesetzlich gedeckelt. Dadurch entstehen deutliche Fehlbeträge.

Hinzu kommen jetzt noch die hohen Tarifabschlüsse bei den Ärzten sowie bei den übrigen Angestellten. Diese liegen prozentual gesehen in zweistelliger Höhe – was ja auch nachvollziehbar ist. Die Krankenhäuser bekommen aber im kommenden Jahr lediglich etwa 3,5 Prozent mehr Geld, während die Gehälter um etwa 12 Prozent steigen. Diese dauerhafte Finanzierungslücke muss dringend geschlossen werden.

Wir gehen für das Land Bremen von einer Deckungslücke bis Ende 2023, Anfang 2024 von rund 140 Millionen Euro aus, bundesweit von mindestens zehn Milliarden Euro. Dadurch droht vielen Kliniken das Aus.

Kann man sagen, welche Krankenhäuser im Land Bremen am stärksten von der Pleite bedroht sind?

Das betrifft alle Krankenhäuser. Nicht nur im Land Bremen, sondern bundesweit. Und diejenigen, die jetzt schon angeschlagen sind, die trifft es natürlich besonders hart. Wir brauchen jetzt den Inflationsausgleich! Andernfalls werden viele Krankenhäuser Insolvenz anmelden müssen, ehe die Reform überhaupt greifen kann.

Lauterbach möchte außerdem die Kliniken künftig bundesweit in drei Level unterteilen: in Grund- und Notfallversorger, in Regel- und Schwerpunktversorger sowie in Maximalversorger. Wie stehen die Krankenhäuser zu diesem Vorschlag?

Wir im Land Bremen halten von diesem Vorschlag gar nichts. Die Krankenhausplanung im Land Bremen ist sehr differenziert. Die Leistungsangebote unserer Krankenhäuser sind sehr transparent. Wir bieten zum Beispiel den Bremer Krankenhausspiegel an, in dem die Leistungsbereiche immer aktuell dargestellt werden, ebenso Qualitätsergebnisse. Interessierte Patienten und Angehörige können sich über den Krankenhausspiegel sehr gut informieren. Die drei Level ergäben hier gar keinen Sinn.

Trotzdem erscheint schwer vorstellbar, dass die drei Level nicht demnächst eingeführt werden…

Das sehe ich ganz anders. Es gibt eine Grundsatzerklärung der Länder. Sie sind mit 16 zu 0 Stimmen, unabhängig von den Parteien, die dort regieren, gegen den Vorschlag. Dazu muss man wissen: Die Krankenhausplanung ist laut Grundgesetz Ländersache. Da kann der Bund nicht einfach reinregieren. Das heißt: Herr Lauterbach braucht die Zustimmung des Bundesrats dafür. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich mit seinem Drei-Level-Modell durchsetzen wird.

Ein Bild von der Paracelsus-Klinik.
Klein, aber hochspezialisiert: Bremens Paracelsus-Klinik. Bild: Radio Bremen

Unabhängig von dem Drei-Level-Modell fordert Lauterbach auch eine stärkere Spezialisierung vieler Kliniken. An welchen Häusern im Land Bremen sehen Sie diesbezüglich Spielraum?

Es mag sein, dass es Regionen in Deutschland gibt, wo es in punkto Spezialisierung der Krankenhäuser tatsächlich Nachholbedarf gibt. Im Land Bremen aber ist diese Spezialisierung schon sehr weit fortgeschritten und sehr ausgeprägt.

Wir haben einen Mix aus großen, mittleren und kleinen Krankenhäusern. Am kleinsten sind die Paracelsus-Klinik und die Roland-Klinik, die aber beide in ihren Bereichen, in der Orthopädie, sehr wohl sehr spezialisiert sind. Und bei den mittleren Krankenhäusern, etwa beim Rotes-Kreuz-Krankenhaus oder beim Ameos-Klinikum in Bremerhaven sind in der Vergangenheit auch Spezialisierungen vorgenommen worden. So ist beim Rotes-Kreuz-Krankenhaus die Rheumatologie angesiedelt worden und bei Ameos am Bürgerpark die Urologie. Wie alle Krankenhäuser im Land Bremen decken diese Kliniken nicht nur den Bremer Bedarf, sondern auch den des Umlands mit ab – mit entsprechender Nachfrage. Ich sehe da keinen Grund für weitere Spezialisierungen oder zum Zusammenlegen von Standorten.

Das heißt natürlich nicht, dass man nicht doch einmal in Einzelfällen zu dem Ergebnis kommen kann: Wir sollten aus vier Abteilungen drei machen. Aber diese Diskussionen laufen bei uns auch ohne den Vorschlag von Herrn Lauterbach.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, zu der auch Sie, beziehungsweise die Bremer Krankenhausgesellschaft gehören, macht nicht nur den Bund für die finanzielle Schieflage der Krankenhäuser verantwortlich, sondern auch die Länder. Diese hätten über viele Jahre zu wenig in ihre Krankenhäuser investiert. Trifft das auch auf Bremen zu?

Ja. Das machen wir auch jedes Jahr, wenn das Investitionsprogramm veröffentlicht wird, deutlich. Wenn Bremen und die anderen Länder bedarfsgerecht in ihre Krankenhäuser investieren würden, dann hätten wir deutlich mehr Geld für unsere Betriebskosten übrig. Aus diesem Grund hat sich die Koalition 2019 ja auch vorgenommen, die Investitionen zu verdoppeln. Tatsächlich bekommen wir nun auch mehr Mittel durch besondere Förderungen zum Klimaschutz oder Strukturfonds, die der Bund aufgelegt hat, und an denen sich Bremen beteiligt. Das gilt aber leider nicht im gleichen Maßen für die regulären Haushaltsmittel. Da bewegen wir uns noch lange nicht auf dem Niveau, das eigentlich notwendig wäre.

Wie hoch ist der Investitionsstau bei den Krankenhäusern im Land Bremen insgesamt?

Das kann man nicht genau sagen. Aber wir sprechen hier sicherlich von einigen hundert Millionen Euro.

Klinik-Belegschaft demonstriert gegen Schließungspläne

Bild: Radio Bremen
  • Bremer Parlament streitet über Lauterbachs Krankenhausreform

    Drohen Bremen Klinikschließungen? Die Reformpläne des Gesundheitsministers waren Anlass für Debatten im Landesparlament.

  • Klinikverbund Geno reduziert Zahl der Betten in Bremen

    Die Geno will 500 Betten der bestehenden 2.000 abbauen. Hintergrund sind unter anderem Sparmaßnahmen, leerstehende Betten und die Krankenhausreform .

Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 6. Juni 2023, 19:30 Uhr