Interview
"Die Jacobs University ist noch nicht komplett in Bremen angekommen"
Wenig Platz, wenig Geld, aber immer mehr Studenten: Auf den neuen Präsidenten der privaten Jacobs-Uni, Antonio Loprieno, wartet ein wahrer Berg an Aufgaben.
Herr Loprieno, Sie sind jetzt seit dem 1. Dezember der neue Präsident der Jacobs University. Was sind denn erste Dinge, die Sie jetzt anpacken wollen?
Das primäre Ziel, mit dem wir uns jetzt zunächst einmal beschäftigen werden und auch müssen, ist eine Strategie. Das ist auch ganz klar das, was die Universität fordert. Und eine solche Strategie muss allumfassend sein. Das bedeutet, es geht von der Finanzierung über die Außenwirkung bis zum Lehrangebot. Wir müssen uns gemeinsam mit allen Beteiligten und Verantwortlichen einen klaren Weg schaffen, wo es mit der Jacobs University in diesen Hinsichten künftig hingehen soll. Denn die Uni hat ein enormes Potential. Bislang ist es aber noch nicht an allen Stellen gelungen, dieses vollends auszuschöpfen.
Heißt das, Sie sind mit dem bislang gegangenen Weg unzufrieden?
Keinesfalls. Aber man muss sich den bisherigen Werdegang der Jacobs University im Grunde in mehreren Phasen vorstellen. Ganz zu Beginn war die Phase der Gründung, es gab die Idee, die Infrastrukturen wurden geschaffen, die Sponsoren gefunden, das Fundament gebaut. Und was dann folgte war die Phase der Konsolidierung. Zweifellos keine leichte Phase für die Universität, denn so richtig und wichtig der Umgang mit den Finanzierungsfragen und die erhaltenen Finanzspritzen waren, so schmerzhaft waren sie auch. Das hat die Universität und ihre Außenwirkung über Jahre belastet. Und man kann nicht kategorisch ausschließen, dass die Universität nicht auch nochmal eine Finanzspritze benötigen wird. Dennoch glaube ich, dass das künftig immer weniger eine Rolle spielen wird. Und ich möchte sagen, dass ich gedenke, eine dritte Phase anzustoßen: die Phase der Fortentwicklung. Dazu gehört ganz klar die Erweiterung des Lehrangebots und auch eine stärkere Verzahnung der Universität mit ihrem Standort, mit Bremen.
Also ist die Jacobs University Ihres Erachtens noch nicht hundertprozentig mit Bremen "verzahnt"?
Ich glaube, die Jacobs University ist noch nicht komplett in Bremen angekommen. Das heißt also im Stadtbild, in der Außendarstellung Bremens, auch in den Köpfen der Bremer. Dabei weiß ich aus meiner bisherigen Erfahrung, dass eine Universität mit einem Anspruch wie die Jacobs University global dann am erfolgreichsten ist, wenn sie auch lokal auf starken Füßen steht. Soll heißen den Rückhalt der Stadt und auch der Bürger genießt und alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzt, sich zu vernetzen. Auch das gilt es zu perfektionieren.
Das Thema Finanzen haben Sie gerade schon angesprochen: Die Jacobs Uni hatte de facto in der Vergangenheit finanzielle Probleme, die Stadt musste sie wiederholt bezuschussen oder für sie bürgen. Wie planen Sie, diese Probleme zu beseitigen?
Im Prinzip gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, den Kosten entgegenzukommen. Die eine ist ein Zurückfahren und Verringern des Lehrangebots. Das kann aber langfristig nicht die Antwort sein. Vielmehr ist die Antwort Wachstum. Gelder, die für die Universität in die Hand genommen werden, sollten mehr als Investitionen denn als Kosten betrachtet werden. Wenn man der bisherigen staatlichen Förderung gegenrechnet, wie sehr das Land Bremen von der Jacobs University profitiert, dann ist das unterm Strich durchaus positiv zu bewerten. Je besser die Universität funktioniert, desto größer ist im Endeffekt dieser Gewinn für Bremen. Dass wir auf dem Weg dorthin sind, sieht man allein an den Studierendenzahlen. Es wollen in diesem Semester so viele junge Menschen ihr Studium bei uns absolvieren wie nie zuvor. Das bedeutet einen Zugewinn in der Forschung, in der Internationalität, bei den renommierten Absolventen für Bremen. Zumal, ich habe es schon angesprochen, ist es in der Phase der Konsolidierung unter meinem Vorgänger Michael Hülsmann gelungen, das Minus immer kleiner werden zu lassen. Diesen Trend werden wir mit allen Mitteln aufrecht erhalten.
Stichwort Studierende: Die Uni kann mit ihrem eigenen Wachstum nicht ganz Schritt halten, auf dem Campus selbst gibt es nicht genug Wohnmöglichkeiten für alle. Wie wird diese Problematik angegangen?
Daran arbeiten wir bereits auf Hochtouren. Wir wollen schon zum Ende des Jahres die Wohnmöglichkeiten der Uni erweitert haben. Das geschieht zunächst einmal mit dem Umbau bereits vorhandener Verwaltungsgebäude. Dadurch können wir den Studenten um einiges mehr an Betten anbieten. Längerfristig wird es der Bau von einem neuen College sein, der in dieser Hinsicht Abhilfe schafft, also ein ganz neues Wohngebäude. Um das Wo, Wann und Wie zu beantworten, dafür ist es jetzt allerdings noch zu früh.
Ihr Lebensmittelpunkt ist eigentlich Basel, jetzt sind sie Präsident einer Universität in Bremen. Wie funktioniert das und wieso diese Entscheidung?
Das war eine Frage die mir auch meine Frau gestellt hat. Als ich mich auf die Stelle beworben habe, hat sie auch gesagt: "Du bist doch verrückt, du bist viel zu alt dafür." Aber ich schätze, mich reizt einfach die Herausforderung. Ich habe etwas wie einen kleinen Virus in mir, der mir sagt, dass ich noch mehr lernen will. Das kann ich in Bremen an der Jacobs University tun. Und ich habe als Aufsichtsratsmitglied sehr genau verfolgen können, was für eine einzigartige Position die Jacobs University im europäischen Hochschulmarkt einnimmt. Jedenfalls habe ich mir hier jetzt zunächst mal eine Wohnung besorgt, und ich werde künftig drei bis vier Tage pro Woche in Bremen sein. Und da freue ich mich auch drauf, denn ich finde Bremen ganz hervorragend.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. Dezember 2019, 19:30 Uhr