Interview
Bremer Arbeitsmedizinerin: Nachtarbeit kann Lebenserwartung verkürzen
Auch im Land Bremen müssen viele Menschen nachts arbeiten. Auf lange Sicht kann das ernsthafte Folgen für die Gesundheit der Beschäftigten haben.
Nicht jede Arbeit lässt sich klassisch von neun bis 17 Uhr erledigen. Auch in vielen Branchen in Bremen und Bremerhaven wird rund um die Uhr und damit auch nachts gearbeitet. Für den Körper und seinen Schlaf-Wach-Rhythmus bedeutet das eine 180-Grad-Wende, die für die Gesundheit auf lange Sicht ernsthafte Folgen haben kann, wie Arbeitsmedizinerin und Radio Bremen-Betriebsärztin Kirsten Neuhof-Effenberger erklärt.
Warum ist Nachtarbeit für den Körper belastend?
Das Problem ist, dass der Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinander kommt. Das verursacht viele verschiedene Probleme: In erster Linie sind das Schlafstörungen, aber auch Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt oder im sozialen Umfeld kommen vor. Es gibt noch viele weitere, aber das sind die Punkte, die sehr häufig geschildert werden.
Ist Nachtarbeit im akuten Moment belastend oder kann es auch langfristig Auswirkungen haben, zum Beispiel auf die Lebenserwartung?
Ja, es ist natürlich im akuten Moment eine große Belastung. Es gibt auch Studien, die sagen, dass es in vielen Bereichen die Krankheitsquote erhöht – also, dass Menschen zum Beispiel eher Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Angststörungen, Diabetes und solche Erankungen bekommen. Auch die Lebenserwartung kann verkürzt sein.
Wichtig ist, dass man nicht zu viele Nächte am Stück arbeitet.
Arbeitsmedizinerin Kirsten Neuhof-Effenberger
Was empfehlen Sie Menschen, die in Nachtschichten arbeiten müssen und keine andere Wahl haben?
Wichtig ist, dass man, wenn man dann zum Schlafen kommt, optimale Bedinungen hat: Also, dass es dunkel ist, man nicht gestört wird, man vorher möglichst keinen Kaffee mehr trinkt, der einen aufputscht, man keine schweren Mahlzeiten zu sich nimmt. Sport sollte man auch nicht direkt vorm Schlafen machen: Mit dem Fahrrad zur Arbeit ist sonst eine super Idee, aber nach der Nachtschicht nach Hause zu radeln ist keine so gute Idee. Letztlich muss jeder natürlich schauen, was überhaupt machbar ist.
Können die Betriebe auch etwas tun, um es ihren Nachtarbeitenden leichter zu machen?
Wichtig ist, dass man nicht zu viele Nächte am Stück arbeitet. Einzelne Nächte sind immer besser als mehrere, zwei sind okay, drei gehen noch, mehr sollten es aber wirklich nicht sein. Und wenn es irgendwie geht, sollten Unternehmen ihre Mitarbeitenden mit in die Planung einbeziehen. Das ist in der gesamten Arbeitsmedizin wichtig.
Wem würden Sie von Nachtarbeit denn grundsätzlich abraten?
Es gibt natürlich Gruppen, die dürfen nachts nicht arbeiten – oder nur unter bestimmten Voraussetzungen. Das sind zum Beispiel Schwangere oder Jugendliche. Außerdem gibt es gewisse Erkrankungen, da sagt man, das ist nicht gut oder sie dürfen es auch nicht – zum Beispiel mit gewissen Stoffwechselerkrankungen oder jemand mit einem Blutdruck hat, der nicht unter Kontrolle zu bekommen ist. Das muss man individuell beurteilen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. April 2023, 19:30 Uhr