Interview
Was kann sich Bremen noch leisten? Senat vor schweren Verhandlungen
Der Bremer Senat muss einen Haushalt aufstellen. Doch nach dem Aus des Bundes-Klimafonds ist unklar, wie viel Geld vorhanden ist. Ökonom Rudolf Hickel erklärt, was das heißt.
Das Bundesverfassungsgericht hat den zweiten Nachtragshaushalt von 2021 für verfassungswidrig erklärt. Damit fehlen dem Bund 60 Milliarden Euro, die die Ampel aus Corona-Notkrediten in einen Klima- und Transformationsfonds überführen wollte. Die Folgen lassen sich derzeit kaum überblicken. Fest steht nur: Sie sind weitreichend, auch für Bremen.
Zwar wird der Bremer Senat am 28. November Haushaltsberatungen aufnehmen. Um aber einen Haushalt auch nur in groben Zügen aufzustellen, fehlen den Senatorinnen und Senatoren nach dem Verfassungsgerichtsurteil maßgebliche Zahlen. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel erklärt, worum es daher nun voraussichtlich zunächst im Senat gehen wird.
Herr Hickel, der Bremer Senat wird am Dienstag in die Haushaltsberatungen einsteigen. Doch das dürfte nun schwierig werden. Was glauben Sie: Worüber werden die Senatorinnen und Senatoren sprechen?
Das entscheidende Thema wird sein: Welche Auswirkungen hat das Bundesverfassungsgerichtsurteil auf den Nachtragshaushalt 2023 des Bremer Senats, vor allem auf den Klimafonds? Dabei geht es um 2,5 Milliarden Euro, die bis 2027 für die Finanzierung gut begründeter ökologischer Umbauprojekte eingesetzt werden sollen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss man davon ausgehen, dass die Verfassungskonformität dieses Klimafonds intensiv überprüft werden wird.
Das Zweite ist: Bremen wird auf unterschiedlichen Ebenen durch den Ausgabenstopp aus dem Klima- und Transformationsfonds sowie dem Wirtschaftsstabilisierungfonds belastet werden. Unsicher ist die Milliarde für den Bremer Standort Arcelor Mittal. Würde der Umbau vom fossilen zum Green Steel nicht durchgesetzt werden, dann wäre der Stahlstandort in Bremen mit seinen Arbeitsplätzen nicht zu halten. Betroffen ist die Bremische Wirtschaft auch durch Finanzzuweisungen für Programme etwa zum Umbau des Verkehrssystems sowie zum Ausbau der Wasserstoffstrategie.
Betrifft das Urteil die Bremer Bürgerinnen und Bürger auch unmittelbar?
Ja, am Ende sind alle Bürgerinnen und Bürger betroffen. Ein Beispiel ist die ab dem kommenden Jahr beendete Strompreis- und Gaspreisbremse. Auch der Strompreis wird steigen, wenn im Jahr 2024 die durch den Bund übernommenen Netzentgelte entfallen. Sie machen etwa ein Viertel der Stromkosten aus.
Und nicht nur das. Was bisher in der Debatte meist übersehen worden ist: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau stoppt vier Programme, die dann auch in Bremen nicht mehr verfügbar sind. Es geht etwa um die Programme "altersgerecht Umbauen" und "energetische Stadtsanierung" sowie um das Härtefallprogramm für Wohnungsunternehmen gegen gestiegene Energiekosten.
Sie haben bereits die Klage der CDU Bremen gegen den 2,5-Milliarden-Klimafonds des Senats angesprochen. Ist nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil nicht sehr wahrscheinlich, dass der Staatsgerichtshof den Bremer Klimafonds kippen wird?
Die Gefahr, dass das Karlsruher Urteil als Schablone herangezogen wird, ist groß. Dabei gibt es gute Gründe, weswegen der Staatsgerichtshof über Bremens Klimafonds anders urteilen könnte. Der Bund hatte das Umbuchen von 60 Milliarden Euro aus den Corona-Notkrediten in den Klima- und Transformationsfonds sehr unpräzise begründet: Die Wirtschaft sei infolge der Corona-Krise geschwächt und es müsse mit öffentlichen Investitionen gegengesteuert werden.
Bremen hat die Kreditfinanzierung seines Klimafonds aus meiner Sicht sehr gut begründet. Im Zentrum steht die Klimanotlage als "außerordentlichen Notlage" nach Artikel 115 Grundgesetz. Wird auf den ökologischen Umbau verzichtet, dann sind die Klimaschäden riesig, am Ende nicht mehr beherrschbar. Die Kreditfinanzierung ist für künftige Generationen viel billiger als ökologischer Stillstand. All dies spricht für den Klimafonds. Das Bundesverfassungsgericht sollte ergänzend klarstellen: kreditfinanzierte Investitionen gegen den Klimanotstand sind verfassungskonform. Das hätte positive Folgen für die richterliche Entscheidung in Bremen.
Zumal das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr 2021 genau für diesen Fall – Klimapolitik als Zukunftsvorsorge – ein Urteil gefällt hat, indem es mit der Generationengerechtigkeit argumentiert. Darin heißt es sinngemäß: Wer heute zu wenig tut, um CO2 abzubauen und damit künftige Generationen in ihren Freiheitsrechten durch die Klimakatastrophe einschränkt, der verstößt gegen die Verfassung.
Das Argument der Generationengerechtigkeit wird von allen Seiten gern verwendet. Auch die Schuldenbremse ist damit von Anfang an immer wieder begründet worden: Man dürfe künftigen Generationen keinen Schuldenberg überlassen…
Stimmt. Als die Schuldenbremse eingeführt wurde, war das das vorherrschende Argument, und die Grünen in Bremen haben vor allem so argumentiert: Schulden von heute seien die Erblast künftiger Generationen, die man heute nicht hochtreiben dürfe. Welch ein kurzsichtiger Populismus. Wenn nichts getan wird, dann wird eine kaputte Umwelt mit belasteten Lebensverhältnisse vererbt. Und das ist gegenüber nachfolgenden Generationen unverantwortlich.
Die Klimakrise zwingt uns, heute Weichen für künftige Generationen zu stellen. Mit einem ökologischen Verkehrssystem, dem energetischen Umbau in Richtung sanfter Energie können wir einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Davon würden künftige Generationen profitieren. Dagegen wirkt die Schuldenbremse wie eine unverantwortliche Zukunftsbremse. Hinzu kommt: eine moderne, nachhaltige Wirtschaft schafft Wohlstand, aus dem die Zinsen und die Tilgung der heutigen Kredite für Investitionen auch bezahlt werden können.
Angenommen der Staatsgerichtshof urteilt trotzdem, dass Bremens Nachtragshaushalt 2023 verfassungswidrig ist. Was wären die Folgen für Bremen?
Das wäre der Super-Gau. Wenn man den Klimafonds ersatzlos streicht, dann muss Bremen aus dem Prozess des ökologischen Umbaus aussteigen. Das wäre eine Katastrophe auch für die Wirtschaft in Bremen: Hier haben sich viele Unternehmen darauf eingestellt, mit neuen Geschäftsmodellen den ökologischen Umbau voranzutreiben. Das gilt auch für die Stahlwerke, die grünen Stahl produzieren wollen. Fällt die Umbaufinanzierung weg, verschwinden wichtige Produktionsbereiche.
Klar ist auch: Über Steuererhöhungen könnte man die durch den gestrichenen Klimafonds fehlenden Finanzmittel nicht aufbringen. Dazu müsste man die Wirtschaft und die Menschen mit mehr Steuern belasten. Das wäre kontraproduktiv. Bleiben die öffentlichen Ausgaben. Es ist unseriös, den Eindruck zu erwecken, mit einer Politik der Ausgabenkürzungen ließe sich genügend Geld für die Klimainvestitionen mobilisieren. 2,5 Milliarden Euro über Ausgabenkürzungen zu finanzieren, das würde den Stadtstaat ruinieren.
Bliebe die Möglichkeit, ein anderes Finanzierungsinstrument zu suchen. Das hat die CDU im Bürgerschaftswahlkampf gemacht. Sie hat eine Klimaanleihe mit 1,5 Milliarden Euro vorgeschlagen, die über die Bremer Aufbaubank abgewickelt werden soll und die die Bürger auch ohne Wertpapierdepot kaufen sollen. Es gibt viele Argumente gegen die Machbarkeit. Am Ende ist das Ziel, die öffentlichen Haushalte von der Haftung über Schulden freizuhalten, nicht einhaltbar. Denn die Anleihe hat einen Haken. Sie suggeriert, dass der Staat kein Risiko trage. Aber wenn die Anleihe nicht funktionieren sollte und sie abgewickelt wird über die Bremer Aufbaubank, die Eigentum des Landes Bremen ist, dann trägt letztlich eben doch der Staat das Risiko.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. November 2023, 19:30 Uhr