Interview

Hansewasser-Chef zu Starkregen: Darauf ist kein Kanalsystem ausgelegt

Starkregen in Bremen: "Kein Kanalsystem ist darauf ausgelegt"

Bild: dpa | rtn

Diese Extremereignisse werden immer häufiger, sagt der Chef des Bremer Abwasserunternehmens. "Wir spüren den Klimawandel, aber wir können auch darauf reagieren."

Rund 2.300 Kilometer ist das Kanalnetz in Bremen lang. Und doch reicht es nicht immer, um nach Starkregen-Ereignissen alles an Wasser aufzufangen. Florian Franz, technischer Geschäftsführer bei Hansewasser, erklärt, wie Bremen mit dem vielen Regen und Abwasser umgeht – und wo das System an Grenzen stößt.

Herr Franz, warum reicht es offenbar nicht, um all das Regenwasser aufzufangen?

Unser Kanalnetz ist tatsächlich so groß und so lang. Und unsere Kanäle sind ausreichend bemessen. Wir haben aber gestern Nacht in Bremen ein Starkregen-Ereignis gehabt – und zwar ein extremes Starkregen-Ereignis. Und darauf ist kein Kanalsystem der Welt ausgelegt, oder zumindest in Deutschland nicht, um diese Wassermengen ordentlich abzuführen.

Was passiert, wenn so ein Starkregen fällt? Was sind da im Untergrund für Mechanismen am Werk?

Das sind ganz viele Mechanismen am Werk. Wir haben ein relativ automatisiertes System, aber wir haben weiterhin immer zwei Kolleginnen, die in der Leitwarte sitzen und diese ganzen Wassermengen, die da auch auf Bremen einprasseln, lenken und steuern. Sie müssen sich das so vorstellen: Wir hatten ein flächendeckendes Ereignis. In Bremen-Nord hatten wir kaum Regen, aber in der Neustadt et cetera sehr viel. Und unsere Kolleginnen können dann die Wassermengen unterirdisch in den Kanälen steuern.

Und zwar dahin, wo noch Platz ist. Wir haben ein Beckenvolumen von hunderttausend Kubikmetern, wo wir Wasser parken können. Wir haben Kanäle, die haben ein Speichervolumen von 180.000 Kubikmetern. Und dann schieben wir das Abwasser, also im Wesentlichen das Regenwasser mit ein bisschen Abwasser, dann in Bremen dahin, wo wir es parken können.

Aber irgendwann ist die Kapazität zu Ende. Wir haben ja ein hundertjähriges Ereignis gehabt, und das kann kein Kanal schaffen. Und dann tritt es auch aus.

Abwasser und Regenwasser sind normalerweise voneinander getrennt. Lässt sich das bei so einem Ereignis aufrechterhalten?

Ja, wir haben ein Trennsystem in allen Neubaugebieten. In Bremen trennen wir Regenwasser und Fäkalwasser. Wir haben aber die ganze Altstadt – und die hat ein Mischwassersystem. Und in diesen Mischwassersystem, da laufen automatisch Oberflächen- und Fäkal-Abwasser zusammen. Wenn es so stark regnet, haben wir zwar kaum Fäkalien, also das ist im Wesentlichen unbelastetes Regenwasser. Wenn das mal überläuft, dann läuft aber auch mal ein Prozent Fäkalabwasser in die Weser.

Das ist aber zu vernachlässigen?

Das ist zu vernachlässigen. Das wird gemeldet. Und das ist auch mit der Umweltbehörde abgestimmt. Das ist normal. Das hatten wir ja auch in Paris übrigens mit der Seine.

Reicht die Infrastruktur in Bremen aus oder müssen Sie nachbessern?

Was uns alle bewegt, ist der Klimawandel. Wir merken ja, diese Nachrichten werden immer mehr. Wir haben immer öfter diese extremen Ereignisse, die wir in der Vergangenheit nicht so hatten. Wir spüren den Klimawandel, aber wir können auch darauf reagieren. Ein Thema ist die Schwammstadt. Das bedeutet, dass man eine klimasensible Stadtentwicklung vorantreibt, um Regenwasser zu speichern, es versickern zu lassen, es aufzufangen und eben nicht gleich in den Kanal zu leiten. Denn das Regenwasser hat ja auch einen Wert. Das ist ja eigentlich gutes Wasser, was wir wiederverwenden wollen.

Vollgelaufene Keller und geflutete Straßen nach Starkregen in Bremen

Bild: Radio Bremen

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Autor

  • Felix Krömer
    Felix Krömer

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. September 2024, 19:30 Uhr