Wie das Finanzamt Bremer Eigentümer gängelt

Blick über die Häuser im Stadtteil Findorff und den Bremer Fernmeldeturm. (Archivbild)
Pro Grundstücksgemeinschaft gibt es in Bremen nur einen Steuerbescheid. Pech für den, den das Finanzamt auswählt, Glück für die anderen Eigentümer? Bild: dpa | Sina Schuldt

Um Steuern zu zahlen, meldet sich ein Bremer von sich aus beim Finanzamt. Doch das will sein Geld nicht. Es holt sich die Steuern von einem anderen. Ein Fall mit Methode.

Adam Müller (Name von der Redaktion geändert) möchte gern die Grundsteuer für seinen Parkplatz in der Tiefgarage bezahlen. Zusammen mit einer Eigentumswohnung hat er den Stellplatz gerade, zu Beginn des Jahres 2022, gekauft. Es handelt sich um einen von vier Plätzen in einem so genannten „Doppelparker“. Das ist eine platzsparende Konstruktion mit Hebebühne, die vier Fahrzeugen von vier Eigentümern auf zwei Etagen Platz bietet.  

Müller wünscht es sich so sehr, die Grundsteuer für den Stellplatz zu bezahlen, dass er deswegen sogar von sich aus beim Finanzamt Bremen anruft. Er möchte wissen, wann er den Steuerbescheid zum Parkplatz erhält. Die Antwort des Finanzbeamten irritiert den Juristen: Er müsse sich wegen der Stellplatz-Grundsteuer keine Gedanken machen. Jemand anderes habe sie bereits bezahlt.  

Eine gute Nachricht, könnte man meinen. Doch Müller lässt die Auskunft keine Ruhe. Wieso bezahlt ein anderer für ihn Steuern? Wer macht so etwas? Müller hakt beim Finanzamt nach – und bekommt erneut eine Antwort, mit der er nicht gerechnet hat: Das Finanzamt, so der Beamte, müsse nur einem der vier Eigentümer, die sich den "Doppelparker" teilen, einen Steuerbescheid schicken. Und dieser eine stehe folglich in der Pflicht, die Steuer für alle vier zu bezahlen. Ob er sich die Anteile daran von den anderen Eigentümern wiederhole, sei dem Finanzamt egal.

Keine Auskunft wegen Datenschutz

Autos stehen auf Hebebühnen in einer sogenannten Doppelparker-Tiefgarage
Doppelparker wie dieser ermöglichen es, platzsparend viele Autos in Garagen unterzubringen. Bild: dpa | Frank Hoermann /Sven Simon

Müller kann es nicht glauben. Er möchte nicht, dass andere für ihn Steuern zahlen. Daher bittet er den Finanzbeamten, ihm den Namen und die Kontaktdaten desjenigen Parkplatz-Eigentümers zu nennen, der für ihn – und womöglich auch für zwei weitere Eigentümer – die Stellplatz-Grundsteuer beglichen hat. Doch das Finanzamt möchte Müller den Namen des Steuerzahlers nicht nennen. Das verbiete sich aus Gründen des Datenschutzes, so die Erklärung.

Müller steht vor einem Dilemma: Zwar kann er in seinem Grundbuch ablesen, wer die Eigentümer der anderen drei Stellplätze waren, als er seinen Parkplatz gekauft hat. Die Adressen dieser Personen aber erfährt er nicht aus dem Grundbuch. Auch müsste er sich für seine Recherchen einen neuen Grundbuch-Auszug kaufen. Denn die aktuellen Eigentümer der Stellplätze könnten andere sein als zu dem Zeitpunkt, zu dem er sich den Parkplatz gekauft hat.  

Vom vorherigen Eigentümer seines Parkplatzes erfährt Müller, dass das Finanzamt auch früher schon die Steuerbescheide an lediglich einen der vier Stellplatz Eigentümer geschickt habe. Der damalige Empfänger, der seinen Parkplatz inzwischen verkauft hat, habe die Steuern dann einfach zähneknirschend für alle bezahlt. Es wäre ihm zu aufwändig gewesen, die Kontaktdaten der anderen Eigentümer zu ermitteln, um diese in der Folge darum zu bitten, ihren Anteil an der "Gemeinschaftssteuer" zu begleichen. Dazu muss man wissen: Die Grundsteuern für Parkplätze sind überschaubar. Es geht im Regelfall um Summen von jährlich 60 oder 70 Euro pro Stellplatz.

Steuereintreiber wider Willen?

Das Finanzamt in Bremen.
"Unverschämt": Adam Müller ärgert sich über das Verhalten des Finanzamts Bremen. Bild: Joachim Kohler/wikipedia

Dennoch würde es Müller dem neuen "Glückspilz", dem das Finanzamt den Steuerbescheid über die Parkplätze schickt, gern ersparen, wahlweise viermal so viel Stellplatz-Grundsteuern zu zahlen, wie eigentlich nötig, oder irgendwie die Kontaktdaten der anderen Eigentümer zu ermitteln und dann die Anteile jedes einzelnen einzutreiben. Das könne nicht die Aufgabe eines Steuerzahlers sein, sondern sei Sache des Finanzamts, findet er.

Ich finde das Verhalten des Finanzamts unverschämt.

Parkplatz-Eigentümer Adam Müller

Wie viele vergleichbare Fälle mit „Doppelparkern“ es in Bremen gibt – dazu liegen nach Auskunft beider Behördensprecher weder dem Bremer Bau- und Verkehrs- noch dem Finanzressort Zahlen vor. Zu der Frage, weshalb das Finanzamt Bremen nicht allen vier Stellplatz-Eigentümern, sondern lediglich einem die Grundsteuerbescheide schickt, teilt Matthias Makosch aus dem Finanzressort mit, dass es sich bei dem Doppelparker offenbar um eine Grundstücksgemeinschaft handele.

"Bei einer Grundstücksgemeinschaft wendet sich das Finanzamt an nur eine Partei, die dann unter anderem die Bescheide entgegennimmt und für die Bezahlung sorgt", erklärt er das generelle Vorgehen des Amts. Entweder benenne die Grundstücksgemeinschaft selbst einen Vertreter für das Finanzamt. Oder das Amt suche sich einen Vertreter aus. Nach welchen Kriterien die Finanzbeamten den Vertreter auswählen, sagt Makosch nicht. Er fügt aber hinzu, dass das Amt nicht nur bei der Grundsteuer so vorgehe, sondern bei allen steuerlichen Verfahren, die Grundstücksgemeinschaften beträfen.

Rechtlich sauber und doch zweifelhaft

Der Bremer Rechtsanwalt Dirk Weitze-Scholl, Honorarprofessor für Steuerrecht an der Uni Bremen, bestätigt, dass sich das Finanzamt rein rechtlich gesehen damit korrekt verhält. Es liege im Ermessen des Amts, ob es jedem einzelnen Eigentümer einen Steuerbescheid zukommen lasse oder sich einen Eigentümer dafür auswählt. Er sagt aber auch: "Natürlich muss das Finanzamt das nicht so machen – und sollte es auch nicht."

Sinnvoller wäre, wenn die Finanzbeamten ihren Ermessensspielraum genau andersherum auslegten und jedem Eigentümer der Grundstücksgemeinschaft einen eigenen Steuerbescheid über seinen persönlichen Anteil an der Grundsteuer schickten. "Zumal ja der eine Eigentümer die anderen gar nicht unbedingt kennt, geschweige denn ihre Adressen", fügt Weitze-Scholl hinzu. Fälle wie jener Adam Müllers seien für den Normalbürger nicht nachzuvollziehen. Sie schadeten dem Ansehen der Finanzverwaltung und damit des Staats. Womöglich bringe das Finanzamt Bremen auf diese Weise zudem ohne Not Eigentümer gegeneinander auf.

Apropos Adam Müller. Wie es mit seiner Stellplatz-Grundsteuer weitergeht, ist ungewiss. Auch für das Jahr 2023 hat er die Steuer nicht selbst bezahlt, obwohl er es gern getan hätte – sondern ein Unbekannter. "Kann schon sein, dass das jetzt immer so weiter geht", blickt er in die Zukunft.

Immobilien-Meldung für Grundsteuer: Darum hängt Bremen hinterher

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.