Fragen & Antworten
Wie es zum Frühchen-Tod im Klinikum Bremen-Mitte kommen konnte
Am Klinikum Bremen-Mitte starben 2011 drei Frühchen an multiresistenten Keimen. Wie es dazu kam, sollte ein Ausschuss zeigen. Vor zehn Jahren wurden die Ergebnisse vorgelegt.
Nachdem 2011 drei Frühchen am Klinikum Bremen-Mitte starben, sollte ein Untersuchungsausschuss klären, wie es soweit kommen konnte. Aus dem Bericht ergaben sich vielfältige Mängel auf der neonatologischen Intensivstation an der Sankt-Jürgen-Straße.
Was versteht man unter dem Hygiene-Skandal im Krankenhaus Bremen-Mitte?
Der sogenannte Frühchen- oder Hygiene-Skandal am Klinikum Bremen-Mitte machte bundesweit Schlagzeilen. Innerhalb weniger Monate starben drei Frühchen an einem multiresistenten Darmkeim. Um die Hintergründe der tragischen Tode genau zu beleuchten, bildete die Bremische Bürgerschaft den Unterschungsausschuss "Krankenhauskeime". Der über 600-seitige Abschlussbericht wurde vor zehn Jahren am 29. November veröffentlicht.
Was ist damals genau passiert?
Schon gut drei Monate bevor das erste Frühchen am 8. August 2011 starb, wurde ein Darmkeim auf der Frühchen-Intensivstation gefunden. Dieser multiresistente Keim ist besonders für Frühchen gefährlich, da ihr Immunsystem noch nicht voll ausgebildet ist und sie ohne medizinische Unterstützung oft nicht überleben. Zwei weitere Frühchen starben im Oktober.
Insgesamt wurde der gefährliche Keim bei 23 Babys festgestellt. Neun von ihnen waren schwer infiziert, drei starben. So sagte es Diethelm Hansen, damaliger Chef des kommunalen Klinikverbundes im November 2011. Trotz besonderer Hygiene-Maßnahmen blieb die Ursache des Keims unbekannt. Das Hygiene-Problem wurde zunächst vertraulich behandelt, Meldeketten an das Gesundheitsamt und die Behörde nicht eingehalten. Erst nachdem das zweite Kind starb, kam es zu einem Aufnahme-Stopp auf der Intensivstation.
Was stand im 615-seitigen Abschlussbericht?
Kurz: Eine vollständige Aufklärung der Infektionswelle 2011 war nicht möglich, so der Bericht. Jedoch fiel im Zuge der Untersuchungen auf, dass der gefährliche Keim bereits 2005 bei mehreren frühgeborenen Kindern nachgewiesen wurde, auch 2009 lief mit der Hygiene nicht alles rund.
Es gab Hygienemängel, Mängel in der Organisation, Mängel bei den Kontrollen und Mängel in der Reinigung. Es gab aber nicht die eine Ursache, eine Person oder ein Gerät. Das haben wir nicht gefunden.
Antje Grotheer (SPD), damalige Ausschussvorsitzende
Während des Ausbruchsgeschehens gab es "erhebliche Mängel im Hygienemanagement", auch war der Krankenhaushygieniker nicht ausreichend qualifiziert. Auch die Dokumentation war "unzureichend", das führte unter anderem dazu, dass der Ausbruch zu spät erkannt und reagiert wurde. Des Weiteren gab es zu wenig Personal.
Welche personellen Konsequenzen wurden gezogen?
Chefarzt Hans-Iko Huppertz wurde im November entlassen, da er laut Geno-Chef Diethelm Hansen als zuständiger Chefarzt die Verantwortung trage. Nach gut zehneinhalb Monaten kehrte Huppertz jedoch an seinen Arbeitsplatz zurück. Das Arbeitsgericht entschied damals, dass er unrechtmäßig entlassen worden war. Auch der Vorwurf der Bremer Staatsanwaltschaft der dreifachen fahrlässigen Tötung wurde fallen gelassen. Huppertz wurde 2013 freigesprochen.
Der damalige Geno-Geschäftsführer Diethelm Hansen, der harte Sparmaßnahmen bei der Geno durchführte, wurde Anfang erst 2012 freigestellt, genau wie der Hygienebeauftragte Axel Kappler. Hansen ist als Professor für Gesundheitsökonomie in Berlin tätig, zwischenzeitlich war er auch als "Geschäftsführer des Klinikums Region Hannover" tätig.
Axel Kappler arbeitet aktuell wieder bei der Geno als stellvertretender Institutsdirektor für Allgemeine Hygiene, Krankenhaushygiene und Umwelthygiene. Die Leitung übernahm Martin Eikenberg.
Welche Konsequenzen gab es auf politischer Ebene?
Politisch in der Verantwortung stand damals SPD-Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper, ebenfalls Aufsichtsratsvorsitzende der "Gesundheit Nord". Sie selbst wurde erst im November, Tage nach dem Tod des dritten Frühchen, informiert. Die Untersuchungen konnten ihr nicht nachweisen, auf Hinweise nicht ausreichend reagiert zu haben.
Es wurde allerdings betont, dass der Klinikverbund "vordringlich wirtschaftliche Ziele" verfolge. Jürgens-Pieper wies jede Schuld von sich, sie habe ihrer Aussage nach, stringent und zügig gehandelt.
Was empfahl der Abschlussbericht?
Mehr Personal: Bei der Personalplanung sollte sich an den Maximalbelegung der Station orientiert werden. Gleichzeitig sollten mehr Mitarbeiter eine Fachausbildung im Hygienebereich bekommen.
Höhere Hygienestandards: Dabei sollten nicht nur die Hygienepläne in Bremen-Mitte überprüft werden, sondern bei allen Krankenhäusern in Land. Ein neuer Krankenhaushygieniker wurde eingestellt. Er soll Mitarbeiter anleiten und Mängel melden.
Reinigungsmanagement: Dieses soll regelmäßig extern überprüft werden.
Gesundheitsamt: Das Amt soll die Bremer Krankenhäuser regelmäßig prüfen und Informationswege überprüfen.
Senat: Die Landesregierung soll eine ausreichende Klinikfinanzierung sichern.
Fehlendes Personal, fehlende Hygiene, fehlende Kontrollinstanzen: Was ist seit dem im Klinikum Bremen-Mitte passiert?
Martin Eikenberg, Leiter des Hygiene-Instituts am Klinikum-Bremen fasst die Konsequenzen so zusammen: Die Krankenhaushygiene wurde verändert, es gibt nun ausgebildete Hygieneärzte und auch weitergebildete Hygienefachkräfte.
Keimfunde werden schneller erfasst und anders bewertet, sodass bei Häufungen solcher Funde schnell reagiert werden kann. Auch nicht angekündigte Kontrollen des Personals gibt es, so Eikenberg.
Doch eine Erkenntnis bleibt: Multiresistente Keime können vorkommen – auch auf der Baby-Intensivstation, so der leitende Arzt am Klinikum Mitte, Thorsten Körner. Man müsse aber dafür sorgen, die Übertragung zu verhindern. An dem neueröffneten Standort in Bremen-Mitte funktioniere das besser, sagt Körner: "Die letzten zehn Jahre geben uns recht: Es gab keinen einzigen Ausbruch in der Zeit."
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 29. November 2022, 19:30 Uhr