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Haus durchsucht: Offenbar rechte Strukturen bei Bremer Feuerwehr
Chats mit rechtsradikalen Inhalten, Diskriminierung durch Vorgesetzte, Mobbing – Feuerwehrleute erheben schwere Vorwürfe gegen mehrere Kollegen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Nach Informationen von Radio Bremen, NDR und Süddeutscher Zeitung ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft derzeit im Umfeld der Bremer Berufsfeuerwehr. Am Morgen durchsuchte die Polizei die Wohnung eines 52-jährigen Berufsfeuerwehrmanns in Brinkum. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Das bestätigte die Bremer Staatsanwaltschaft.
Die Vorwürfe gegen die Feuerwehr reichen allerdings weiter. Mehrere Zeugen schilderten den Ermittlern, dass sich innerhalb der Bremer Berufsfeuerwehr seit Jahren rechte Strukturen etabliert hätten. Den Redaktionen liegen Chatinhalte einer Wachmannschaft der Feuerwache Osterholz vor, die diesen Verdacht begründen. Die Dateien stammen aus Chats, die zur Zeit der Flüchtlingskrise um 2015 entstanden sind. Darin werden Dutzende Bilder geteilt, die der Nazi-Herrschaft huldigen, nicht-weiße Menschen als minderwertig bezeichnen und geflüchteten Menschen den Tod wünschen.
Chats mit menschenverachtenden Inhalten
So zeigt etwa eine Darstellung eine Rutsche, die vom Dach eines Hochhauses ins Leere ragt, darunter der Satz: "Neuer Spielplatz fürs Asylantenheim". Auf einem anderen Bild, das die Feuerwehrleute sich zugeschickt haben, ist ein Wehrmachtssoldat zu sehen, untertitelt mit den Worten "ihr seid treu gewesen, mögen auch wir es sein". Auch Wahlwerbung der rechtsextremen NPD tauschten die Feuerwehrleute in der Whatsapp-Gruppe aus.
Meine direkten Vorgesetzten waren darüber im Bilde, was da passiert – die haben sich selbst so geäußert.
Bremer Feuerwehrmann
Mitarbeitende der Bremer Berufsfeuerwehr haben die Chats gespeichert und den Redaktionen zur Verfügung gestellt. Laut den Informanten seien solche Chats exemplarisch für eine Haltung, die in großen Teilen der Bremer Berufsfeuerwehr an der Tagesordnung sei. "Meine direkten Vorgesetzten waren darüber im Bilde, was da passiert – die haben sich selbst so geäußert", berichtet ein Zeuge. "Das deutet auf jeden Fall darauf hin, dass mit dem Eid, den sie mal geschworen haben aufs Grundgesetz, nicht mehr viel übereinstimmt." Wenn man Leuten den Tod wünsche und entsprechende Bilder poste, könne man nicht für die freiheitlich demokratische Grundordnung einstehen.
Beleidigungen gegen Menschen mit Migrationshintergrund
Mitunter mache sich die politische Haltung einiger Kollegen auch bei Einsätzen bemerkbar, berichten die Zeugen. "Es wird nicht nur so geredet, sondern auch so gehandelt", erinnert sich eine Zeugin. "Ich habe erlebt, dass Hilfesuchende mit Migrationshintergrund nicht oder nur unzureichend behandelt worden sind, weil man keinen Bock auf sie hatte." Auch verbale Beleidigungen gegenüber Hilfesuchenden mit Migrationshintergrund soll es immer wieder gegeben haben. Selbst innerhalb der Feuerwehrbelegschaft komme es regelmäßig zu schweren Fällen von Diskriminierung.
Während eines Einsatzes hat mich ein Vorgesetzter auf offener Straße als Kanake angeschrien.
Bremer Feuerwehrfrau
Das berichtet eine Feuerwehrfrau, die einen Migrationshintergrund hat und offen lesbisch lebt, den Redaktionen. "Während eines Einsatzes hat mich ein Vorgesetzter auf offener Straße als Kanake angeschrien. Und mehrfach kam es vor, dass mir Kollegen anboten, mich gesund zu ficken", sagt sie. Sexistische, rassistische und homophobe Beleidigungen seien an der Tagesordnung gewesen. Vorgesetzte hätten trotz mehrfacher Hinweise auf Missstände nicht mit disziplinarischen Maßnahmen reagiert. "Ich hatte das Gefühl, das sollte einfach unter den Teppich gekehrt werden", sagt die Feuerwehrfrau.
Die Zeugin, die seit zehn Jahren in Diensten der Berufsfeuerwehr steht, traut sich mittlerweile nicht mehr, ihrer Arbeit in der Feuerwache Bremen-Nord nachzugehen. Auslöser dafür ist ein Tonmitschnitt einer Unterredung ihrer Wachabteilung. Ein besorgter Kollege hatte ihr die Aufnahme zugespielt, um sie zu warnen. Das Tondokument liegt auch den Redaktionen vor. Darin ist zu hören, wie mehrere Kollegen – die Namen sind den Redaktionen bekannt – offenbar planen, die Feuerwehrfrau in der Wache zusammenzuschlagen und den Vorfall anschließend zu vertuschen. "Einfach ein Stück Seife ins Handtuch und dann gib ihm – dann macht das fünf Minuten bimm, bamm, bumm und dann gehen wir alle wieder raus und keiner war‘s", schlägt ein Feuerwehrmann vor. "So lange brauchst Du bei dem kleinen Ding nicht. Einmal rauftreten und fertig", ergänzt ein anderer.
Es handelt sich hier nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem innerhalb der Bremer Berufsfeuerwehr.
Rechtsanwältin Lea Voigt
Für mehrere Feuerwehrleute war diese Entwicklung nicht länger zu tolerieren. Sie haben sich vor einigen Wochen an den Staatsschutz gewandt. Dort geht dem Vernehmen nach eine siebenköpfige Sonderkommission den Vorwürfen nach. Rechtsanwältin Lea Voigt vertritt einige der Informanten. Für die Juristin steht fest: "Es handelt sich hier nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem innerhalb der Bremer Berufsfeuerwehr. Es ist dringend geboten, dass etwa eine unabhängige Beschwerdestelle eingerichtet wird." Die für die Berufsfeuerwehr verantwortliche Innenbehörde will sich im Laufe des Tages zu den Vorwürfen äußern. Sie bestätigte die Durchsuchungen auf Anfrage, wollte sich aber zu den laufenden Ermittlungen zunächst nicht äußern. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) kündigte aber an, eine Sonderermittlerin einsetzen zu wollen. Sie soll die disziplinarischen Ermittlungen übernehmen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 24. November 2020, 19:30 Uhr