Interview
Grüne Deiche statt toter Steine: Das plant Bremens Deichhauptmann
Bremen hat einen neuen Deichhauptmann: Wilfried Döscher. Er will Deiche erhöhen: an der Bremer Weser, aber auch im Umland und an der Küste. Weshalb, erklärt er im Interview.
Wer an einem Fluss lebt, der spürt öfter mal Ebbe und Flut – so, wie an der Weser. Menschen, die dort wohnen, sehen: Der Pegel geht mal runter, dann wieder hoch – mitunter sehr hoch. "Was wären wir ohne Deiche?", fragt man sich spätestens jetzt. Doch Deich ist nicht gleich Deich. Deiche zu bauen und Deiche zu pflegen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Der Bremische Deichverband am rechten Weserufer hat dafür seit Monatsanfang einen neuen Deichhauptmann: Wilfried Döscher hat Michael Schirmer abgelöst. Wir haben mit ihm über seine wichtigsten Aufgaben gesprochen.
Herr Döscher, wieso heißt der Deichhauptmann überhaupt Deichhauptmann? Der Deichverband ist doch keine militärische Einheit.
Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich weiß nicht, wieso es gerade in Bremen einen militärisch geprägten Begriff dafür gibt. Der Deichhauptmann heißt andernorts Oberdeichrichter oder auch Deichgraf. Deichgraf ist seit Theodor Storms "Schimmelreiter" der häufigste Begriff für unsere Dienstfunktion.
Formal betrachtet ist der Deichhauptmann im Sinne eines Vorstandsvorsitzenden der Erste in dem Exekutivorgan des Deichverbandes. Der Deichverband ist wie ein Parlament aufgebaut. Wir haben eine Mitgliedervertretung, die in Bremen gewählt wird: alle fünf Jahre, das nächste Mal 2026. Die vertritt die einzelnen Stadtteile. Und die wählen dann ein fünfköpfiges Gremium, das Kollegial-Gremium Vorstand. Der erste Vorstand ist der Deichhauptmann.
Für welchen Bereich sind Sie genau zuständig?
Die Weser ist eine verbindende Lebensader für Bremen. Aber auch ein trennendes Element. Wir sind auf dem rechten Weserufer, also wir rücken zur Quelle. Wir haben das ganze Gebiet, das zwischen Wümme und Weser gelegen ist. Das sind insgesamt 22.000 Hektar, also eine Riesen-Fäche.
Was sind die größten Probleme, denen die Deiche zur Zeit ausgesetzt sind?
Wir haben einen Generalplan Küstenschutz, der für die ganze Nordseeküste gilt. Das ist eine Fläche von 7.000 Hektar. Den Plan haben Bremen und Niedersachsen zusammen aufgestellt. Da geht es in erster Linie um die Folgen des Klimawandels, die in Zukunft zu bewältigen sind. Das heißt im Ergebnis: Die Deiche müssen um mindestens einen Meter höher gemacht werden, auch für den weiteren Klimaschutz.
Sie sagen: Die Pegel steigen durch den Klimawandel. Wie wirkt sich das aus?
Es führt zu höheren Scheitelwasserständen, wie wir das nennen, im Falle einer Sturmflut. Und darauf kommt es an. Das ist die Bewährungsprobe für die Deiche. Da werden wir dann gewappnet sein müssen. Wir haben hier eine Strecke von über 35 Kilometern, die der Weser direkt ausgesetzt sind, vor den Sperrwerken. Und wir bauen sie immer höher, wenn immer es geht, natürlich als Erddeich.
Aber in einem urbanen Bereich muss der Hochwasserschutz alle möglichen Register ziehen, das sind Mauern wie an der Schlachte oder Erddeiche wie in ganz Bremen-Nord oder auch wie der Osterdeich. Und das sind im Hafen Kajen. Wir sind dabei vorzubereiten, dass sie erhöht werden, und haben schon knapp 50 Prozent geschafft.
Inwiefern können Ihnen Ihre Kenntnisse als Landschaftsplaner bei der Arbeit des Deichhauptmanns helfen?
Das Gesicht Bremens wird ganz wesentlich von den Gewässern und Deichen im Bremer Umland mitbestimmt. Dabei spielt die Ökologie eine ganz wesentliche Rolle. Wir als Wasser- und Bodenverband fühlen uns dem schonenden Umgang mit unseres Ressourcen besonders verpflichtet.
Wir haben uns in der Satzung vorgegeben, dass wir etwas für die Natur tun wollen. Wir haben 75 Prozent unserer Deichfläche, insgesamt 120 Hektar, ökologisch entwickelt – wie blütenreiches Grünland. Wir haben außerdem die Gewässer so erhalten, dass sie nicht nur Abflussrinnen sind, sondern ein Lebensraum – und das seit über 30 Jahren. Damals habe ich beim Deichverband als Geschäftsführer angefangen.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Vormittag, 3. April 2023, 11.10 Uhr