Darum untersuchen Forschende zwei Jahre lang per Schiff Europas Küsten
Ein Forschungsteam prüft aktuell, wie stark wir Menschen die Küsten verseuchen. In Bremerhaven erklären die Wissenschaftler, was sie neben Schadstoffen noch untersuchen.
Die "Tara" hat einen weiten Weg vor sich: Die nächsten knapp zwei Jahre wird das Forschungsschiff die europäischen Küsten abfahren. An 120 Stellen wollen die Forscher Meerwasser-Proben sammeln. Parallel dazu sind weitere Wissenschaftler an Land mit zwei mobilen Laboren unterwegs, um in den Küstenregionen Erd-, Flachwasser-, Sediment- und Luftproben zu nehmen.
Die Ergebnisse sollen unter anderem dabei helfen, die Auswirkungen des Menschen auf die Küstenökosysteme besser zu verstehen. Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa arbeiten für diese "TREC"-Expedition zusammen. "TREC" steht für "Traversing European Coastlines" – was übersetzt so viel heißt wie "Europäische Küsten durchqueren".
150 Forschungsgruppen wollen Daten nutzen
Nikolaus Leisch vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg hat die mobilen Labore an Land mit aufgebaut. Heute ist er an Bord der "Tara". "Wir schauen uns alles an: von der Biodiversität, wo gibt es welche Organismen, bis hin zu Störfaktoren wie zum Beispiel Chemikalien", erklärt der Meeresbiologe beim Zwischenstopp in Bremerhaven. Das EMBL leitet das Projekt und kooperiert dafür mit zahlreichen Organisationen wie der französischen Stiftung "Tara Ocean".
In Frankreich hat die Expedition im April begonnen. Den Zwischenstopp in Bremerhaven nutzen die Forscher, um unter anderem ihren Lebensmittelvorrat aufzufüllen. Proben sammeln sie in Bremerhaven allerdings nicht. Nächster Untersuchungsort in der Nähe ist die Nordsee vor Sylt.
An Bord der "Tara" gibt es drei Labore. Dort werden die Wasserproben gefiltert – zum Beispiel um Organismen wie Bakterien und Viren zu finden. Es werden aber auch Daten unter anderem zu Temperatur, Salzgehalt und Nährstoffen im Wasser gesammelt. Ausgewertet werden die Proben aber erst später an Land. Rund 150 Forschungsgruppen wollen die Daten für verschiedene Fragestellungen verwenden.
"Wir bringen das Labor ins Feld"
Die zusätzlichen mobilen Labore an Land haben einen großen Vorteil: Es könnten auch Methoden eingesetzt werden, "die man normalerweise im Feld nicht hat", erklärt Leisch. Zum Beispiel lassen sich aus einer Umweltprobe direkt Arten untersuchen, die den Weg ins Labor sonst nicht überleben würden. "Wir bringen das Labor ins Feld und können uns innerhalb von einer halben Stunde, von einer Stunde, Proben anschauen, so wie sie in der Natur sind", so der Meeresbiologe.
Die Expedition soll auch Informationen über die chemische Verschmutzung in den Küstenregionen liefern. Schadstoffe können unter anderem über Landwirtschaft oder Industrie in Flüsse und ins Meer gelangen. Es soll untersucht werden, ob Antibiotika, Hormone, Pestizide und Kunststoffe in den Proben vorhanden sind. Die Anhäufung von Schadstoffen in der Umwelt sei eine wachsende Bedrohung für Ökosysteme und die menschliche Gesundheit, sagen die Organisatoren der Expedition.
Finale Ergebnisse gibt es erst in ein paar Jahren
Finanziert wird die TREC-Expedition unter anderem über öffentliche Forschungsgelder aus 28 Ländern, die das EMBL unterstützen. Darunter ist auch Deutschland. Weitere Gelder und Sachleistungen kommen etwa von Stiftungen und Unternehmen.
"Wenn ich etwas schützen will oder besser machen will, muss ich es erst einmal verstehen", sagt Leisch. "Über die nächsten Jahre werden wir ein sehr umfangreiches Bild von der europäischen Küste schaffen können." Die finalen Ergebnisse des Projekts erwartet er jedoch erst ein bis zwei Jahre nach Expeditionsende.
Wenn ich etwas schützen will oder besser machen will, muss ich es erst einmal verstehen.
Nikolaus Leisch, Meeresbiologe vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL)
Die "Tara" macht als nächstes Station in Dänemark. Danach geht es erstmal weiter Richtung Osten, nach Polen, Litauen, Lettland und Estland.
Dieses Thema im Programm: Bremen Next, 8. Mai 2023, 15:50 Uhr