Infografik
Weltraumbahnhof in der Nordsee: 2 Raketen sollen im April 2024 starten
Von einem Spezialschiff etwa 460 Kilometer entfernt von Bremerhaven soll die Mission starten. Und sie könnte erst der Beginn eines Zukunftsmarkts in Bremen sein.
Riesige Bildschirme, mehrere Sitzreihen mit Computer – davor ein Team mit Ingenieuren, Konstrukteuren und Softwareentwickler. Sie sitzen im neuen Missioncontrolcenter beim Bremer Raumfahrtunternehmen OHB. Von hier aus bereiten sie sich auf einen Raketenstart vor, den es so in Deutschland noch nicht gab.
Im Frühjahr kommenden Jahres sollen von einem Spezialschiff mit Rampe zwei Höhenforschungsraketen starten. Für das Betreiberkonsortium "German Offshore Spaceport Alliance", zu dem OHB gehört, eine Art Demo-Mission. Partner sind der niederländischen Höhenforschungsraketenhersteller "T-Minus" und eine Studentengruppe aus Aachen.
Das einst surreale Projekt wird zur Wirklichkeit
Bis dahin sei aber noch viel zu tun, erklärt Heiner Gerdes. Der Systemingenieur und sein Team werten Wetterdaten, Seegang, Schiffsverkehr und Flugverkehr aus. Auch bereiten die Bremer ein zweites, mobiles Kontrollzentrum vor. "Das soll am Starttag auf dem Schiff platziert werden", betont der Bremer, "aber dort soll die Mannschaft so gering wie möglich gehalten werden."
Ein schwimmender Weltraumbahnhof in der Nordsee. Für ihn sei die Idee lange surreal gewesen. Jetzt sieht er das Projekt als einmalige Chance.
Was lange als skurrile Idee belächelt wurde, ist just vor einigen Wochen von der Ampel-Regierung in den Haushalt aufgenommen worden. Für die "Infrastruktur für den Start einer Trägerrakete von einem Schiff im deutschen Hoheitsgebiet" fördert der Bund das Projekt mit zwei Millionen Euro.
Zukunftsmarkt soll nach Bremen geholt werden
Der Bundesverband der Industrie (BDI) hatte sich schon länger für ein solches Projekt starkgemacht. Deshalb überrascht es auch nicht, dass die Nachricht von der anstehenden ersten Mission beim Weltraumkongress des BDI in Berlin veröffentlicht wird. Es ist ein Branchentreffen, bei dem auch viele Politiker und Politikerinnen vorbeischauen.
"Wir freuen uns, dass wir relativ zügig schon einen guten Fortschritt machen", sagt OHB-Vorständin Sabine von der Recke. Es ist ihr Herzensprojekt. 2020 hat sich die "German Offshore Spaceport Alliance" gegründet: Ein Bremer Konsortium, zu dem auch ihr Arbeitgeber OHB und die "Reederei Harren & Partner" gehören. Für sie geht es um einen Zukunftsmarkt.
Wir freuen uns, dass wir relativ zügig schon einen guten Fortschritt machen.
Sabine von der Recke, OHB-Vorständin
Die Prognose der Raumfahrtbranche: Tausende Kleinsatelliten werden in den kommenden Jahren zu kommerziellen Zwecken ins All geschossen. Denn Daten werden immer wichtiger wie zum Beispiel für das autonome Fahren. "New Space" heißt dieser Bereich – ein Schlüssel für neue Technologien und datenbasierte Geschäftsmodelle.
In Deutschland arbeiten bereits jetzt mehrere Firmen an sogenannten "Microlaunchern". Das sind relativ kleine Raketen, die pro Flug Lasten von 500 bis 1.000 Kilogramm Gewicht, also die Kleinsatelliten, in den Weltraum tragen können.
Das sind Bremens größte Arbeitgeber in der Raumfahrt
Da setzt, laut Sabine von der Recke, die Idee vom eigenen Weltraumbahnhof an: "Für die braucht es einen Startplatz". Sie ist als Sprecherin der GOSA in Berlin dabei. Langfristig sollen genau diese "Microlauncher"-Bauer die Kunden sein von dem Weltraumbahnhof in der Nordsee.
Doch bei der ersten Mission ab April 2024 starten zwei Höhenforschungsraketen, die nicht bis ins All fliegen. Inwieweit die zwei Raketen nacheinander fliegen, klären die Verantwortlichen in den nächsten Monaten. Sie sagen: Das hänge auch davon ab, welche Experimente die Raketen transportieren.
Rechtliche Grundlagen müssen geklärt werden
"Für diese suborbitalen Raketenstarts gibt es auch schon die rechtliche Grundlage", erklärt die OHB-Vorständin, "aus Kiruna in Schweden wird das regelmäßig vom Festland gemacht." Für die Bremer ist dies ein guter Angang, um eigene Prozesse zu testen.
"Damit wir bei der Frage, welche Genehmigungen wir zukünftig brauchen, konkret anhand von Daten und Fakten mit den Behörden ins Gespräch kommen können", sagt die 41-Jährige. Denn das könnte wohl der ausschlaggebende Punkt sein für die Zukunft eines schwimmenden Raketenstartplatzes in der Nordsee: Wie sind die rechtlichen Grundlagen für "New Space"? Schließlich ist es ein Projekt, dass es in Deutschland so noch nie gab.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 18. Oktober 2023, 19:30 Uhr