Interview
Menschenhandel in Bremen? Wie Frauen mit System ausgebeutet werden
Eine mutmaßliche Menschenhändlerin soll drei Nigerianerinnen zur Prostitution gezwungen haben. Eine Expertin erklärt, was das für die betroffenen Frauen bedeutet.
Das Bremer Amtsgericht beschäftigt ein Fall von internationaler Dimension. Die Staatsanwaltschaft wirft einer Frau Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung vor. Die Angeklagte soll von Bremen-Gröpelingen aus Frauen aus Nigeria zur Prostitution gezwungen haben. Im Interview erklärt Stelle Tschepe-Wiesinger von der Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes", was für ein System hinter solchen Fällen steckt.
Frau Tschepe-Wiesinger, was haben diese Frauen durchgemacht? Wie wurden sie behandelt?
Was diese Frauen erleben oder was ihnen begegnet, lässt sich nur schwierig sagen. Dieses ganze System befindet sich sehr oft unter der Oberfläche. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass der Zwang und der Druck, dem diese Frauen ausgesetzt sind, wahnsinnig hoch sind.
Dahinter steckt ein System, das mit Gewaltandrohungen arbeitet und auch massiv Gewalt ausübt. Es wird eben gesagt: "Wenn du dieses und jenes nicht machst, lassen wir es deine Familie spüren." Somit ist die Möglichkeit, dass sich die Frauen frei äußern können, gar nicht gegeben.
Gibt es denn eine Möglichkeit, da irgendwie rauszukommen? Gibt es Hilfsangebote für die Frauen?
Grundsätzlich ja. Es gibt Fachberatungsstellen, die sich organisieren, und auch einen Dachverband, der gegen die verschiedenen Formen des Menschenhandels ankämpft. Flächendeckend sind diese Hilfsangebote aber nicht.
Insbesondere in den ländlichen Regionen gibt es oft keine Möglichkeiten, sich an Fachberatungsstellen zu wenden. Schutzeinrichtungen für Frauen, die aus dem System der Zwangsarbeit oder -prostitution aussteigen wollen, sind meist nur in den Städten. Da muss auf jeden Fall deutlich mehr passieren.
Wie kann es denn überhaupt sein, dass so ein Geschäft jahrelang unbeobachtet besteht?
Wir fordern schon seit Jahren, dass endlich was getan wird. Meistens ist aber schon die Identifizierung der Frauen extrem schwierig. Auch deswegen wird dem Thema vielleicht keine so große Aufmerksamkeit zugemessen, eben weil viele Entscheidungsträger – etwa beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) oder der Polizei – einfach nicht geschult sind.
Was müssten die Entscheidungsträger denn mitbringen?
Es müssten Menschen sein, die Bescheid wissen über die Problematik und über die Faktoren, die Menschenhandel bedingen. Im weiteren Verlauf müssen wie wissen, wie man, wenn die Frauen identifiziert sind, wie man unabhängig von der Aussagebereitschaft in Gerichtsverfahren eine Aufenthaltserlaubnis erzielen kann.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 6. September 2023, 19:30 Uhr