Kommentar
Entlastet die Behörden!
Bremens neue Bausenatorin Özlem Ünsal (SPD) macht zum Dienstantritt was ganz Verrücktes: Sie streicht Bürokratie. Auch, wenn es aus der Not geboren ist: Das Beispiel sollte Schule machen, meint Frank Schulte.
Bremens neue Bausenatorin hat da gleich zum Amtsantritt mal etwas Bemerkenswertes gemacht. In so einer Art Notwehr geht sie die ziemlich angespannte Situation bei der Bearbeitung von Wohngeldanträgen ganz pragmatisch an. Es wird schlichtweg nur noch das Nötigste geprüft.
Viele Belege müssen nur noch auf Anforderung vorgelegt werden, so wie es bei der Steuererklärung schon seit einigen Jahren üblich ist. Oder wie es Wesernetz seit einiger Zeit bei der Genehmigung von Balkonkraftanlagen macht. Gut so. Apropos Balkonkraftanlagen: Da liegt der Entwurf für ein Bundesgesetz vor, dass das ganze Anmeldeprozedere direkt komplett abschafft. Sehr gut.
Andere Behörden sollten sich von diesem Pragmatismus etwas abgucken und selbst mutig verschlanken. Denn wer mit Beschäftigten im öffentlichen Dienst spricht, dem fällt eines auf: Behörden scheinen an der eigenen Bürokratie zu ersticken – mindestens aber sind sie dadurch selbst gelähmt. Viele Beschäftigte machen ganz viel – aber leider ganz viel, was mit dem Kern ihres Jobs nicht viel zu tun hat.
Das Institut für Urbanistik hat sich das zum Beispiel für Radwegeplaner in Kommunen angeschaut. Ergebnis: 55 bis 75 Prozent ihrer Arbeitszeit geht für Dinge drauf, die nichts mit ihrer eigentlichen Aufgabe – der Planung des Radwegeausbaus – zu tun hat. Bis zu 75 Prozent! Oder reden sie mal mit Lehrerinnen und Lehrern, wieviel Zeit die mit Aufgaben außerhalb des Unterrichts verbringen.
Erleichterungen auch gut für Beschäftigte in Behörden
Einfacher – das ist nicht nur gut für uns Bürger. Es ist auch gut für die Behörden. Die haben teilweise viele freie Stellen, die sie nicht besetzen können. Der Fachkräftemangel wird sich nicht von heute auf morgen lösen. Leider.
Ein Teil der Lösung lautet deshalb: Weg mit Vorschriften, Dokumentationen, Statistikpflege, Abstimmungsprozessen und überhaupt allem, was Menschen im öffentlichen Dienst das Arbeiten schwerer macht. Und wenn sich diese Menschen – je nach Aufgabenprofil – dann auch noch auf konsequente Digitalisierung einlassen, dann macht das die Arbeit nochmal ein gutes Stück einfacher.
Sinkende Akzeptanz bei steigenden Kosten
Das alles ist dringend notwendig, denn der öffentliche Dienst verliert an Akzeptanz. Der Bremer Apparat kostet immer mehr, gleichzeitig nimmt die Unzufriedenheit zu. Um rund 15 Prozent nahm die Beschäftigung (gerechnet auf Basis von Vollzeitstellen) seit 2011 zu. In den Unternehmen, an denen Bremen die Mehrheit hält, stieg es sogar um rund 48 Prozent.
Zusammengerechnet stiegen die Personalausgaben der Bremer Verwaltung seit 2011 um satte 43 Prozent auf 2,25 Milliarden Euro. 43 Prozent Steigerung! Da darf man als steuerzahlender Bürger schon bessere Leistungen erwarten, als viele Behörden sie momentan erbringen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau am Morgen, 15. August 2023, 8 Uhr