Als die letzte Folge des "Beat-Club" von Radio-Bremen im TV lief
Vor 50 Jahren sendete die ARD zum letzten Mal den "Beat-Club". Eine Ära ging zu Ende, aber der Beat war nicht tot. Denn Radio Bremen machte einfach weiter – an anderer Stelle.
Zum Schluss war nicht mehr so viel Beat in diesem Club. Dafür gab es durchchoreographierte Familienunterhaltung aus Utah. Fünf Brüder – 14 Songs: The Osmonds, die schon seit zehn Jahren gemeinsam auf der Bühne stehen. Im letzten Beat-Club trat anders als in den 82 Folgen davor nur eine einzige Band auf. Doch im Radio-Bremen-Studio wollte der Funke nicht wirklich überspringen. Dabei hatte der Sender extra Schulklassen aus Bremerhaven eingeladen.
Moderatorin Uschi Nerke kündigte die US-Band zwar feierlich an, aber der Teenbeat in Glitzeranzügen wirkte eher wie ein unpassendes Finale für eine Rock-Show, in der zuletzt die Progressive-Rock-Band King Crimson und der Schock-Rocker Alice Cooper auftraten. Und der war Ende 1972 mindestens so angesagt wie die Osmonds.
30-minütige Live-Sendung nur für junge Leute
Mitte der 60er Jahre findet diese Art von Musik im deutschen Fernsehen nicht statt. Kein Beat, kein Soul, kein Rock'n'Roll, nur volkstümliche Klänge und seichte Schlager. Zwei Männer wollen das ändern: Mike Leckebusch und Gerhard Augustin. Der eine Redakteur bei Radio Bremen, der andere Discjockey im "Twen-Club" in Bremen. Sie haben eine Idee und die setzen sie am 25. September 1965 um. Die Revolution beginnt um 16:47 Uhr mit einer Warnung:
Guten Tag, liebe Beat-Freunde! Nun ist es endlich soweit. In wenigen Sekunden beginnt die erste Show im Deutschen Fernsehen, die nur für Euch gemacht ist. Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beat-Musik nicht mögen, bitten wir um Ihr Verständnis: Es ist eine Live-Sendung mit jungen Leuten, für junge Leute. Und nun geht's los!
Wilhelm Wieben, Ansager und späterer Tagesschau-Sprecher
Charmante Versprecher und Sexy-Miniröcke
Die Yankees aus Bremen eröffneten den ersten Beat-Club. Dazu tanzten gut hundert Teenager brav und gesittet wie in der Schulaula: die Jungs mit Hemd und Krawatte, die Mädchen im Rollkragenpullover. Neben Plattenaufleger Augustin sahen die Zuschauer zum ersten Mal eine Neuentdeckung am Mikrophon: Uschi Nerke, die schnell zum Star wurde.
Ihre charmante Versprecher, ihre Sexy-Miniröcke, dazu die Faxen des britischen Radio-DJs Dave Lee Travis. Alles schön und gut. Aber es war natürlich die "Hotten-Totten-Musik der langhaarigen Flegel", die irgendwann bis zu 75 Prozent aller Jugendlichen vor den Schwarz-Weiß-Fernseher lockte. Und nicht nur die. So lobte eine 95-jährige Zuschauerin die Sendung. Sie schrieb, ob ihres hohen Alters wollten zwar ihre Beine nicht mehr so, aber nun habe sie es auch im Rücken.
Musik-Stars erstmals im Fernsehen
Für viele Bands war der Auftritt im Beat-Club der erste überhaupt im Fernsehen und nahezu ein "Muss". The Who, The Kinks, Manfred Mann, Cream oder die Beach Boys. Eigentlich kamen alle großen Sixties-Stars nach Bremen – bis auf die Stones und die Beatles. Als die Musik psychedelischer und progressiver wurde, flimmerten Farbeffekte und verfremdete Bilder über die Mattscheiben. Der 68er Zeitgeist machte den Beat-Club politischer und frecher.
Auch heute noch im Radio
Mit der Erkennungsmelodie "A touch of velvet" beginnt der Beat-Club auch heute noch. Als Hörfunksendung auf Bremen Eins – jeden Sonntag von 18 bis 20 Uhr. Die Popgeschichte geht weiter – The Beat goes on. Vier Tage, nachdem er seinen Club geschlossen hatte, machte Regisseur Mike Leckebusch in der ARD den Musikladen auf. Die 83. und damit letzte Beat-Club-Folge wurde am 9. Dezember 1972 in der ARD ausgestrahlt.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 9. Dezember 2022, 15:38 Uhr