So wichtig ist Bremens Babyklappe – und wo Mütter andere Hilfen finden
Bei 3nach9 erzählt die Gründerin der ersten Babyklappe in einer deutschen Klinik, weshalb sie bis heute wichtig sind. In Bremen wurden bislang 29 Kinder in die Babyklappe gelegt.
Hinter einer Hecke, vor Blicken geschützt, befindet sich die Babyklappe am St. Joseph Stift. Ein blaues Schild neben der Elternschule weist den Weg. Von außen ist nur ein Fenster und eine Metallklappe zu sehen. Drinnen steht hinter der Klappe ein kleines Wärmebettchen. Seit 2002 können Mütter in Not hier ihr Kind anonym in sichere Obhut geben. 29 Mal kam das in Bremen bisher vor, also etwas mehr als einmal im Jahr. Unumstritten ist die Babyklappe bis heute nicht.
Was passiert, wenn ein Baby in die Klappe gelegt wird?
Sobald ein Baby in das Wärmebett gelegt und die Metallklappe wieder geschlossen wird, werde an verschiedenen Punkten im Krankenhaus ein Alarm ausgelöst, erklärt Silke Meiners, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am St. Joseph Stift. Dadurch werden Kinderärzte und Kinderkrankenschwestern benachrichtig, die sich innerhalb weniger Minuten um das Kind kümmern können. Zum Schutz des Kindes lasse sich die Klappe nach dem Schließen von außen nicht mehr öffnen.
Während das Baby im Krankenhaus aufgenommen wird, beginnt gleichzeitig der behördliche Ablauf. Der Sozialdienst des Krankenhauses informiert die Amtsvormundschaft, also das Jugendamt, und die Adoptionsstelle, erklärt Meiners. "In den meisten Fällen sind die Pflegeeltern noch im Laufe eines Tages vor Ort, werden stationär aufgenommen und bleiben für den restlichen Krankenhausaufenthalt bei dem Kind."
Ist das Kind in einem guten gesundheitlichen Zustand, könne die kleine "Neufamilie", wie Meiners sagt, das Krankenhaus nach wenigen Tagen verlassen. Bisher sei das mit wenigen Ausnahmen bei allen Babys aus der Bremer Klappe der Fall gewesen.
Welche Unterstützung gibt es für die Mutter?
Das Wärmebett hinter der Klappe ist nicht nur ein sicherer Ort für das Baby, auf die Mutter wartet darin ein Umschlag. Der sogenannte "Brief an die Mutter" enthält Informationen über die Versorgung des Kindes, erklärt Silke Meiners. Auch andersherum könne die Mutter Informationen über das Kind und über die Geburt hinterlassen.
Außerdem liegt ein Gutschein für eine anonyme und kostenfreie Untersuchung bei einer Frauenärztin im Umschlag bei. Denn bei einer anonymen Abgabe ist meist nicht klar, unter welchen Umständen die Geburt des Kindes stattgefunden hat. Es ist möglich, dass die Mutter zuvor nie ärztlich versorgt wurde.
Welche Kritik gibt es an der Klappe?
Ein Kind anonym abzugeben sei auf vielen Ebenen kritisch, heißt es vom Ethik-Komitee des St. Joseph Stifts. Es greife tief in die Rechte des Kindes ein, Auskunft über die eigene Herkunft zu bekommen und in die soziale Einbindung in die Familie. Auch eine gesetzliche Regelung für die Babyklappe gebe es nicht und sie sei auch mit bestehenden Gesetzen nicht vereinbar. Genau genommen ist eine anonyme Geburt oder eine anonyme Abgabe des Kindes in Deutschland eine Straftat – der aber nicht nachgegangen wird.
Trotz der Kritik spricht vor allem ein Argument für die Babyklappe, das erkennt auch das Ethik-Komitee des Krankenhauses. Solange man nicht ausschließen könne, dass die Babyklappe Leben rettet, müsse dieser Ausweg beibehalten werden. Anders zu beurteilen sei dagegen die Möglichkeit der vertraulichen Geburt.
Was versteht man unter einer vertraulichen Geburt?
"Um nicht in die Not zu kommen, das eigene Kind im Babykörbchen ablegen zu müssen, gibt es seit dem 1. Mai 2014 ein Gesetz, das Frauen die Möglichkeit der vertraulichen Geburt gibt," erklärt Silke Meiners.
Eine vertraulichen Geburt ermögliche es Müttern in Krisensituationen, ihr Kind anonym zur Welt zu bringen, unter medizinisch sicheren Bedingungen. Dabei wird, anders als bei einer anonymen Geburt, auch dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Herkunft entsprochen. In Bremen gebe es jährlich ein bis dreimal vertrauliche Geburten, sagt Marina Mohr von der Beratungsstelle Cara für Schwangerschaft und Pränataldiagnostik.
Wie funktioniert eine vertrauliche Geburt? Bleibt wirklich alles geheim?
"Jede Frau, die vertraulich entbinden möchte, muss zu uns kommen. Mindestens einmal," so Mohr. Das ist die Voraussetzung für eine vertrauliche Geburt. Statt ihren Namen können sich die Frauen bereits zum Beratungsgespräch mit einem Pseudonym anmelden. Bei der Beratung selbst wird zunächst über die Rechte von Mutter, Kind und auch die des potenziellen Vaters aufgeklärt.
Teil des Beratungsgesprächs ist es auch, den Herkunftsnachweis für das Kind auszufüllen. Dazu müsse die Frau einmalig ihre wahre Identität mit einem Ausweisdokument belegen, sagt Mohr. Ihr richtiger Name und ihr Geburtsdatum würden auf dem Herkunftsnachweis vermerkt. Dieser werde verschlossen und zunächst im Tresor bei Cara gelagert. Ist das Kind dann vertraulich entbunden, schickt Cara den Herkunftsnachweis weiter an das Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben, wo er weiter verwahrt werde. Das vertraulich entbundene Kind darf frühestens mit 16 Jahren Zugriff auf diesen Herkunftsnachweis erhalten.
Nach dem Beratungsgespräch informieren die Beraterinnen bei Cara die Adoptionsstelle, den Senator für Inneres, die Amtsvormundschaft und das Standesamt. Weitergegeben werden nur Informationen, die die Schwangere vorher abgesegnet hat.
Außerdem wird die Klinik informiert, in der die Frau später entbinden möchte. Dort gibt die Frau auch bei der Entbindung immer nur ihr gewähltes Pseudonym an. Im besten Fall passieren diese Schritte vor der Geburt. Mütter, die sich spontan für eine vertrauliche Geburt entscheiden, könnten das Beratungsgespräch auch nach der Geburt nachholen.
Klappe oder vertrauliche Geburt: Was ist, wenn die Mutter es sich anders überlegt?
In beiden Fällen ist es für die leibliche Mutter möglich, ihr Kind zurückzubekommen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass eine vertrauliche Geburt nach der Entbindung rechtskräftig wird, sobald die Mutter das Krankenhaus verlässt. "Das heißt nicht, dass sie das Kind nicht wieder bekommen kann," bestätigt Marina Mohr, es komme durchaus vor, dass Mütter sich um entschieden. Dann ist das Familiengericht zuständig. Dafür müsse die Frau ihre Anonymität aufheben.
Ein Zurück gibt es laut Silke Meiners auch für Mütter, die ihr Kind in der Babyklappe abgegeben haben. Sie haben in den ersten Monaten noch die Möglichkeit, ihr Kind zurückzubekommen. Hierfür müssten sie sich an die Adoptionsstelle wenden.
Dieses Thema im Programm: 3nach9, 24. März 2023, 22 Uhr