Kaum einer wusste es: Darum wäre Ailtons Schalke-Wechsel fast geplatzt
Vor 20 Jahren sorgte der Abgang von Ailton und Mladen Krstajic für reichlich Wirbel. Doch offenbar war Ailtons Vertrag mit den "Königsblauen" alles andere als wasserfest.
Ein doppeltes Transfer-Beben erschütterte vor 20 Jahren die Werder-Welt. Und das, obwohl die grün-weißen Verhandlungen mit Mladen Krstajic und Ailton im Oktober 2003 eigentlich auf einem guten Weg schienen. Beide Verträge liefen zwar aus, doch Werder war guter Dinge, zeitnah mit dem Duo zu verlängern. Ein Irrglaube, wie sich herausstellen sollte: Innerhalb von nur zwei Tagen wurde bekannt, dass nicht nur Krstajic, sondern auch Ailton die Bremer zum Saisonende ablösefrei verlassen würde.
Schlimmer noch: Sowohl den Abwehrchef als auch den Torjäger zog es zu Schalke 04. Werder zeigte sich von dem Doppel-Verlust vollkommen überrumpelt – und entsprechend groß war die Wut auf die finanzstarken "Königsblauen" und ihren Manager Rudi Assauer. "Da hat uns der Kollege, mit dem wir in der Vergangenheit eigentlich sehr gut zusammengearbeitet haben, nicht ganz korrekt behandelt", ärgerte sich Werder-Sportchef Klaus Allofs. Ex-Bremer Assauer konterte die Kritik auf seine eigene Art.
Nicht nur auf dem Fußballplatz, auch im Transferbereich muss man Niederlagen einstecken können.
Der damalige Schalke-Manager Rudi Assauer im Jahr 2003
Krstajic trauert, Ailton hadert
Der Weser den Rücken zu kehren, das fiel den Spielern jedoch alles andere als leicht. "Als Mladen mir gesagt hat, dass er diesen Wechsel vornimmt, waren bei ihm Tränen in den Augen", erinnert sich der damalige Werder-Trainer Thomas Schaaf im Sportschau-Podcast "Das Werder-Märchen 2004". Ailton ging sogar noch einen Schritt weiter: "Die Saison war noch nicht vorbei, da hat Ailton nochmal alles versucht, um die Unterschrift bei Schalke rückgängig zu machen. Aber das war dann natürlich nicht mehr möglich", erzählt Ex-Sportchef Allofs.
Wie nun aber bekannt wurde, hätte man den Ailton-Vertrag offenbar doch aufheben können. Das behauptet zumindest Manfred Müller, damals Werder-Geschäftsführer. Denn der Kontrakt war anscheinend alles andere als wasserfest. "Erstens, weil es nicht der Vordruck der Deutschen Fußball Liga war mit den ganzen Voraussetzungen, die da drinstehen. Zweitens war der Vertrag nur in Deutsch, das konnte Ailton in dieser Form gar nicht lesen. Und drittens: Es waren Anlagen angekündigt, die nicht dabei waren", erzählt Müller.
Demnach wäre der Vertrag, sofern Werder oder Ailton gewollt hätte, ungültig gewesen. Doch daran hatten die Grün-Weißen zu dem Zeitpunkt nur wenig Interesse. Denn mittlerweile stand Werder in Kontakt mit dem damaligen Kaiserslautern-Angreifer Miroslav Klose. Und eine Sturmabteilung aus Klose, Ailton und Ivan Klasnic konnten sich die Bremer schlichtweg nicht leisten.
Die Gespräche mit Klose waren dann so weit, dass wir der Überzeugung waren: Wir nehmen jetzt Klose.
Ex-Werder-Geschäftsführer Manfred Müller im Sportschau-Podcast "Das Werder-Märchen 2004"
Gab es ein weiteres grün-weißes Hintertürchen?
Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Jürgen L. Born, langjähriger Werder-Vorstandsvorsitzender, erinnert sich an ein weiteres grün-weißes Hintertürchen in der Ailton-Causa. "Er kam dann bei mir an und sagte: 'Mensch, Chef, ich finde das gar nicht so doll mit Schalke'", erinnert sich Born.
Nach der Ailton-Beichte rief Born bei Assauer an und berichtete von Ailtons Bedenken. Der Schalke-Manager ließ sich daraufhin in einem "Bild"-Interview mit der Aussage zitieren: "Wenn einer nicht nach Schalke möchte, muss er nicht hin." Der Ball lag nun wieder bei Ailton, wie Born erzählt:
Wir haben ihm gesagt: "Du kannst unseren alten Vertrag haben und da tun wir so und so viel oben drauf, bist du damit einverstanden?'"
Jürgen L. Born, Ex-Werder-Vorstandsvorsitzender, im Sportschau-Podcast "Das Werder-Märchen 2004"
Genau das sei Ailton gewesen, und auch Assauer war demnach bereit, den Vertrag aufzulösen. Doch der Brasilianer ließ sich Zeit mit seiner Unterschrift. Zu viel Zeit, so Born: "Dann habe ich gesagt: 'Wenn du nicht innerhalb von zwei Tagen den Vertrag unterschreibst, kannst du dir ein Moped kaufen und nach Schalke fahren.'" 48 Stunden später war der Vertrag immer noch nicht unterschrieben und die letzte Hintertür geschlossen. Ailton erinnert sich in dem Zusammenhang an ein "Prinzip".
Mein Vater hat mir immer gesagt: "Egal wie prominent du bist, egal wie voll dein Konto ist – ein Mann, ein Wort." So.
Werder-Doublesieger Ailton im Sportschau-Podcast "Das Werder-Märchen 2004"
Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 10. Oktober 2023, 18:06 Uhr