Wie die Fischtown Pinguins das Lebensgefühl in Bremerhaven beflügeln
Von Arbeitslosigkeit bis Bildungsmisere: Wenn über Bremerhaven berichtet wird, geht es meist um Probleme. Der Erfolg ihres Eishockeyklubs hat das völlig verändert.
Wer zurzeit durch Bremerhaven fährt, kommt an den Fischtown Pinguins nicht vorbei. An Hausfassaden und in Fenstern hängen vielerorts Plakate und Flaggen des lokalen Eishockeyclubs, der gerade versucht, sportliche Geschichte zu schreiben. Alleine das Erreichen des Finales um die deutsche Meisterschaft war schon eine mittlere Sensation. Seit 2005 hieß der Meister bis auf zwei Ausnahmen entweder Berlin, Mannheim oder München.
Am Freitag nun steht die womöglich entscheidende Partie an – gegen die Eisbären Berlin, die nach Siegen in der Best-of-seven-Serie 3:1 führen und damit nun die Chance haben, die Meisterschaft zum zehnten Mal perfekt zu machen. Die Finalserie geht über maximal sieben Spiele, wer viermal gewinnt, wird deutscher Meister. Mit einem weiteren Sieg der Eisbären wäre der Traum der Pinguins also ausgeträumt.
Pinguins-Euphorie: "Die Stadt steht Kopf"
Doch auch wenn der Druck vor der Partie hoch ist, bleibt die Begeisterung in Bremerhaven ungebrochen – nicht nur bei den eingefleischten Fans. "Die Stadt steht Kopf", sagt Marc Niemann, Generalmusikdirektor am Stadttheater. "Die Pinguins sind Thema in gefühlt jedem zweiten Gespräch, auch bei Leuten, die nichts mit Eishockey zu tun haben."
Am vorigen Sonntag stand Niemann als Dirigent zusammen mit acht Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters Bremerhaven auf dem Eis in der Arena. Die Musikerinnen und Musiker waren vom Klub gebeten worden, die Nationalhymne zu spielen. Sie folgten der Einladung gerne, alle trugen einen Fan-Schal der Pinguins, wie Niemann sagt. Er ist eigentlich kein Eishockeyfan. Doch auch er wurde von der Stimmung in der Stadt mitgerissen.
Endlich macht Bremerhaven positive Schlagzeilen
Auch an diesem Freitag werden die Musikerinnen und Musiker wieder spielen. "Bremerhaven wird sonst nur sichtbar durch negative Botschaften. Das macht was mit den Menschen", sagt Niemann. Endlich gebe es bundesweit positive Schlagzeilen. "Jetzt stehen auch diejenigen hinter der Stadt, die sonst eher kritisch zu Bremerhaven stehen", unterstreicht Sebastian Gregorius, Marketingleiter vom "Schaufenster Fischereihafen". Er bemerke eine starke Verbundenheit der Bremerhavener wegen des Erfolgs der Pinguins. "Die Stadt lebt das gerade", betont er.
Dazu passt, dass die Pinguins ähnlich wie die Stadt selbst das Image eines Außenseiters haben: Sie haben einen vergleichsweise kleinen Etat, nicht wie andere erfolgreiche Klubs einen Hauptsponsor, sondern sehr viele kleine. In die heimische Eisarena passen deutlich weniger Zuschauer als etwa in die des Konkurrenten Eisbären Berlin. Von "David gegen Goliath" ist gerne die Rede, wenn die Pinguins gegen die Eisbären spielen.
Manager Prey: "In Bremerhaven hat Eishockey Seele"
Klubmanager Alfred Prey weist gerne darauf hin, dass die Spieler Teil der Stadtgemeinde seien: "Hier kennt jeder jeden. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal in der DEL." Im vorigen Jahr erhielt die Mannschaft sogar den Landestourismuspreis in der Kategorie "Typisch Bremerhaven". "In Bremerhaven hat Eishockey Seele", sagt Prey, der den Klub seit mehr als 30 Jahren führt.
Wenn bundesweit von der rund 190.000 Einwohner zählenden Stadt die Rede ist, dann meist wegen der hohen Arbeitslosigkeit, der beträchtlichen Kinderarmut oder des schlechten Abschneidens beim Bildungsranking. "Dabei bietet die Stadt so viel mehr", sagt Generalmusikdirektor Marc Niemann. Er nennt die Kultur- und Kunstszene, wichtige Museen wie das Klimahaus, die hochkarätige Wissenschaft. "Aber das dringt nicht durch zu den überregionalen Nachrichten."
"Fischtown" kommt nicht von ungefähr
Sebastian Gregorius vom "Schaufenster Fischereihafen" sagt, er erlebe immer wieder, dass Menschen, die das erste Mal nach Bremerhaven kommen, überrascht seien, was die Stadt alles zu bieten habe. Dort, wo früher Fischdampfer ihre Fänge anlandeten, hat sich mit dem "Schaufenster Fischereihafen" längst ein beliebtes touristisches Ausflugsziel etabliert. "Bremerhaven musste sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen", sagt er.
Nach dem Untergang der Hochseefischerei gab es Hoffnungen auf einen Strukturwandel durch die Offshore-Windenergie, die sich aber nur zum Teil erfüllt haben. Beim Containerumschlag und der Autoverladung liegt Bremerhavens Überseehafen jedoch weit vorn. Und auch der Name Fischtown Pinguins kommt nicht von ungefähr: Bremerhaven ist der größte Fischverarbeitungsstandort Deutschlands. Hier sitzen Firmen wie die Deutsche See, Frosta, Frozen Fish Internaional und die Gastronomiekette Nordsee.
Pinguins sind "eindeutig imagestärkend"
Auch die Hotelbetreiberin Emina Seiffert, die zusammen mit ihrem zehnjährigen Sohn einen Bremerhaven-Krimi für Kinder geschrieben hat, ist eigentlich kein Eishockeyfan. "Aber irgendwie sind wir es jetzt doch alle, weil wir total stolz sind", sagt sie. Für Bremerhavens Tourismuschef Michael Gerber sind die Fischtown Pinguins ein "echtes Aushängeschild" für die Stadt, so wie Werder Bremen für die Schwesterstadt Bremen.
"Sie sind eindeutig imagestärkend", sagt er. Und das gelte auch, wenn sie am Freitag verlieren sollten. "Selbst, wenn sie nur Vizemeister werden – dass sie überhaupt in die Finalserie gekommen sind, ist schon großes Kino", betont Gerber.
Termine der Play-off-Finalspiele:
Spiele | Datum | Uhrzeit | Heim | Ergebnis |
---|---|---|---|---|
Spiel 1 | 17. April | 19:30 Uhr | Bremerhaven | 4:2 |
Spiel 2 | 19. April | 19:30 Uhr | Berlin | 5:3 |
Spiel 3 | 21. April | 15:30 Uhr | Bremerhaven | 1:2 (nach Verlängerung) |
Spiel 4 | 23. April | 19:30 Uhr | Berlin | 4:1 |
Spiel 5 | 26. April | 19:30 Uhr | Bremerhaven | |
Spiel 6 | 28. April | 14 Uhr | Berlin | |
Spiel 7 | 30. April | 19:30 Uhr | Bremerhaven |
Quelle: dpa.
Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 24. April 2024, 18:06 Uhr