Fragen & Antworten
Der reichste Mann der Welt baut um: Wie sinnvoll ist Twitter noch?
Ob Bremer Behörden, Politiker, Medien: Sie alle nutzen Twitter. Nirgendwo sonst verbreiten sich Nachrichten so schnell. Doch Besitzer Elon Musk baut um. Die Folgen sind spürbar.
Nirgendwo im Netz verbreiten sich Neuigkeiten so schnell wie bei Twitter. Nur wenige digitale Räume waren in den vergangenen Jahren so wichtig für die digitale Öffentlichkeit. Twitter wurde geschätzt von Bremer Politikerinnen und Politikern, öffentlichen Einrichtungen, Medien und Nutzern.
Seit Oktober 2022 gehört Twitter dem reichsten Mann der Welt – der damit begonnen hat, die Plattform umzubauen. Was plant Elon Musk? Was bedeuten diese Veränderungen für die Nutzer? Welche Alternativen gibt es? Das hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zur Zukunft von Twitter.
Was hat Elon Musk mit Twitter vor?
Bevor Elon Musk Twitter übernommen hat, hat er immer wieder darüber gesprochen, dass er die Redefreiheit auf der Plattform gefährdet sieht. Er hat dann tatsächlich Tausende Accounts wieder freigegeben, die Twitter vorher wegen Hassrede oder anderer Verstöße gesperrt hatte.
Elon Musk verfolgt mit der Übernahme aber auch ein wirtschaftliches Interesse. Unter dem Namen "Twitter 2.0" stellt er sich den Ausbau von Twitter zu einer "Everything-App" vor, die sich am ehesten mit dem Messenger WeChat aus China vergleichen lässt: eine App, in der sich der komplette digitale Alltag abspielt – von privater Kommunikation über Terminvereinbarungen beim Zahnarzt bis zum Bezahlen im Supermarkt.
Gerade die Idee einer Bezahlapp scheint Elon Musk nicht loszulassen, seit er als Praktikant in einer Bank in Kanada gearbeitet und sich dort an der Schwerfälligkeit der Finanzbranche gestoßen hat. Nach diesem Praktikum gründete Elon Musk das Unternehmen "X", das später in PayPal aufging. Auch das Unternehmen, das einmal Twitter hieß, heißt mittlerweile "X".
Was hat Elon Musk bisher verändert?
Von den großen Plänen ist bisher wenig spürbar. Aber seit der Übernahme durch Elon Musk halten sich viele Werbekunden bei Twitter zurück, deshalb steigt der Druck, Geld zu verdienen und Kosten zu sparen.
Elon Musk hat einen Großteil der Belegschaft entlassen, unter anderem Menschen, die die Plattform technisch am Laufen gehalten haben – oder die Inhalte auf Twitter moderiert und zum Beispiel Gewaltdarstellungen oder strafbare Inhalte entfernt haben. Von den früher 7.500 Mitarbeitern sind noch gut 1.000 übrig, die zuletzt in höherer Schlagzahl neue Funktionen veröffentlichen mussten.
Viele dieser Funktionen werden gleichzeitig kostenpflichtig:
- das Veröffentlichen längerer Tweets
- die blauen Häkchen, die früher die Echtheit der Accounts von Prominenten, Politikern oder wichtigen Persönlichkeiten bestätigt haben
- die Anzahl an Tweets, die man an einem Tag lesen kann – was bisher unbegrenzt möglich war, jetzt sind es nur noch 800 Tweets am Tag.
Wie wirken sich diese Veränderungen aus?
Vor allem Menschen, die Twitter intensiv nutzen, bekommen die Veränderungen zu spüren. Journalisten können nicht mehr beliebig viele Tweets lesen und sich so auf dem Laufenden halten. Wissenschaftler beklagen, dass sie für ihre Forschung nicht mehr auf Inhalte von Twitter zurückgreifen können. Und die Feuerwehr in Hamburg hatte zuletzt Probleme mit der Nutzung von Twitter während einer Bombenentschärfung – weil sie nicht mehr sehen konnte, was Menschen in der betroffenen Gegend erleben und schreiben.
Für viele öffentliche Einrichtungen ist Twitter ein elementarer Bestandteil ihrer Krisenkommunikation. Entsprechend aufmerksam verfolgen sie deshalb, wie Elon Musk die Plattform weiter verändert – und diskutieren längst über die Frage, welche Alternative es geben könnte.
Ausfälle und kleinere technische Probleme gehören auf Twitter mittlerweile zum Alltag. Analysen zeigen außerdem, dass die Plattform mehr Probleme mit Hassrede, Desinformation und antisemitischen Inhalten hat. Sie widersprechen damit der Darstellung des Unternehmens.
Viele Nutzer berichten außerdem davon, dass Twitter eine politische Schlagseite in Richtung des rechten Spektrums bekommt. Es seien vor allem rechts und libertär eingestellte Nutzer, die für einen blauen Haken bezahlen und sich damit mehr Reichweite für ihre Tweets einkaufen.
Welche Alternativen gibt es überhaupt?
Erstens: Mastodon, das zu Fediverse gehört – einer Landschaft freier und kostenloser Social-Media-Plattformen. Auch die ARD ist mittlerweile dort vertreten, unter anderem mit der Tagesschau. Mastodon entwickelt sich aber recht schwerfällig. Es ist deshalb ungewiss, ob die Plattformen von der aktuellen Wechselstimmung nachhaltig profitieren kann.
Zweitens: Bluesky, hinter dem unter anderem Twitter-Gründer Jack Dorsey steckt. Die Plattform ist der Versuch einer dezentralen Alternative zu Twitter, sie steckt noch immer in einer geschlossenen Betaphase. Wer teilnehmen möchte, braucht einen Einladungscode. Deshalb ist Bluesky für viele Nutzer aktuell gar nicht zugänglich.
Drittens: Threads, der Twitter-Konkurrent von Meta, dem Konzern hinter Facebook, Instagram und WhatsApp. Threads hat in nur fünf Tagen mehr als 100 Millionen Nutzer gesammelt – und ist damit die bisher am schnellsten gewachsene Social-Media-Plattform. Wegen Bedenken beim Datenschutz ist Threads von der EU aus aber nur über Umwege nutzbar.
Führt ein Wechsel zu einer dieser Alterntativen nicht wieder zum selben Problem wie jetzt bei Twitter?
Alle drei Plattformen sind mit Twitter vergleichbar. Vor allem Threads könnte am Ende mit einer großen Zahl an Nutzern überzeugen – die sich damit aber wieder in die Abhängigkeit eines großen Unternehmens begeben, das zudem immer wieder lasch mit dem Datenschutz umgeht.
Deutsche Nutzer können sich bisher nur bei Mastodon anmelden – eine Plattform, hinter der kein großes Unternehmen steckt, sondern die von einer freien Community vorangetrieben wird und bei der die Nutzer die Hoheit über ihre eigenen Daten haben.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 10. Juli 2023, 16:20 Uhr