Besuch in Kiew: Warum Kinder ihre Hausaufgaben in der U-Bahn machen

Anna Chaika
Anna Chaika flüchtete vor einem Jahr von Kiew nach Bremen. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

Journalistin Anna Chaika ist in ihre Heimatstadt Kiew gereist. Trotz des Krieges, versuchen die Menschen so normal wie möglich zu leben. Ängstlich ist Anna trotzdem.

Es ist ein weiterer Tag, ein weiterer Luftangriff – eine Sirene warnt alle, Schutz zu suchen. Für mich ist sie dieses Mal nicht nur alarmierend, sondern auch irritierend, denn ich habe Pläne und die muss ich nun ändern, weil die Bomben aus Russland versuchen, mich zu töten. 

Leben in der Stadt steht kurz still

U-Bahnstation mit wartenden Menschen
Bei Sirenenalarm suchen viele Menschen Schutz in den U-Bahn-Stationen. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

Wenn die Sirene ertönt, stehen alle öffentlichen Verkehrsmittel still – und die U-Bahn dient als kostenloser Schutzraum. Da ich bereits draußen bin, verstecke ich mich in der U-Bahn. Aber das scheint keine gute Idee zu sein.

Menschen warten auf eine U-Bahn in der Ukraine
Gemeinsames Warten auf das Ende des Alarms. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

Ich befinde mich im Stadtzentrum, also sind viele Menschen in der U-Bahn. Alle stehen auf dem Bahnsteig und warten auf das Ende des Alarms.

Die Züge fahren nur bis zu einer bestimmten Station, darunter auch die Zentralstation. Da stehe ich gerade. Alle fünf Minuten kommen mehr und mehr Leute. Viele von ihnen sind genervt, weil der ganze Tag und alle ihre Pläne zunichtegemacht wurden.

Vorsicht als ständiger Begleiter

Als ich in der U-Bahn saß – immer noch in einer großen Menschenmenge – fühle ich Angst und bin misstrauisch gegenüber allen. Anfang des Krieges war ich auch schon misstrauisch, weil es viele Saboteure in der Stadt gab. Damals haben sie Markierungen und Sprengsätze unter Gebäuden angebracht.

Junge Menschen warten in einem U-Bahn-Tunnel
Trotz des Krieges halten viele an ihren Tagesplänen fest. Bild: Radio Bremen | Anna Chaika

Jetzt schaue ich die Leute in der U-Bahn mit Argwohn an, vor allem Männer mit großen Taschen. Ich frage mich: Was ist in diesen Taschen? Vielleicht sollte ich woanders hingehen? Vielleicht bin ich paranoid, aber zusätzliche Vorsicht ist nie schlecht.

An der U-Bahn Station sind mittlerweile viele Jugendliche und Schulkinder unterwegs. Sie machen ihre Physik-Hausaufgaben direkt in der U-Bahn und lesen die Aufgabenstellung laut vor: "Was sind die Eigenschaften des elektrischen Wechselstroms?"

Das Leben geht weiter – so gut es eben geht.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Sonntagmorgen, 2. April 2023, 11:40 Uhr