Tag der Handschrift: Darum lohnt sich der Griff zum Stift für jeden
Mit der Hand schreiben statt zu tippen ist für das Hirn hilfreich. Eine Schreibmotorikerin gibt Tipps und erklärt, warum das Digitale die Handschrift nicht zwingend bedroht.
Die eigene Handschrift ist für die meisten Menschen etwas Alltägliches über das wir selten nachdenken. Und doch begleitet sie uns ein Leben lang. Für Marianela Diaz Meyer sind Handschriften Teil ihres Berufs: Sie ist die Leiterin des Schreibmotorik Instituts in Bayern und forscht unter anderem an neuen didaktischen Strategien, wie Kinder besser das Schreiben erlernen können. Aber von vorne: Was brauchen wir Menschen eigentlich zum Schreiben und wie hängt das mit unserem Gehirn zusammen?
Mit der Hand schreiben bildet
In der Fachsprache wird weniger von der Handschrift, sondern von der sogenannten Schreibmotorik gesprochen, verrät Diaz Meyer. Gemeint sind hiermit die feinen Bewegungen, die wir mit Stift in der Hand auf einem Blatt Papier ausführen, was dann im Gesamtbild Schriftzeichen ergibt. Besonders wichtig hierfür ist das Zusammenspiel koordinierter Bewegungen unserer Körperteile.
So ermöglichen beispielsweise der kleine Finger und feine Handgelenksbewegungen die Ausgestaltung der Schrift in der Höhe und Breite. Und auch kleine Bewegungen aus dem Arm und der Schulter kommen beim Schreiben zum Einsatz. Dazu kommt dann noch eine Interaktion von Hüften, Gelenken und mehr als 30 Muskeln. Klingt fast nach Sport.
Schreibschrift ist vor allem Kopfsache
Aber auch das Gehirn wird während des Schreibens beansprucht: Ganze zwölf Hirnareale werden laut Diaz Meyer während der handschriftlichen Bewegungen aktiviert. Das sind unter anderem die Hirnbereiche, die unsere Wahrnehmung, die Verarbeitung von Informationen und die der motorischen Ausführung steuern. "Neurowissenschaftliche Studien belegen, dass durch das Handschreiben Kinder wie auch Erwachsene besser lesen lernen", so die Expertin. Doch vor allem ist es wahres Gehirnjogging, das unseren Denkmotor auf Trab hält.
Sie können sich besser Faktenwissen merken und ein besseres inhaltliches Verständnis erlangen. Vor allem für konzeptionelle Prozesse ist das Handschreiben wichtig.
Marianela Diaz Meyer, Schreibmotorik Institut
Außerdem erhöht sich dadurch die Merkfähigkeit. Bedeutet: Texte können besser verstanden und durchdrungen werden, erklärt die Expertin. Alles in allem lässt sich also festhalten: Das handschriftliche Schreiben ist wichtig für unsere kognitiven Fähigkeiten und das gilt für Menschen jeden Alters.
Wer mit seiner Sauklaue hadert, für den hat Diaz Meyer diese Botschaft: "Es geht nicht darum, schön zu schreiben. Sondern flüssig und lesbar zu schreiben." Deshalb geht es nach ihrer Erfahrung ganz oft einfach darum, langsamer zu schreiben für eine bessere Lesbarkeit. Mit dem richtigen Rhythmus sei schon viel gewonnen.
"Blindes Schreiben" im Alter von 16 Jahren
Die "eigene" Handschrift entwickle sich schon sehr früh im Kindergarten. Die Mehrheit der Kinder fängt mit vier Jahren an, den eigenen Namen zu schreiben. Und das machten sie rund 500 Mal, bevor es dann in die Schule gehe. Ab Ende der vierten Klasse sollten die Schüler in der Lage sein, flüssig und lesbar zu schreiben. Das Schreiben automatisiert sich laut Diaz Meyer dann mit etwa 16 Jahren. Ab diesem Zeitpunkt müsse man sich nicht mehr in erster Linie auf das visuelle Erscheinungsbild der Schrift konzentrieren.
Eine Handschrift ist wie ein Fingerabdruck.
Marianela Diaz Meyer, Schreibmotorik Institut
Menschen könnten ab diesem Alter mit verschlossenen Augen schreiben, weil das Zuschreibende bereits im Gehirn "vorgeschrieben" sei. Gut fürs Hirn, denn dann bleibt mehr Kapazität für Kreativität. In der Regel kommt das auch der Rechtschreibung zugute. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen einer guten Handschrift, einem guten Leseverständnis und einer korrekten Rechtschreibung.
Leider wird in der Pisa-Studie das Thema Handschreiben nicht berücksichtigt. Dabei hat das einen direkten Zusammenhang mit Bildung und mit Lernen.
Marianela Diaz Meyer, Schreibmotorik Institut
Handschrift bedeutet eine echte Bildungschance
Smartphone, Laptop, PC: Was macht das ständige Tippen einerseits mit der Handschrift, aber auch mit dem Hirn? "Es geht nicht nur um eine schöne, sichtbare Kulturtechnik, sondern es geht um echte Bildungschancen", beteuert Diaz Meyer. Die Digitalisierung stellt für sie nicht grundsätzlich eine Bedrohung für die individuelle Handschrift dar. Eine Studie macht ihr Hoffnung: Selbst wenn Kinder inzwischen motorisch nicht mehr ganz so gut entwickelt sind wie noch vor Jahren, ließe sich das mit nur einer Stunde Motorik-Übungen in der Woche aufholen.
Ganz gleich, nach welcher Methode in den Grundschulen in Bremen und Bremerhaven Schreiben beigebracht würde und welche Ausgangsschrift zum Einsatz kommt: Mittels solcher universeller Bewegungsübungen kann die Schrift deutlich flüssiger und schneller werden. So besteht eine Übung beispielsweise darin, ein Stück Papier zu zerknüllen und darauf eine Berglandschaft zu malen.
Die Medien ändern sich, aber die Handschrift bleibt.
Marianela Diaz Meyer, Schreibmotorik Institut
Und immerhin könne inzwischen die persönliche Schreibmotorik auch bei digitalen Medien eingesetzt werden wie auf interaktiven Whiteboards oder Tablets, die Handschriften integrieren. Deswegen biete die Digitalisierung ein Potenzial, das noch nicht ausgeschöpft sei.
* Erstmalig veröffentlicht am 23. Januar 2023.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 23. Januar 2024, 10.10 Uhr