Darum zog das Mysterium "Nordpol" König Wilhelm nach Bremerhaven
Eine Reise in die Arktis ist ein gefährliches Abenteuer. Eisberge und Packeis sind teils unüberwindbar. Vor 150 Jahren brach eine Expedition von Bremerhaven aus auf.
Die nördliche Polarregion mit Schiffen zu erreichen, war schon vor 150 Jahren ein großer Traum der Forscher. Deshalb ist die Stimmung im Jahr 1869 vor der zweiten deutschen Arktisexpedition sehr euphorisch.
Es wird zu den größten Thaten unserer an Entdeckungen reichen Zeit gerechnet werden, […] den Schleier von dem Mysteriums des Nordpols gelüftet zu haben.
schreibt die "Illustrirte Zeitung" aus Leipzig
Schon im Jahr zuvor war die erste deutsche Polarexpedition unter Kapitän Koldewey dem Mysterium Nordpol ziemlich nahe gekommen, aber entschleiern konnte sie es nicht: Sie hatte die grönländische Küste am Ende nicht erreicht.
Nun wagten die Männer um Koldewey den zweiten Anlauf. König Wilhelm von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm I, schickte die Expedition persönlich auf den Weg. Die "Illustrirte" Zeitung berichtet über diesen Moment am 3. Juli 1869:
"Die Abfahrt bot einen wahrhaft erhebenden Anblick. Vor dem neuen Bassin in Bremerhaven lagen beide Schiffe "Germania" und "Hansa" an der Mole, an dem Ufer drängte sich Mann an Mann und wartete auf das Erscheinen des Königs, welcher […]sich an Bord des Norddeutschen-Lloyd-Dampfers "Deutschland" befand. Jetzt ertönt ein tausendstimmiges "Hurrah", die Matrosen der "Deutschland" fliegen die Wanten hinauf und stellen sich auf den Raaen in Parade. Der König […] begibt sich von dem stolzen transatlantischen Dampfer zu den kleinen unscheinbaren Schiffen, die das nördliche Polarmeer erschließen sollen."
Der König und sein Reichskanzler Bismarck waren an diesem 15. Juni die letzten Besucher an Bord. Dann nahm der Dampfer "Simson" die "Germania" ins Schlepptau, der "Bullan" die "Hansa". Ein dreimaliges "Hoch!" von Bord der Schiffe wurde vom Lande erwidert. Sie zogen zum Vorhafen hinaus. […] Rasch eilten die Schiffe der Wesermündung zu.
Erstes echtes Expeditionsschiff
Die "Germania" ist das Hauptschiff dieser zweiten deutschen Nordpolarfahrt. Der Schraubendampfer mit voller Besegelung ist auf der Bremerhavener Tecklenborg-Werft für die Expedition gebaut worden. Um den extremen Bedingungen einer monatelangen Arktisreise standzuhalten, wurde der Rumpf extra mit Eisenblechen verstärkt. Zudem misst der Dampfer eine Länge von 31,5 Metern, eine Breite von knapp acht Metern und einen Tiefgang von drei bis vier Metern. Die Maße sind ideal, um nahe an den Eisraum heranzusteuern oder enge Wasserrinnen problemlos zu passieren.
Als zweites Schiff legte die "Hansa" ab. Der ehemalige Indien-Segler begleitete die Expedition als Versorgungsschiff. Während die "Germania" die Ostküste Grönlands erreichte, hatte die Besatzung der "Hansa" weniger Glück. Ihr Schiff wurde vom Packeis zerdrückt. Die Männer retteten sich auf eine riesige, nach Süden driftende Eisscholle und bauten sich mit Kohlenbriketts aus dem Schiff eine Unterkunft. 200 Tage harrten sie auf ihrer immer kleiner werdenden Eisscholle aus, dann bestiegen sie ihre Boote und erreichten schließlich Grönland. Beide Mannschaften kehrten im September 1870 nach Bremerhaven zurück. Der Nordpol konnte nicht auf dem Seeweg erreicht werden. Das war ein Ergebnis der Expedition.
Faszination Nordpolarfahrt
In dieser Zeit entstand sogar ein Würfelspiel mit insgesamt 56 Feldern. Das Anfangs- und Schlussfeld zeigt die beiden Expeditionsschiffe in Bremerhaven. Mittendrin der Nordpol, über dem ein Engel eine lange Nase zeigt. Die Spielregeln sind nicht überliefert. Aber es zeigt, wie sehr die Menschen dieses Forschungsreise vor 150 Jahren beschäftigt hat.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Die Chronik, 15. Juni 2019, 7:50 Uhr