Fragen & Antworten
Mit dem Kind über Sex sprechen, aber wie? So gelingt es
Kinder und Jugendliche haben viele Fragen rund um Sexualität, doch als Eltern mit ihnen darüber zu sprechen, ist gar nicht so einfach. Zwei Bremer Expertinnen geben Tipps.
Wenn das erste Geschwisterchen unterwegs ist oder die Pubertät einsetzt, kommen bei Kindern oft die ersten Fragen zum Thema Sexualität auf – und die können auch Erwachsene überfordern. Trotzdem sollten Eltern solche Gespräche nicht lange aufschieben. Zwei Bremer Expertinnen erklären, wie Aufklärung mit Kindern und Teenagern zuhause gut gelingen kann.
Wie spreche ich mit meinem Kind am besten über Sexualität?
"Als Elternteil sollte man Offenheit und Gesprächsbereitschaft zeigen", sagt die Bremer Sexualpädagogin Nora Dilling. Frühe Fragen wie "Hast du einen Penis oder eine Vulva?" oder "Wie entstehen Kinder?" sollten Eltern so beantworten, als würde das Kind zum Beispiel fragen, warum es regnet. "Erwachsene müssen nicht gleich die ganze Komplexität erwachsener Sexualität erklären."
Eltern sollten auch nicht zu aufdringlich sein, mahnt Dilling. So seien frei zugängliche Ratgeber zwar hilfreich, sie sollten aber nicht jeden Abend aufs Bett der Kinder gelegt werden. Trotzdem sollten Eltern der Neugier der Kinder Raum geben: "Es sollte Spiegel geben, die abnehmbar sind, damit sich Kinder mit Vulva auch mal von unten anschauen können", sagt Dilling.
Unaufgeregtheit empfiehlt auch die Soziologin und systemische Therapeutin Caro Schulze beim Thema Queerness. Schulze arbeitet in der queeren Familien- und Coming-out-Beratung in Bremen: "Das Beste ist, wenn Queerness ein selbstverständlicher Teil des Lebens ist. Ich selbst erzähle ganz normal davon, dass ich mit einer Frau zusammen bin und die meisten Kinder sind da ganz entspannt."
Und wie rede ich mit Teenagern am besten über Sexualität?
Dilling rät dazu, Gespräche anzubieten, wenn die erste Menstruation ansteht oder sich erste Sexualkontakte anbahnen. Wichtig sei es dabei, die Grenzen der Teenager zu respektieren. "Die Jugendlichen sollten das Klo abschließen können und Eltern sollten nicht ohne anzuklopfen ins Zimmer kommen", sagt Dilling. Um Scham abzubauen, könne es auch helfen, wenn Mütter Menstruationsartikel wie Tampons und Binden offen und frei zugänglich in der Wohnung aufbewahrten und sie nicht versteckten.
Gibt es bei der Aufklärung von Jungen und Mädchen Unterschiede, die Eltern beachten sollen?
Ja, je nach Sozialisation des Kindes sollten Eltern laut der Sexualpädagogin Dilling über verschiedene Themen reden: "Es gibt immer noch zu viele Medien, in denen der Mann den ersten Schritt machen muss und über die ersten Neins der Frau drüber geht, um sie zu erobern. Jungs sollte man daher über Konsens aufklären und sagen, dass es wichtig ist, sensibel zu sein und auf das Gegenüber zu hören", sagt Dilling.
"Mädchen sollte man sagen: Du darfst Nein sagen und deine Grenzen ziehen." Ein weiteres Problem bei der weiblichen Sozialisation sei fehlendes Wissen über die eigene Lust. "Während sich Jungen viel häufiger selbst befriedigen, erfahren viele Mädchen ihre Sexualität erst durch heterosexuellen Sex mit einem Jungen", so Dilling. Eltern käme hier die Aufgabe zu, ihren Töchtern ein positives Selbstverständnis zu vermitteln.
Eltern sollten das Recht auf Lust vermitteln, also dass die Vulva ein schönes Organ ist und nichts, wofür wir uns schämen sollten und dass Selbstbefriedigung in Ordnung ist.
Nora Dilling, Sexualpädagogin aus Bremen
Wie kann ich mein Kind unterstützen, wenn es sich fragt, ob es queer ist?
Falls sich ein Coming-Out anbahnt, sollten Eltern den Kindern Raum dafür geben und sie unterstützen: "Die wichtigste Regel ist, dass das Kind den Zeitpunkt und die Geschwindigkeit bestimmt, und den Prozess selber gestaltet", sagt Schulze.
Wenn Eltern Angst haben, dass ihr Kind Diskriminierung erfahren könnte, könnten sie sich Unterstützung suchen. "Kinder merken, wenn Sie das Thema belastet. In einer Elterngruppe kann man diese Gefühle zeigen und alle Fragen stellen, die man hat." Falls das Kind in der Schule tatsächlich Ablehnung erfährt, könne man zum Beispiel die Queere Bildung vom Rat & Tat Zentrum in die Klasse einladen. "Wenn es gar nicht auf offene Ohren stößt, muss die LSBTIQ+-Beauftragte bei der Senatorin für Bildung eingeschaltet werden", sagt Schulze, "die meisten Lehrer*innen sind aber schon sehr engagiert und offen für diese Themen."
Welche Auswirkungen haben das Internet und die Sozialen Medien auf die Aufklärung?
"Wenn es zum Beispiel um Sex-Stellungen geht, können Jugendliche das alles runter rattern und wissen genau, was zum Beispiel ein Blowjob, Cunniligus oder ein Deepthroat bedeutet", sagt Expertin Dilling. Obwohl es kaum verlässliche Langzeitstudien über Pornokonsum gäbe, könne man davon ausgehen, dass Pornos den Sex von Jugendlichen stark beeinflussen: "Jugendliche haben immer häufiger Analverkehr, vermutlich weil das auch in Pornos passiert. Das ist für junge Frauen aber oft sehr schmerzvoll", sagt Dilling.
Ein weiteres Problem seien unrealistische Erwartungen, die durch Pornos geweckt würden: "Da sind Schauspieler*innen mit genormten Körpern und es wird nonstop penetriert." Die Sexualpädagogin empfiehlt Eltern, Kinderschutzsperren auf digitalen Endgeräten zu installieren, die den Zugang zu bestimmten Seiten blockieren.
Ein weiteres Problem seien sogenannte Dickpics, also Bilder von Penissen, die Männer ungefragt verschickten. "Fast alle Mädchen haben schon so ein Bild bekommen. Es ist so normalisiert, dass sie das gar nicht mehr als Übergriff erleben", sagt Dilling, "deswegen muss man die Jugendlichen aufklären und sagen, dass das falsch ist, dass es gesetzlich verboten und ein sexueller Übergriff ist."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 13. August 2024, 19:30 Uhr