Fragen & Antworten

Gute Arbeit mit schlechtem Image? Woran die Pflege in Bremen krankt

Alles für den Nachwuchs: Bremer Kliniken werben um Pflege-Azubis

Bild: dpa | Hendrik Schmidt

Geld für Studis, gute Perspektiven für Azubis: In der Pflege tut sich etwas. Trotzdem fehlen Interessenten. Bremer Akteure aus der Pflege sagen, wie sich das ändern könnte.

Das Land Bremen braucht mehr Pflegekräfte. Da schmerzt es umso mehr, dass voriges Jahr landesweit 86 Ausbildungsplätze in der Pflege unbesetzt geblieben sind, ähnlich wie in den Jahren zuvor. Das zeigen Zahlen aus dem Bremer Gesundheitsressort. Ein Lichtblick: Seit Januar erhalten nicht nur Auszubildende, sondern auch Pflege-Studierende eine Vergütung. Wie sich das langfristig und speziell im Land Bremen auswirken wird, lässt sich aber noch nicht absehen.

Umso mehr herrscht Einigkeit unter den Akteuren der Branche darin, dass noch mehr geschehen muss, um Auszubildende, Studierende und gestandene Pflegekräfte für Bremen zu gewinnen. buten un binnen hat mit Experten aus Theorie und Praxis über die Lage in der Pflege gesprochen.

Was für Ausbildungswege gibt es für angehende Pflegekräfte?

Es gibt zwölf Pflegeschulen im Land Bremen. Sie bieten von einjährigen und zweijährigen Ausbildungen zu Pflege-Assistenzkräften bis hin zu dreijährigen genrealistischen Ausbildungen zur Pflegefachkraft unterschiedlich anspruchsvolle Qualifikationen an. Dafür müssen die Schülerinnen und Schüler in der Regel einen mittleren Schulabschluss beziehungsweise die erweiterte Berufsbildungsreife (erweiterter Hauptschulabschluss) vorweisen.

Porträt von Prof. Dr. Claudia Stolle
Glaubt, dass mehr junge Menschen mit Pflegeberufen liebäugeln würden, wenn die Schulen die Themen "demographischer Wandel" und "Pflege" stärker aufgriffen: Claudia Stolle. Bild: privat


Wer eine Hochschulzugangsberechtigung hat, kann in Bremen auch Pflegeberufe studieren, sowohl an der Uni als auch an der Hochschule Bremen. Seit Beginn des Jahres erhalten die Studierenden der Pflege aufgrund eines neuen Gesetzes mit Beginn des Studiums einen Ausbildungsvertrag bei einem Träger aus der Gesundheitsversorgung wie einem Klinikum sowie eine Vergütung von rund 1.200 bis 1.500 Euro pro Monat. Das entspricht dem Gehalt, dass auch die Schülerinnen und Schüler an Pflegeschulen während ihrer dreijährigen Ausbildung zur Pflegefachkraft erhalten.

Claudia Stolle, Leiterin des Internationalen Studiengangs Pflege an der Hochschule Bremen, sieht darin einen großen Gewinn: "Durch die monatliche Vergütung gewinnt das Studium an Attraktivität. Die Studierenden benötigen keine Nebenjobs mehr, um ihr Studium zu finanzieren, können sich ganz auf das Studium konzentrieren."

Pflegefachausbildungen im Land Bremen

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Pflegeassistenzausbildungen

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Nicht jeder kann und will studieren. Für diejenigen wären Pflegeschulen eine gute Alternative. Doch Bremens Pflegeschulen finden nicht genügend Interessenten. Woran liegt das?

Pflegeberufe hätten "kein cooles Image", sagt Daniela Reinhardt, stellvertretende Leiterin des Bremer Zentrums für Pflegebildung: "Viele verbinden Pflege vor allem mit hoher Arbeitsbelastung und unattraktiven Dienstzeiten."

Ähnlich äußert sich Stolle: "Die Pflege hat keinen guten Ruf." Dazu trage auch bei, dass die Medien vorzugsweise negative Aspekte des Berufs aufgriffen, etwa den hohen Arbeitsdruck. "Dabei zeigen Studien, dass die meisten Pflegenden ihrem Beruf sehr gern und lange nachgehen."

Porträt von Daniela Reinhardt
Daniela Reinhardt vom Bremer Zentrum für Pflegebildung kritisiert, dass Pflegeberufe in Deutschland zu Unrecht ein schlechtes Image hätten. Bild: privat

Welche positiven Aspekte an der Arbeit in der Pflege kommen laut den Expertinnen in der Berichterstattung weithin zu kurz?

"Pflege ist Prävention, Pflege ist Gesundheitsförderung, Pflege ist Beratung und Anleitung in schwierigen Situationen", sagt Reinhardt. Zudem könne man sich als Pflegekraft ständig weiterbilden und spezialisieren, so gut wie in kaum einem anderen Beruf.

Stolle betont, dass Pflegekräfte viel Zeit mit den Menschen verbringen, die sie pflegen, ein Mediziner hingegen sehe den einzelnen Patienten selbst im Krankenhaus bestenfalls wenige Minuten am Tag. "Die Pflegekraft ist DIE Netzwerkperson zwischen Patient und Therapeuten, Ärzten und so weiter. Das macht den großen Reiz aus", so Stolle. Die Patientinnen und Patienten zeigten Pflegenden zudem immer wieder ihre Dankbarkeit.

Als Pflegekraft sieht mehrmals am Tag dankbare Augen und hört regelmäßig dankende Worte.

Claudia Stolle, Hochschule Bremen

Wie könnten Pflegeschulen, Hochschulen und die Gesellschaft mehr Menschen für Pflegeberufe gewinnen?

Reinhardt glaubt, dass hierzu vor allem mehr Aufklärung darüber, was Pflegeberufe ausmacht, vonnöten wäre. "Nur wenige Menschen wissen zum Beispiel, was eine generealistische Ausbildung ist", sagt sie.

Stolle fügt hinzu, dass man mit der Aufklärung über Pflegetätigkeiten schon in den Schulen anfangen sollte: "Die Schulen thematisieren zu wenig die Folgen des demografischen Wandels und die Bedeutung von Pflege als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe."

Ein Krankenpfleger bei der Verabreichung einer Infusion.
In Krankenhäusern bieten sich Pflegekräften viele Spezialisierungsmöglichkeiten. Unser Foto zeigt einen Pfleger, der eine Infusion vorbereitet. Bild: dpa | picturedesk.com/Hans Klaus Techt/APA

Wie versuchen Kliniken, Auszubildende und Studierende für Pflegeberufe zu gewinnen?

Grundsätzlich arbeiten Kliniken und andere Träger aus der Gesundheitsbranche eng mit Pflegeschulen und Hochschulen zusammen. So auch das Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide. Es kooperiert unter anderem mit der Hochschule Bremen. Um junge Menschen für eine Ausbildung im Klinikum zu begeistern, bemühe man sich um einen möglichst modernen Unterricht, sagt Witiko Nickel, pflegerischer Geschäftsführer des Klinikums: "Wir versuchen durch Digitalisierung der Lern- und Lehrbedingungen attraktiv zu sein für Bewerberinnen und Bewerber." So erhielten alle Auszubildende Tablets für die gesamte Dauer ihrer Ausbildung.

Zudem verlagerten die Ausbilderinnen und Ausbilder des Klinikums den Unterricht immer mehr aus dem konventionellen Klassenzimmer in die Klinik. "Dazu haben wir Skill-Rooms mit Puppen, an denen man manuelle Fähigkeiten trainieren kann", sagt Nickel. Auf diese Weise könnten die Schülerinnen und Schüler Inhalte, die sie in der Theorie gelernt hätten, nahezu unmittelbar zumindest in einer simulierten Praxis umsetzen. "Das macht nicht nur Spaß, sondern gibt auch Sicherheit", sagt der Pflegemanager.

Vor allem aber setzt das Klinikum Reinkenheide auf Alleinstellungsmerkmale bei der generalistischen Ausbildung, um Auszubildende zu gewinnen: "Wir bieten seit 2021 die Spezialisierung 'Pädiatrie' an und neuerdings zusätzlich die Spezialisierung 'Psychiatrie'". Tatsächlich sei die Zahl der Bewerber leicht gestiegen, seit sich Auszubildende am Klinikum Bremerhaven in Richtung Pädiatrie (Kinderheilkunde) spezialisieren können, sagt Nickel. "Jetzt hoffen wir natürlich, dass es bei der Psychiatrie ähnlich läuft, dass auch hier die Leute sagen: Da will ich später einmal arbeiten, also sollte ich mich in Bremerhaven zur Pflegefachkraft mit Schwerpunkt Psychiatrie ausbilden lassen."

Porträt von Dr. Witiko-Nickel
Witiko Nickel hofft, dass das Klinikum Bremerhaven durch Spezialisierungen bei der generalistischen Pflegeausbildung viele potentielle Pflegekräfte anspricht. Bild: Klinikum Bremerhaven Reinkenheide

Bei allen Bemühungen: Viele neue Pflegekräfte sind nicht in Deutschland ausgebildet worden, sondern kommen beispielsweise von den Philippinen oder aus dem arabischen Raum. Was steckt dahinter und wie werden diese Pflegekräfte integriert?

Der Bedarf an Pflegekräften in Deutschland ist so groß, dass er sich nicht allein mit hiesigen Berufseinsteigern abdecken lässt. Daher rekrutieren Kliniken wie das Klinikum Bremerhaven zusätzlich Pflegekräfte aus dem Ausland. Dazu erklärt Nickel: "Wir arbeiten mit externen Agenturen. Dann wählen wir üblicherweise die neuen Kolleginnen und Kollegen vor Ort aus." In der Folge dauere es erfahrungsgemäß acht bis 14 Monate, ehe die ausgewählten Arbeitskräfte alle erforderlichen Papiere beisammen haben und in Bremerhaven mit der Arbeit beginnen können.

Nach Verzögerungen während der Corona-Pandemie laufe es nun wieder schneller, sagt Nickel: "Wir haben im Januar 21 neue Kolleginnen und Kollegen, größtenteils aus Indien, begrüßt." Um die Pflegekräfte aus dem Ausland möglichst gut willkommen heißen und einarbeiten zu können, habe das Klinikum Bremerhaven sein Integrationskonzept aktualisiert und werde demnächst eine "Ankunftsstation" einrichten: Dazu soll eine Station so umfunktioniert werden, dass dort ein Stammteam aus erfahrenen deutschsprachigen Mitarbeitern neue internationale Arbeitskräfte behutsam an die Hand nimmt und ihnen Arbeitsabläufe sowie teilweise auch die Sprache vermittelt.

Das Klinikum bietet außerdem Englischkurse für Pflegekräfte an. "Englisch ist oft in der Anfangszeit die Brücke zwischen deutschen Pflegekräften und solchen aus anderen Ländern", erklärt Nickel den Hintergrund.

Sind Kräfte aus dem Ausland der Ausweg aus dem Pflegenotstand?

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. Januar 2024, 19:30 Uhr