Fragen & Antworten
Wie Bremen Menschen hilft, die keine Papiere haben
Wer keine Papiere hat, erhält nur schwer oder keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Wie groß ist das Problem und welche Wege gibt es aus der Illegalität?
Kein deutscher Pass, keine Aufenthaltsgenehmigung – keine Behandlung beim Arzt. Ein Pilotprojekt des Bremer Gesundheitsressorts soll dem Abhilfe schaffen. Das Projekt gewährt Menschen ohne Papieren oder Krankenversicherung Zugang zu medizinischer Versorgung, gestartet ist es im Juli 2022.
Eine Studie des "Instituts für Public Health und Pflegeforschung" (IPP) stellte dem Projekt Ende August ein positives Zeugnis aus. Demnach habe es Menschen den Zugang zu medizinischer Versorgung ermöglicht, Nichtversicherte haben durch das Programm versichert werden können. Das Programm wurde im November 2023 bis Ende 2025 verlängert.
Doch für viele papierlose Menschen bleibt das Problem mit der fehlenden medizinischen Versorgung und dem Leben in der Illegalität bestehen.
Was bedeutet "papierlos" und wie viele Menschen in Bremen betrifft das?
"Mit dem Status sind Menschen gemeint, die keinen legalen Aufenthaltsstatus in der BRD haben", sagt Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts. Das könne passieren, wenn man illegal einreist oder der Asylantrag abgelehnt wird.
Sozialwissenschaftliche Studien gehen laut Schneider von 200.000 bis 600.000 Betroffenen in Deutschland aus. Für Bremen ergebe sich aus diesen Zahlen die Schätzung von etwa 2.000 bis 6.000 Personen ohne Papiere.
Welche Probleme haben papierlose Menschen?
Ohne Papiere ist eine Anmeldung bei einer Sozialversicherung nicht möglich. Außerdem können Betroffene keinen Arbeitsvertrag unterschreiben. Das macht es schwierig, den Lebensunterhalt zu bestreiten und führt zu Abhängigkeitsverhältnissen und Schwarzarbeit.
Papierlose müssen außerdem Angst davor haben, abgeschoben zu werden, weswegen der Gang zu Behörden oder der Polizei meistens nicht infrage kommt. Daher ist Anonymität oder Schweigepflicht bei Hilfsangeboten eine der Grundvoraussetzungen, damit diese überhaupt angenommen werden. "Papierlose sind also in allen Belangen des Lebens auf Unterstützung aus ihrem Umfeld angewiesen", sagt Schneider dazu.
Wie vielen Betroffenen konnten durch das Projekt geholfen werden?
Im Schnitt kamen 180 Menschen monatlich seit Eröffnung des Projekts im Jahr 2022 zur Behandlungsstelle, davon seien rund 60 Prozent medizinisch untersucht und behandelt worden. Zudem wurden von Juli 2022 bis Ende 2023 knapp 3.000 Behandlungsscheine ausgestellt.
Das Projekt hat auch Menschen ohne Krankenversicherung geholfen. Betroffen sind laut Kristin Viezens, Sprecherin Gesundheitsressorts etwa Selbstständige, Erwerbslose und Wohnungslose, aber auch Menschen, die wegen Insolvenzen oder Einkommensausfällen die Beiträge nicht mehr zahlen konnten oder EU-Bürger ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
Insgesamt ließen 886 Menschen ihren Versichertenstatus klären. 168 Personen wurden an eine Krankenkasse vermittelt. Zudem waren 142 Menschen versichert, ohne es zu wissen.
Wie hilft Bremen Menschen aus der Illegalität?
In Bremen gibt es seit Mai 2023 den "Clearing-Point – Sans Papiers". Dort soll papierlosen Menschen zu einem legalen Aufenthaltsrecht verholfen werden. Laut Markus Saxinger vom Clearing-Point prüft die Stelle, ob das Land Bremen für die Betroffenen zuständig ist und stellt dann einen anonymen Antrag bei den Ausländerbehörden. "Wenn aus der Antwort hervorgeht, dass eine Aufenthaltserlaubnis oder eine aufenthaltssichernde Duldung erteilt werden kann, wird der offizielle Antrag unter Angabe der persönlichen Daten eingereicht."
Erfolgreich seien solche Anträge beispielsweise, wenn sich Betroffene in medizinischen Notlagen befinden oder wenn die Aufnahme einer Ausbildung oder einer qualifizierten Beschäftigung unmittelbar ermöglicht würde.
Wie wird das Angebot "Clearing-Point" bisher angenommen?
Bis zum vergangenen Juli hatten sich insgesamt 140 Personen in der Stelle beraten lassen, neun von ihnen erlangten dadurch eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung. In knapp 100 Fällen wurde die Beratung frühzeitig abgebrochen, da keine Chance auf eine Legalisierung bestand.
Saxinger erklärt diese Zahlen mit den hohen Hürden für eine erfolgreiche Beratung. So müssten Betroffene vor dem 8. Mai 2021 nach Deutschland eingereist sein und kein anderes Bundesland dürfe zuständig sein. "Die Mehrzahl der in Bremen lebenden Papierlosen erfüllt diese Kriterien nicht", sagt Saxinger. Außerdem brauche die Beratung Zeit. Ängste bei den Betroffenen müssten abgebaut, Dokumente beschafft und übersetzt werden und zudem sei das Migrationsamt personell überlastet.
Saxinger betont aber die Relevanz der Arbeit, auch wenn diese nicht aus der Illegalität führe. Denn Ratsuchenden werde auch der Zugang zu medizinischen Hilfsangeboten und Deutschkursen vermittelt – oder ihnen etwa geholfen, ihre Kinder an der Schule anzumelden. Der Clearing Point ist derzeit nur noch bis Ende Dezember 2024 bewilligt. "Wir hoffen sehr, dass eine Weiterführung möglich sein wird. Dies auch vor dem Hintergrund, dass viele Personen inmitten des oft langwierigen Beratungsprozesses stehen", sagt er.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 29. September 2024, 19:30 Uhr