"Das Eis stirbt": Davor warnen die Bremerhavener Arktis-Forscher
- "Mosaic"-Teilnehmer ziehen Bilanz der Expedition.
- Leiter Markus Rex sieht die Zukunft düster: "Das Eis stirbt".
- Forschungsministerin sagt weitere 10 Millionen zu.
Nach der Rückkehr des Forschungsschiffes "Polarstern" am Montag haben die Beteiligten in Bremerhaven eine erste Bilanz vorgestellt – und die fällt düster aus. Bereits während der Expedition hatten die Forscher gemeldet, dass das Eis im Nordpolarmeer schneller als erwartet schmelze. Nun wählte Expeditionsleiter Markus Rex drastischere Worte.
Das Eis stirbt.
Markus Rex, Leiter der "Mosaic-"Expedition
"Man braucht keine Messinstrumente, um das zu sehen", erklärte Rex weiter. "Wir haben wirklich das Meereis verschwinden gesehen. Wir sind im Sommer in einem Bereich der Arktis, der normalerweise vom dicken, mehrjährigen Meereis bedeckt sein sollte, durch große Flächen offenen Wassers gefahren." Direkt am Nordpol habe das Team "völlig marodes, durchlöchertes, aufgeschmolzenes" Eis gefunden. Im Winter seien die Temperaturen zehn Grad höher als vor 125 Jahren gewesen. "Wenn das so weitergeht mit dem Klimawandel, dann wird die Arktis in naher Zukunft im Sommer eisfrei werden", sagte Rex zu buten un binnen.
Auch die Direktorin des federführenden Alfred-Wegener-Instituts (AWI) Bremerhaven, Antje Boetius, befürchtet nach den gewonnenen Erkenntnissen Schlimmes. "Wenn wir die weißen Teile der Erde zum Verschwinden bringen, die ja das Sonnenlicht reflektieren und unser Klima überhaupt erst zu dem machen, wie wir es als Menschen kennen, dann leben wir auf einem anderen Planeten, der uns Menschheit nicht gut tut."
"Das sind Schreckensnachrichten, die wir ansprechen müssen"
Dass eine Expedition nur Hiobsbotschaften nach Hause bringt, gehört für Boetius zur wissenschaftlichen Realität: "Das sind die Schreckensnachrichten, wo wir sagen müssen: Das müssen wir ansprechen, wir müssen Wahrheiten vermitteln, das tun wir als Forscherinnen und Forscher", sagte sie am Montag in Bremerhaven.
Expedionsleiter Rex hoffe nun, dass die "Mosaic"-Daten helfen können, dem Klimawandel entgegenzuwirken: "Die kleine Chance, die wir haben, sollten wir nutzen." Klimaforschung sei wie die Rädchen in einer Uhr. Wir haben die Uhr geöffnet und die Funktion jedes Rädchens und Schräubchens angeschaut. Wir haben quasi bei jedem Rädchen geschaut, wieviele Zähnchen daran sind."
Ich bin mir sicher, dass die "Mosaic"-Ergebnisse die Klimaforschung auf Dauer verändern werden.
Markus Rex
Forschungsministerin sagt 10 Millionen für Auswertung zu
Auch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) war am Montag in Bremerhaven. Auf der Pressekonferenz zur Rückkehr sagte sie, die Forscher hätten "einen Datenschatz gehoben." Die Daten würden wichtige Lücken schließen. "Nur wenn wir wissen, wie der Klimawandel funktioniert, können wir auch in Deutschland Maßnahmen ergreifen, um dem Klimawandel wirksam zu begegnen." Für die Auswertung der gewonnenen Daten sagte Karliczek Bundesmittel von weiteren zehn Millionen Euro zu. Der Bund hatte die insgesamt 140 Millionen Euro teure Expedition bereits zur Hälfte finanziert.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. Oktober 2020, 19:30 Uhr