Infografik
Warum fehlen in Bremerhaven so viele Lehrer?
Warum ist Bremerhaven für Lehrer so unattraktiv und was könnte die Lage verbessern? Bremerhavens Schuldezernent beleuchtet das Problem.
In Bremen sind in diesem Jahr 75 Lehrerstellen unbesetzt, im wesentlich kleineren Bremerhaven sogar 126. Das Problem ist nicht neu. Auf Nachfrage von buten un binnen hat das Schulamt einen Blick auf die Zahlen der vergangenen Jahre geworfen. Bis 2018 reichen die Daten zurück, die das Amt liefern konnte. Damals fehlten 35 Lehrkräfte. Seitdem ist die Zahl kontinuierlich gestiegen.
Offene Lehrerstellen in Bremerhaven
Wenn es um Lehrer geht, ist die Zuständigkeit im Land Bremen im Grunde zweigeteilt: Die Städte stellen die Lehrer selbst an, das Land ist aber für einige Rahmenbedingungen zuständig, wie etwa die Schaffung von Lehramtsstudienplätzen und Qualifizierungsprogrammen für Quereinsteiger.
"Bremen muss sich an Absprachen halten"
Laut Bremerhavens Schuldezernent Michael Frost bietet das knapp 160 Seiten umfassende "Personalversorgungskonzept Schule", das die Bremer Bildungsbehörde im vergangenen Jahr vorgestellt hat und jährlich aktualisiert werden soll, genügend Ansätze, die Situation in den Schulen zu verbessern. Laut Frost wird dieses Konzept, das Bremen und Bremerhaven gemeinsam aufgestellt haben, allerdings "nicht mit dem nötigen Engagement in die Umsetzung gebracht".
Zudem halte sich Bremen nicht an Absprachen. So etwa bei der Zuweisung der Referendare. "Es gibt die Verabredung: 20 Prozent aller Referendarinnen und Referendare werden in Bremerhaven an den Bremerhavener Schulen ausgebildet. Diese Quote unterschreiten wir aber seit Jahren", sagte Frost. Lediglich 28 der rund 200 Referendare im Land Bremen kann Frost an diesem Freitag in Bremerhaven begrüßen. "Und das hat Auswirkungen auf die langfristige Personalversorgung", so der Schuldezernent.
"Land muss verstärkt fürs Referendariat werben"
Und hier sieht Frost eine weitere Stellschraube, um die Situation zu verbessern: "Es steigen zu wenig Absolventinnen und Absolventen aus den Universitäten ins Lehramt ein. Das ist inzwischen eine sehr bedrohliche Entwicklung." Die Werbung für das Referendariat, welche in der Hauptsache Landesaufgabe sei, müsse oberste Priorität haben und intensiviert werden, fordert Frost.
Da ringen wir inzwischen nahezu um jede einzelne Person.
Michael Frost, Schuldezernent Bremerhaven
Auch die Verzahnung zwischen Theorie und Praxis sei ein wichtiger Punkt. Die Bildungssenatorin müsse sich dafür einsetzen, dass die Studierenden schon frühzeitig die Bremer und Bremerhavener Schulen kennenlernen, um sie als spätere Lehrkräfte zu gewinnen.
Bremerhaven wirbt bundesweit um Lehrkräfte
Bei der Suche nach Lehrern schlug Bremerhaven in der Vergangenheit kreative Wege ein. So gab es bundesweite Werbekampagnen mit Plakaten, Imagefilmen, Flyern und Social-Media-Kanälen. Die genaue Erfolgsquote lässt sich nur schwer messen, aber einen Effekt konnte das Schulamt schon feststellen. So haben sich etwa in 2022, während eine Kampagne lief, 33 Personen beworben. Im Vergleichszeitraum im Jahr zuvor waren es nur 14.
Noch erfolgreicher waren laut Frost aber die verschiedenen Programme zur Lehrergewinnung, die die Stadt in der Vergangenheit aufgesetzt hat. So gibt es in Bremerhaven ein Stipendienprogramm für Lehramtsstudierende. Die Teilnehmer bekommen unter anderem monatlich 600 Euro. Im Gegenzug erklären sich die Stipendiaten bereit, anschließend als Lehrer in Bremerhaven zu arbeiten. Das Programm läuft erfolgreich: Bereits zum Start in 2017 haben sich 50 Studierende auf die zehn Plätze beworben.
Maßnahmen waren erfolgreich – aber reichen nicht
Hinzu kommen verschiedene Quereinstiegsprogramme, die Bremerhaven aufgesetzt hat. "Wenn wir jetzt mal gucken würden, wie viele Menschen wir in den letzten zehn, zwölf Jahren in die Schulen gebracht haben – nicht auf dem herkömmlichen Wege, sondern aufgrund dieser ganzen Programme, die wir hier zunächst mal selber gestemmt haben – dann ist die Zahl sicherlich dreistellig", sagt Frost. "Das ist schon mal eine enorme Leistung."
Ich glaube, dass es eine ganze Menge gebracht hat. Die Situation wäre nochmal dramatischer, wenn wir all diese Dinge nicht getan hätten. Aber gleichzeitig muss man eben sagen: Es reicht offensichtlich nicht.
Michael Frost, Schuldezernent Bremerhaven
Aber genau hier brauche es wieder die Unterstützung des Landes, sagt Frost: "Was wir nicht können, ist, eine richtige Ausbildung für diesen Personenkreis organisieren. Wir können keine Abschlüsse gewähren. Und das ist am Ende entscheidend. Denn die Leute wollen natürlich dauerhaft im Schulsystem bleiben. Und sie wollen am Ende auch einen Abschluss haben, und sie wollen das gleiche Geld für die gleiche Arbeit verdienen." Und am Ende sei es dann auch Sache der Bremischen Bürgerschaft, all diese Konzepte mit der notwendigen Finanzierung zu hinterlegen.
Bremerhaven will Lehrer entlasten
Künftig hält es der Schuldezernent für unausweichlich, insbesondere in den Fächern Kunst, Musik und Werken Fachkräften aus der Berufspraxis ohne Lehramtsbefähigung einzustellen. Auch hier wünscht er sich Unterstützung des Landes, um finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen zu klären.
Entwickelt werde derzeit zudem ein Personalkonzept zur Entlastung der Lehrkräfte von Verwaltungstätigkeiten, damit sich diese auf den Unterricht konzentrieren können. Auch das soll den Lehrerberuf in Bremerhaven attraktiver machen.
Lage und Image problematisch
Neben all den genannten Punkten sieht Frost aber auch die Lage Bremerhavens als Problem. Rund 30 Lehrerinnen und Lehrer sind zum neuen Schuljahr aus Bremerhaven in andere Bundesländer gewechselt. Im Vorjahr waren es rund 20. Eine Umfrage habe ergeben, dass häufig die schlechte Anbindung Bremerhavens ein Grund für den Wechsel war.
Das Thema sei komplex, so Frost. Einige Bremerhavener Lehrer würden im Umland wohnen. Baustellen auf der Autobahn und ausfallende Züge würden die Anreise erschweren. Die Deutsche Bahn sei quasi mitverantwortlich für den Lehrermangel in Bremerhaven.
Und zu guter Letzt nennt Frost auch das Image Bremerhavens als Ursache für den Lehrermangel: "Um diesem Trend entgegenzuwirken, muss der Magistrat in gemeinsamer Kraftanstrengung die Stadt als Wohnort und Lebensmittelpunkt noch attraktiver machen."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 1. August 2024, 19.30 Uhr