Wohin mit dem Kind? Zu wenig Ganztagsbetreuung für Bremer Grundschüler

In vielen Bremer Stadtteilen gibt es zu wenig Hort- und Ganztagsplätze an Grundschulen, besonders schlecht ist das Angebot im Bremer Norden. Das stellt viele Eltern vor Probleme.

Valeria E. ist verzweifelt. Die Bremerin ist alleinerziehend und hat ab dem Sommer keinen Hortplatz für ihren Sohn mehr. "Für mich ist das katastrophal, weil ich natürlich so überhaupt nicht arbeiten kann. Die Ferien sind nicht abgedeckt. Das heißt, dass ich übers Jahr gesehen drei Monate abdecken muss", erzählt die Bremerin. Sie möchte ihren ganzen Namen öffentlich nicht nennen, weil sie Angst hat, dass ihr durch die fehlende Kinderbetreuung Nachteile auf dem Arbeitsmarkt entstehen.

Das ist einfach eine unfassbare psychische Belastung und ich weiß nicht, wie wir das abdecken sollen.

Valeria E., alleinerziehende Mutter aus Bremen

Dass Valerie E. ihren Namen nicht nennen möchte, zeigt das Problem ganz deutlich. "Wer will mich denn anstellen? Und welcher Arbeitgeber macht das mit?", sagt sie zu buten un binnen. Im Kindergarten und in der ersten Klasse hatte sie eine Ganztagsbetreuung für ihren Sohn. Mit dem Wechsel in die zweite Klasse hat der Hort ihr eine Absage erteilt, weil es viel mehr Anfragen als Plätze gab. Ihr Sohn hat um 13 Uhr Schulschluss. Dass der Zweitklässler dann allein von der Schule nach Hause geht und mehrere Stunden allein zu Hause verbringt, möchte die Mutter nicht.

Vor allem einige Stadtteile unterversorgt

So wie Valeria E. geht es auch anderen Eltern in Bremen. Der Bedarf für eine Nachmittagsbetreuung ist größer als das Angebot. In einer ersten Anfrage von buten un binnen sprach die Stadt Bremen für die Horte von über 600 mehr Anmeldungen als Plätzen. Darin seien allerdings Mehrfachanmeldungen enthalten, weshalb die Differenz deutlich geringer sei, ruderte die Behörde in einem zweiten Schritt zurück. Eine weitere Zahl, die die Differenz der Anmeldungen und Plätze darstellt, kann sie nicht nennen.

"Wir haben in Bremen kein flächendeckendes Problem, aber in bestimmten Stadtteilen eine Unterversorgung", räumt die Behörde ein. Bei allen Erfolgen beim Ganztagsschulausbau bliebe die Herausforderung, dass nicht alle Eltern, die eine ganztägige Betreuung für ihre Kinder benötigen, diese auch erhalten. Auch der bundesweit und auch in Bremen herrschende Fachkräftemangels erschwere den Ausbau. "Wir wollen alle Angebote in der Schule, im Hort, durch Kooperation mit anderen Trägern oder von Elterninitiativen nutzen, um die Bedarfe zu erfüllen", sagt Bildungssenatorin Sascha Aulepp. In Bremen gebe es Stadtteile, die deutlich zu wenig Angebot hätten und andere, die bereits gut mit Ganztagsangeboten ausgestattet seien. Höher als das Angebot ist der Bedarf demnach in Vegesack und Blumenthal, aber auch in Huchting, im Steintor, in Gröpelingen, Hastedt und Hemelingen.

"Wir haben auf jeden Fall mehr Bedarf als Angebote, vor allem in Hastedt, da wir da viele berufstätige Eltern haben", sagt der Hemelinger Ortsamtsleiter Jörn Hermening. Aber auch in Sebaldsbrück und Hemelingen wäre aus seiner Sicht ein Hortangebot für viele Kinder sinnvoll. "Allein aus pädagogischer Sicht, für die Sprachförderung der Kinder: Ein Hort ist ja kein Aufbewahrungsort, sondern ein wichtiges pädagogisches Angebot", sagt er.

Elternbeirat kritisiert die Versorgungslücke

In Bremerhaven fehlen knapp 80 Hortplätze. Das geht aus aktuellen Zahlen des Bremerhavener Magistrats hervor. Die Statistiken zeigen außerdem, dass die Zahl der Hortplätze in Bremen im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Die Behörde begründet das mit dem Ganztagsausbau an Schulen.

Der Zentralelternbeirat kritisiert die Betreuungslücke. "Es gibt in Bremen zu wenig Hortplätze. Der Ganztagsausbau läuft absolut schleppend und es fehlt im gesamten Ganztag an Personal", sagt Pierre Hansen vom Zentralelternbeirat Bremen. Auch wenn es besser laufe als zu Beginn des Ganztagsausbaus, gebe es immer Familien, die bei diesem System auf der Strecke blieben, mahnt Hansen.

Es ist erschütternd, dass wir ein Bildungssystem haben, das solche Lücken aufweist.

Pierre Hansen vom Zentralelternbeirat

Horte bieten verlässlichere Betreuung als Ganztagsschule

Der Elternbeiratssprecher hält es für fatal, Hortangebote zu schließen, bevor ein Ganztagsangebot komplett stehe. "Ich bin ein Freund davon, ein altes System erst auslaufen zu lassen, wenn ein neues vollständig etabliert ist, also keine Horte dicht machen, bevor der Ganztagsbetrieb in den Schulen ausreichend gestartet ist", sagt Pierre Hansen. Insgesamt sei die Situation besser als zu der Zeit, als der Ganztag eingeführt wurde. Aber es gebe weiterhin Fälle, in denen ein bestehendes Hortangebot schließen soll, obwohl die Grundschule noch nicht zum Ganztag ausgebaut wurde. "Wie es jetzt gerade im Halmer Weg in Gröpelingen passiert ist", erzählt Pierre Hansen. Erst auf Drängen der Schule und des Beirats hätte die Hortgruppe dort doch noch erhalten bleiben können.

Ein weiteres Problem: Die bestehenden Hortangebote bieten laut Hansen häufig eine verlässlichere Betreuung als die Ganztagsschulen. "In der Regel geht es schon vor den Herbstferien los, dass die Ganztagsschule Briefe an die Eltern schreibt, dass die Betreuung an einzelnen Tagen nur noch bis 13 Uhr stattfindet", kritisiert Pierre Hansen. Dieses Vorgehen funktioniere dann spätestens zur Grippewelle nicht mehr.

Einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule gibt es für Eltern schrittweise ab 2026. Menschen wie Valeria E. hilft das aktuell nur wenig. "Wenn das Kind erstmal zur Schule geht, habe ich als Alleinerziehende gedacht, dann kann ich wahrscheinlich Vollgas geben mit der Arbeit. Aber jetzt wird mir ein Stock zwischen die Beine geworfen", sagt sie.

Ich frage mich, was ist das für ein Weitblick, was ist das für ein System, was ist das für eine blöde Lücke.

Valeria E., alleinerziehende Mutter aus Bremen