Hebammenmangel in Bremen: Rund 800 Familien ohne Hebamme
Wer in Bremen eine Hebamme benötigt, hat derzeit schlechte Karten: 800 Familien sind auf der Suche. Der Hebammenlandesverband fordert Konsequenzen von der Bremer Politik.
Christina Altmann vom Hebammenlandesverband wirkt wütend: "Also es wühlt mich auch innerlich auf, wenn ich einfach höre, wie gering der Stellenwert von Geburten dargestellt wird. Ich würde mir da auch manchmal wünschen, dass Frauen das einfach noch lauter nach draußen schreien", sagt Altmann. Sie ist seit knapp einem Jahr erste Vorsitzende des Verbands in Bremen und erlebt den Hebammenmangel tagtäglich mit. Die Gründe für den Mangel sieht sie in der Unterfinanzierung der Geburtshilfe in den Kliniken, im Fachkräftemangel und zu wenig ausgebildeten Hebammen.
Einige Hebammen haben dem Beruf den Rücken gekehrt. 800 Familien haben deshalb derzeit keine Hebamme, sagt Altmann. Sie spüre das deutlich: "Auch heute habe ich natürlich jeden Tag hier Frauen am Telefon, die verzweifelt eine Hebamme suchen, obwohl sie sich früh genug gemeldet haben und trotzdem niemanden für Spätsommer nächsten Jahres finden."
Bremerin schreibt erfolglos 20 Hebammen-Praxen an
Eine, die diesen Kampf kennt, ist Kyra Madena aus Arsten. Sie wird im Oktober 2021 schwanger und begibt sich früh auf die Suche nach einer Hebamme. Ihre Frauenärztin kennt die Probleme und hat ihr dazu geraten rechtzeitig zu suchen: "Ich habe bestimmt 20 Praxen angeschrieben. Aber leider immer mit der Info, dass sie total überlaufen sind und keine Schwangeren mehr annehmen können." Sie fasst damals einen Entschluss: Wenn sie bis zur Hälfte ihrer Schwangerschaft im Februar auf eigene Faust keine Hebamme findet, muss sie sich woanders Hilfe holen: "Dann musste ich gucken, wo ich Rat finde, wo ich Unterstützung finde und was es vor allem für Alternativen gibt, wenn ich jetzt wirklich gar keine finde."
Bis Februar muss Kyra nicht warten, im Januar wird sie endlich fündig. Ihre Hebamme hat ihre Praxis aber nicht in Bremen, sondern in Weyhe in Niedersachsen. Für sie und andere Schwangere aus Bremen mache ihre Hebamme schon länger eine Ausnahme, erzählt Kyra. Sie sieht eindeutig Verbesserungsbedarf in der Geburtshilfe.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Hebammen einfach super viel Unterstützung erfahren und das noch mehr deutlich gemacht wird, wie wichtig der Beruf für uns Schwangere einfach ist.
Kyra Madena, Mutter aus Arsten
Knapp 800.000 Geburten jährlich
In Deutschland finden laut statistischem Bundesamt jährlich knapp 800.000 Geburten statt – damit gehört sie mit zu den am häufigsten abgerechneten Behandlungen. Eine Geburt ist also nicht gerade selten. Auch die Akademisierung des Ausbildungsberufes zur Hebamme konnte noch keine Abhilfe beim Hebammenmangel schaffen: In Deutschland ist die Hebammenwissenschaft nämlich seit 2020 ein Studiengang und keine Ausbildung mehr.
Bremer Studiengang fängt Mangel nicht auf
Auch in Bremen gibt es den neuen Studiengang. Jedes Jahr beginnen rund 40 Studierende mit dem dualen Studium der Hebammenwissenschaften an der Hochschule Bremen. Die ersten sind dann 2024 fertig. Der akute Hebammenmangel lässt sich dadurch also nicht beheben. Deshalb appelliert Christina Altmann an die Bremer Politik. Sie fordert eine bessere Vergütung für Hebammen. Schließlich müssen sie jederzeit bereitstehen und Ausstattung für Notfälle bereithalten. Diese sei mit der Fallkostenpauschale, über die die Geburt üblicherweise abgerechnet wird, nicht abdeckbar. "Eine Umfrage vom deutschen Hebammenverband vom Mai 2022 hat gezeigt, dass es in in Bremen 38 Hebammen gibt, die bereit wären, in die Kreißsäle zurückzukehren, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen würden," so Altmann.
In den Gesprächen mit Kyra Madena und mit Christina Altmann wird eines ganz deutlich: Eine Hebamme ist nicht nur für die Hilfe bei der Geburt zuständig. Sie ist wichtig für die physische und mentale Gesundheit von Mutter und Kind.
Dieses Thema im Programm: Bremen Next, Next am Morgen, 21. Dezember 2022, 8:40 Uhr