Wie Kriege, Trump & Co. Bremens Haushaltspläne zunichte machen könnten

Ukrainische Flaggen wehen vor einem zerstörten Wohnkomplex in Orikhiv.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt besonders deutlich, wie globale Einflüsse auch den Bremer Haushalt durcheinander wirbeln können. Bild: dpa | Sipa USA/SOPA Images

Ob Kriege, Katastrophen oder Donald Trump: Sie alle haben Einfluss auf Bremens Finanzen. Zwei Finanzexperten erklären globale Risiken für Bremens neuen Doppelhaushalt.

Bis auf den letzten Euro – so genau skizzieren der Bremer Senat und andere Regierungen in ihren "Haushaltsportraits" Haushalte kommender Jahre. Alle Jahre wieder. Man könnte meinen: "So einfach geht das! Man muss nur genau rechnen."

Tatsächlich aber stützen sich derartige Haushaltsportraits auf eine Reihe von vagen Prognosen und Annahmen, die sich schnell in Luft auflösen und so die schöne, präzise Rechnung ad absurdum führen können. Dabei spielen oft auch globale Faktoren eine Rolle. Welche dies im Falle des neuen Bremer Doppelhaushalts sein könnten, erklären Kristina van Deuverden, Vorständin und Referentin für öffentliche Finanzen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel.

1 Kriege und Naturkatastrophen

Erst Corona, dann der Ukraine-Krieg: Die letzten Jahren haben besonders deutlich gezeigt, dass jederzeit kaum vorhersehbare Ereignisse über die Menschheit hereinbrechen können, die alles verändern – und sich folglich auch massiv auf die öffentlichen Haushalte auswirken. Wirtschaftswissenschaftler bezeichnen solche Ereignisse auch als "exogene Schocks", erklärt die DIW-Finanzexpertin Kristina van Deuverden und fügt hinzu: "Auf so etwas kann man sich nicht vorbereiten."

Als weiteres Beispiel für einen exogenen Schock in der jüngeren Vergangenheit nennt sie die Finanzkrise von 2008 nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers. "Das war natürlich in keiner Prognose enthalten", so Deuverden. Prognosen, wie man sie benötige, um einen Haushalt aufzustellen, seien letztlich nichts anderes als Wahrscheinlichkeitsaussagen. Es sei unmöglich, hierbei exogene Schocks einzubeziehen, obwohl es doch jederzeit zu solchen Ereignissen kommen könne.

2 Wahlen in den USA

Donald Trump gestikuliert auf einer Wahlkampfveranstaltung im März 2024.
Steht für "America first": Donald Trump. Bild: dpa | AP/Jeff Dean

Wie die exogenen Schocks, so lassen sich auch diverse politische Risiken für die Weltwirtschaft kaum bei Prognosen für öffentliche Haushalte berücksichtigen. Beispielhaft nennt van Deuverden an dieser Stelle die am 5. November anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA. Sie könnten einen Regierungswechsel nach sich ziehen. Donald Trump könnte wieder an die Macht kommen.

"Da steht natürlich schon die Möglichkeit im Raum, dass der Protektionismus in der amerikanischen Politik zunehmen könnte", sagt van Deuverden. Sprich: Die neue US-Regierung könnte versuchen, ausländische Anbieter auf ihrem inländischen Markt zu benachteiligen, um auf diese Weise US-amerikanischen Unternehmen zu einem 'Vorsprung' zu verhelfen. "Das Klima könnte dann für Europa rauer werden", so van Deuverden. Die Folgen, nicht zuletzt für das stark exportorientierte Deutschland wären kaum absehbar.

Das Land Bremen mit seinen Häfen wäre von einer Schwächung des Exports möglicherweise besonders stark betroffen. Denn je weniger Bremer Handelsunternehmen einnehmen, desto weniger Steuern zahlen sie auch. Unabhängig von der Frage, ob Joe Biden oder Donald Trump die Wahl um die Präsidentschaft in den USA gewinnt, sieht der Bremer Ökonom Rudolf Hickel schon heute klare Tendenzen für einen neuen Protektionismus aus den USA.

3 China und die Lieferketten

Dunkelhaarige Frau mittleren Alters mit blauen Augen guckt für Portrait in die Kamera
DIW-Vorständin Kristina van Deuverden sieht in China einen großen Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft. Bild: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Wie sich in der Corona-Pandemie besonders deutlich gezeigt hat, ist die deutsche Wirtschaft stark abhängig von diversen Produkten aus China. Doch der Fluss dieser Produkte war während der Pandemie immer wieder gestört, die viel zitierte Lieferkette unterbrochen. In Bremen führte der daraus resultierende Mangel an Bauteilen zeitweise sogar zum Produktionsstop im Mercedes-Werk.

Mit Blick auf die kommenden Jahre hält DIW-Vorständin Kristina van Deuverden China insbesondere deswegen für einen Risikofaktor für die Weltwirtschaft, weil das Land augenscheinlich immer mehr Macht gewinnen wolle. Hinzu komme der schwelende Konflikt Chinas mit den USA sowie die durch China bedrohte Autonomie Taiwans. "Wie das alles weitergehen wird, lässt sich natürlich in einer Haushaltsprognose nicht abbilden", so van Deuverden. Dennoch ist klar, dass sich die Qualität der Bremer Handelsbeziehungen zu China auch auf die Steuereinnahmen Bremens auswirkt.

4 Ölpreise und Wechselkurs

Ein Geophysiker steht vor einer Gestängepumpe zur Erdölförderung in der Grafschaft Bentheim in Niedersachsen.
Ein Geophysiker steht vor einer Pumpe zur Erdölförderung. Die Ölpreise sind oft längst nicht so stabil, wie in Prognosen angenommen. Bild: dpa | Friso Gentsch

Grundsätzlich geht man beim Erstellen von Prognosen für öffentliche Haushalte von verschiedenen so genannten "technischen Annahmen" aus, darunter etwa der Wechselkurs oder der Ölpreis. "Man geht im Regelfall davon aus, dass diese Größen konstant bleiben werden", erklärt die DIW-Finanzexpertin Kristina van Deuverden und ergänzt: "Das machen Sie aber nur, weil Sie nichts Seriöseres haben, es nicht besser wissen."

Die tatsächliche Entwicklung weiche von diesen technischen Annahmen in der Praxis immer ab. Das betreffe insbesondere die Bundesländer, die, wie Bremen, Doppelhaushalte planten und entsprechend die Entwicklungen eines großen Zeitraums prognostizieren müssten.

Wenn ich prognostizieren könnte, wo beispielsweise der Zinssatz in neun Monaten läge oder der Ölpreis, dann würde ich keine Prognosen machen, sondern dann hätte ich viele Millionen auf dem Konto und würde die Füße hochlegen.

DIW-Vorständin Kristina van Deuverden

5 Bundespolitik und Gesetzesänderungen

Als weiteren wesentlichen Risikofaktor bei der Haushaltsplanung für das Land Bremen nennt Kristina van Deuverden auch die Bundespolitik und Gesetzesänderungen. So fuße insbesondere die Einnahmenplanung in den öffentlichen Haushalten auf steuerliche Gesetzeslagen, die sich erfahrungsgemäß häufig änderten – und damit die Planung über den Haufen werfen könnten. Das Risiko, das so etwas geschehe, sei bei Doppelhaushalten wie in Bremen besonders groß.

Als Beispiel nennt van Deuverden den Inflationsausgleich aus dem letzten Jahr, der zu Mindereinnahmen der öffentlichen Hand bei der Einkommenssteuer führe. Derzeit stehe die Möglichkeit im Raum, dass die Ampel-Koalition inflationsbedingte Mehreinnahmen irgendwie an die Menschen weitergeben werde – etwa, indem sie den Grundfreibetrag erhöht. "Das hätte natürlich auch Auswirkungen auf die steuerlichen Einnahmen der Länder", so van Deuverden.

6 Nachwirkungen der Mehrfachkrise

Rudi Hickel im Studio von buten un binnen.
Betont, dass die Mehrfachkrise der vergangenen Jahre nachwirkt und auch für den neuen Bremer Haushalt Risiken birgt: der Bremer Ökonom Rudolf Hickel. Bild: Radio Bremen

Die Risiken aus der Mehrfachkrise der vergangenen Jahre schlagen auf Bremens Haushalte der Jahre 2024 und 2025 durch, ist sich der Bremer Ökonom Rudolf Hickel sicher. So müsse die öffentliche Hand noch immer viel Geld aufwenden, um Schäden und Schulden aus der Corona-Krise zu beseitigen beziehungsweise zu tilgen. Gleichzeitig seien die Lieferkettenprobleme noch immer spürbar. Die schwächelnde Weltwirtschaft stelle gerade solche Bremer Unternehmen vor Herausforderungen, die in erster Linie vom Außenhandel lebten.

"Trotz sinkender Inflationsrate sind die Energiekosten noch immer zu hoch", fügt Hickel hinzu. Die Armut im Land Bremen weite sich aus. Gleichzeitig sei nur ein kleiner Zuwachs bei den Steuereinnahmen zu erwarten. Und sollte die Konjunktur weltweit weiterhin schwächeln, so könne es sogar dazu kommen, dass Bremen in den beiden kommenden Jahren nicht mehr, sondern weniger Steuern einnimmt als zur Zeit.

Senat legt neuen Bremer Haushalt vor – mit hunderten neuen Stellen

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. April 2024, 19:30 Uhr